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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Die Vertheidiger Logerotte und Avond verfahren ziemlich in derselben Art,
wie der Angeklagte selbst, indem sie seine vorgelegten Papiere als stichhaltige Be¬
legstücke erklären und das öffentliche Ministerium auffordern, zu beweisen, wer er
sei, falls er nicht sei, wofür er sich ausgibt. Erkläre man aber die Papiere für
falsch, so müßte man den Angeklagten vor die Jury stellen, die ihn sicher frei¬
sprechen werde.

Avond schließt sein Plaidoyer in folgender Weise: Als der Angeklagte
Spanien verließ, machte er seine Ansprüche auf die Herzogthümer Mantua und
Castiglione geltend; ich lege Briefe von allen Gesandten, von allen Ministern,
von mehren Souveränen vor, die den Angeklagten mit allen Rücksichten beHan¬
del", mit aller Ehrfurcht, die seine Stellung auferlegt; ich habe in meiner Mappe
mehr als 2000 Briefe aller Berühmtheiten Europas, welche die Autorität des
Prinzen Gonzaga bestätigen und ihn als Prinz und Prätendent behandeln. 1848
kommt er in Rom an. Er ist eine Zeitlang Hüter des päpstlichen Schatzes. (!)
Man empfängt ihn in Rom mit unerhörten Ehren. Hier sind die Briefe des
Kardinals Antonelli, hier die persönlich vom Papste geschriebenen, die beweisen,
wie ernstlich man ihn als Prinz ansah! Die Generale Oudinot und Rostolan
schreiben ihm Briefe voll Ehrfurcht; der Viceadmiral Trehouart, Commandant der
Flotte, schreibt ihm einen Brief voll ehrerbietiger Ergüsse, um ihm für das Com-
mandeurkreuz des Ordens der Erlösung zu danken.. .. Während seines Auf¬
enthaltes in Paris hat der Prinz mehr als 2000 Briefe empfangen, die ihn um
Decorationen bitten. Wenn ich dem Tribunal alle Briefe vorlegen wollte, die
in meiner Hand sind, würde es sehn, daß höhere Offiziere, Admiräle, Prinzen,
Beamte, Schriftsteller, Aerzte als eine Gunst einen der vier Orden des Ange¬
klagten erbitten. Hier ist ein Brief des Herrn Baour-Lormian von der Akade¬
mie, hier einer des ehemaligen Bolksrepräsentanten Peupin, Director der
Unterstützungskasse des Kaisers, des Herrn Unsitte Jubinal, Mitgliedes des legis¬
lativen Körpers. Herr Avond erinnert endlich an die Beziehungen des Prinzen
zuerst mit dem Hofe Louis Philipps, dann mit dem Elysee.

Der Gerichtshof zieht sich zurück und erklärt nach kurzer Berathung mit
Beseitigung des Auklagepnnktes wegen ungesetzlicher Anmaßung der Ehrenlegion,
den Angeklagten in den beiden andern Punkten für schuldig und verurtheilt ihn
zu dreijährigem Gefängniß und 3000 Francs Geldstrafe. Wie man hört, hat
der "Prinz" gegen dieses Erkenntniß Apellation eingelegt.

Nicht blos der Kuriosität halber habe" wir über diese Affaire eine so aus¬
führliche Mittheilung gegeben; sie ist ein bezeichnender und keineswegs schmeichel¬
hafter Beitrag für die Charakteristik der französischen Zustände, denn vorzüglich
Frankreich ist es, wo der angebliche Gonzaga Jahre lang die Opfer seiner
Schwindeleien gesucht und gesunden hat. Muß man auch annehmen, daß der
"Prinz"- und seine Vertheidiger über die Zahl der Ordensverleihungen an Nota-


Die Vertheidiger Logerotte und Avond verfahren ziemlich in derselben Art,
wie der Angeklagte selbst, indem sie seine vorgelegten Papiere als stichhaltige Be¬
legstücke erklären und das öffentliche Ministerium auffordern, zu beweisen, wer er
sei, falls er nicht sei, wofür er sich ausgibt. Erkläre man aber die Papiere für
falsch, so müßte man den Angeklagten vor die Jury stellen, die ihn sicher frei¬
sprechen werde.

Avond schließt sein Plaidoyer in folgender Weise: Als der Angeklagte
Spanien verließ, machte er seine Ansprüche auf die Herzogthümer Mantua und
Castiglione geltend; ich lege Briefe von allen Gesandten, von allen Ministern,
von mehren Souveränen vor, die den Angeklagten mit allen Rücksichten beHan¬
del», mit aller Ehrfurcht, die seine Stellung auferlegt; ich habe in meiner Mappe
mehr als 2000 Briefe aller Berühmtheiten Europas, welche die Autorität des
Prinzen Gonzaga bestätigen und ihn als Prinz und Prätendent behandeln. 1848
kommt er in Rom an. Er ist eine Zeitlang Hüter des päpstlichen Schatzes. (!)
Man empfängt ihn in Rom mit unerhörten Ehren. Hier sind die Briefe des
Kardinals Antonelli, hier die persönlich vom Papste geschriebenen, die beweisen,
wie ernstlich man ihn als Prinz ansah! Die Generale Oudinot und Rostolan
schreiben ihm Briefe voll Ehrfurcht; der Viceadmiral Trehouart, Commandant der
Flotte, schreibt ihm einen Brief voll ehrerbietiger Ergüsse, um ihm für das Com-
mandeurkreuz des Ordens der Erlösung zu danken.. .. Während seines Auf¬
enthaltes in Paris hat der Prinz mehr als 2000 Briefe empfangen, die ihn um
Decorationen bitten. Wenn ich dem Tribunal alle Briefe vorlegen wollte, die
in meiner Hand sind, würde es sehn, daß höhere Offiziere, Admiräle, Prinzen,
Beamte, Schriftsteller, Aerzte als eine Gunst einen der vier Orden des Ange¬
klagten erbitten. Hier ist ein Brief des Herrn Baour-Lormian von der Akade¬
mie, hier einer des ehemaligen Bolksrepräsentanten Peupin, Director der
Unterstützungskasse des Kaisers, des Herrn Unsitte Jubinal, Mitgliedes des legis¬
lativen Körpers. Herr Avond erinnert endlich an die Beziehungen des Prinzen
zuerst mit dem Hofe Louis Philipps, dann mit dem Elysee.

Der Gerichtshof zieht sich zurück und erklärt nach kurzer Berathung mit
Beseitigung des Auklagepnnktes wegen ungesetzlicher Anmaßung der Ehrenlegion,
den Angeklagten in den beiden andern Punkten für schