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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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gab der General das Signal zum Rückzuge, das heißt der Gongony verstummte
erst, als der größte Theil der Armee On-lan-tais bereits niedergemetzelt, gefangen¬
genommen oder zum Feinde übergegangen war.

Sir, der Vicekönig der beiden Knäng, hinter den wohlgeschützten Mauern
von Kao-tschu-fu, ließ sich dnrch diese Niederlage seines Generals nicht ent-
muthigen. Auch er entschloß sich zur Rache und nahm .zu diesem Behufe zu einer
List seine Zuflucht, die an die Füchse Samsous gemahnt. Er ließ viertausend
Büffel zusammenbringen, an deren Hörner man Fackeln von Kienholz befestigte.
Diese Horde wurde vou 6000 Soldaten eines Abends nach dem Lager der Re¬
bellen vor sich hergegeben. Sir erwartete, daß jeder dieser feurigen und wohl¬
gehörnten Streiter Tod und Verderben unter die Rebellen bringen werde. Der
Feind, den die fabelhafte Beleuchtung jede Bewegung der Kaiserlichen sehr wohl sehen
ließ, ließ die gekrönten Scharen anfangs ruhig vorwärts kommen. Noch ehe
dieselben aber das Lager erreicht hatten, fiel er über die Soldaten her und ver¬
nichtete sie anch diesmal. Diese Kriegslist Sins, obgleich mißlungen, hat dem
General den Ruf eines großen Strategikers verschafft. Er mag diesen genialen
Einfall aus dem On-Pitsche, der chinesischen Abhandlung über die Kriegskunst,
entlehnt habe". Dieses kostbare Buch wird selbst den Civilmaudariuen, die noch
nicht den dritten Grad erreicht haben, zu lesen verboten, sür so gefährlich er¬
achten die Chinesen die Verbreitung dieser Kriegskunst. Die Engländer, ehe sie
ihren Krieg gegen China begonnen hatten, wußten sich ein Exemplar des Werkes
zu verschaffen, und als nach Beendigung des Kriegs ein Mandarine von Canton
dieses erfahren, rief er schmerzlich ans: "Nun weiß ich, warum uns die Barbaren
besiegt haben."

Die Rebellen breite" sich um diese Zeit noch mehr aus, und die ofstcielle
Zeitung von Peking spricht selbst von den Bewegungen in Hai-nan und in Hu-
kuang (Hu-nan und Hu-pi). Ju Hai-nan, das die Chinesen seit Jahrhunderten
besitzen, ohne dessen kriegerische Bewohner ganz unterjochen zu können, haben
die Rebellen unter ihnen bald großen Anhang sich zu verschaffen gewußt. Peking
ist in größter Bestürzung über diese Ausdehnung der Revolution, und es wird
ein Bote nach Canton geschickt, die Hiobspost daselbst zu überbringen. Er be¬
richtet, daß die Rebellen sich mit 20,000 Mia-ezc vereinigt haben und auf die
Hauptstadt losmarschireu. Der Kriegsminister befiehlt, daß allsogleich zehntausend
Mann in die Provinz Hu-pi geworfen werden. Es war aber eine falsche An¬
sicht (wie Callery und Man uns berichten) zu glauben, daß die Revolutionäre
in Hu-knang von den Rebellen in Knäng-si ausgeschickt worden seien. Die aus¬
gehungerten Bewohner des nördlichen Hu-pi sind von unabhängigen Führern be¬
fehligt, obgleich sie dieselben Zwecke verfolgen. Die schlechtbezahlte Armee der
Kaiserlichen geht auch oft zu dem Feinde über. Und so erzählt man von einem


ÜSrenzboten. III. -I8S3. 32

gab der General das Signal zum Rückzuge, das heißt der Gongony verstummte
erst, als der größte Theil der Armee On-lan-tais bereits niedergemetzelt, gefangen¬
genommen oder zum Feinde übergegangen war.

Sir, der Vicekönig der beiden Knäng, hinter den wohlgeschützten Mauern
von Kao-tschu-fu, ließ sich dnrch diese Niederlage seines Generals nicht ent-
muthigen. Auch er entschloß sich zur Rache und nahm .zu diesem Behufe zu einer
List seine Zuflucht, die an die Füchse Samsous gemahnt. Er ließ viertausend
Büffel zusammenbringen, an deren Hörner man Fackeln von Kienholz befestigte.
Diese Horde wurde vou 6000 Soldaten eines Abends nach dem Lager der Re¬
bellen vor sich hergegeben. Sir erwartete, daß jeder dieser feurigen und wohl¬
gehörnten Streiter Tod und Verderben unter die Rebellen bringen werde. Der
Feind, den die fabelhafte Beleuchtung jede Bewegung der Kaiserlichen sehr wohl sehen
ließ, ließ die gekrönten Scharen anfangs ruhig vorwärts kommen. Noch ehe
dieselben aber das Lager erreicht hatten, fiel er über die Soldaten her und ver¬
nichtete sie anch diesmal. Diese Kriegslist Sins, obgleich mißlungen, hat dem
General den Ruf eines großen Strategikers verschafft. Er mag diesen genialen
Einfall aus dem On-Pitsche, der chinesischen Abhandlung über die Kriegskunst,
entlehnt habe». Dieses kostbare Buch wird selbst den Civilmaudariuen, die noch
nicht den dritten Grad erreicht haben, zu lesen verboten, sür so gefährlich er¬
achten die Chinesen die Verbreitung dieser Kriegskunst. Die Engländer, ehe sie
ihren Krieg gegen China begonnen hatten, wußten sich ein Exemplar des Werkes
zu verschaffen, und als nach Beendigung des Kriegs ein Mandarine von Canton
dieses erfahren, rief er schmerzlich ans: „Nun weiß ich, warum uns die Barbaren
besiegt haben."

Die Rebellen breite» sich um diese Zeit noch mehr aus, und die ofstcielle
Zeitung von Peking spricht selbst von den Bewegungen in Hai-nan und in Hu-
kuang (Hu-nan und Hu-pi). Ju Hai-nan, das die Chinesen seit Jahrhunderten
besitzen, ohne dessen kriegerische Bewohner ganz unterjochen zu können, haben
die Rebellen unter ihnen bald großen Anhang sich zu verschaffen gewußt. Peking
ist in größter Bestürzung über diese Ausdehnung der Revolution, und es wird
ein Bote nach Canton geschickt, die Hiobspost daselbst zu überbringen. Er be¬
richtet, daß die Rebellen sich mit 20,000 Mia-ezc vereinigt haben und auf die
Hauptstadt losmarschireu. Der Kriegsminister befiehlt, daß allsogleich zehntausend
Mann in die Provinz Hu-pi geworfen werden. Es war aber eine falsche An¬
sicht (wie Callery und Man uns berichten) zu glauben, daß die Revolutionäre
in Hu-knang von den Rebellen in Knäng-si ausgeschickt worden seien. Die aus¬
gehungerten Bewohner des nördlichen Hu-pi sind von unabhängigen Führern be¬
fehligt, obgleich sie dieselben Zwecke verfolgen. Die schlechtbezahlte Armee der
Kaiserlichen geht auch oft zu dem Feinde über. Und so erzählt man von einem


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[0257] gab der General das Signal zum Rückzuge, das heißt der Gongony verstummte erst, als der größte Theil der Armee On-lan-tais bereits niedergemetzelt, gefangen¬ genommen oder zum Feinde übergegangen war. Sir, der Vicekönig der beiden Knäng, hinter den wohlgeschützten Mauern von Kao-tschu-fu, ließ sich dnrch diese Niederlage seines Generals nicht ent- muthigen. Auch er entschloß sich zur Rache und nahm .zu diesem Behufe zu einer List seine Zuflucht, die an die Füchse Samsous gemahnt. Er ließ viertausend Büffel zusammenbringen, an deren Hörner man Fackeln von Kienholz befestigte. Diese Horde wurde vou 6000 Soldaten eines Abends nach dem Lager der Re¬ bellen vor sich hergegeben. Sir erwartete, daß jeder dieser feurigen und wohl¬ gehörnten Streiter Tod und Verderben unter die Rebellen bringen werde. Der Feind, den die fabelhafte Beleuchtung jede Bewegung der Kaiserlichen sehr wohl sehen ließ, ließ die gekrönten Scharen anfangs ruhig vorwärts kommen. Noch ehe dieselben aber das Lager erreicht hatten, fiel er über die Soldaten her und ver¬ nichtete sie anch diesmal. Diese Kriegslist Sins, obgleich mißlungen, hat dem General den Ruf eines großen Strategikers verschafft. Er mag diesen genialen Einfall aus dem On-Pitsche, der chinesischen Abhandlung über die Kriegskunst, entlehnt habe». Dieses kostbare Buch wird selbst den Civilmaudariuen, die noch nicht den dritten Grad erreicht haben, zu lesen verboten, sür so gefährlich er¬ achten die Chinesen die Verbreitung dieser Kriegskunst. Die Engländer, ehe sie ihren Krieg gegen China begonnen hatten, wußten sich ein Exemplar des Werkes zu verschaffen, und als nach Beendigung des Kriegs ein Mandarine von Canton dieses erfahren, rief er schmerzlich ans: „Nun weiß ich, warum uns die Barbaren besiegt haben." Die Rebellen breite» sich um diese Zeit noch mehr aus, und die ofstcielle Zeitung von Peking spricht selbst von den Bewegungen in Hai-nan und in Hu- kuang (Hu-nan und Hu-pi). Ju Hai-nan, das die Chinesen seit Jahrhunderten besitzen, ohne dessen kriegerische Bewohner ganz unterjochen zu können, haben die Rebellen unter ihnen bald großen Anhang sich zu verschaffen gewußt. Peking ist in größter Bestürzung über diese Ausdehnung der Revolution, und es wird ein Bote nach Canton geschickt, die Hiobspost daselbst zu überbringen. Er be¬ richtet, daß die Rebellen sich mit 20,000 Mia-ezc vereinigt haben und auf die Hauptstadt losmarschireu. Der Kriegsminister befiehlt, daß allsogleich zehntausend Mann in die Provinz Hu-pi geworfen werden. Es war aber eine falsche An¬ sicht (wie Callery und Man uns berichten) zu glauben, daß die Revolutionäre in Hu-knang von den Rebellen in Knäng-si ausgeschickt worden seien. Die aus¬ gehungerten Bewohner des nördlichen Hu-pi sind von unabhängigen Führern be¬ fehligt, obgleich sie dieselben Zwecke verfolgen. Die schlechtbezahlte Armee der Kaiserlichen geht auch oft zu dem Feinde über. Und so erzählt man von einem ÜSrenzboten. III. -I8S3. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/257>, abgerufen am 23.07.2024.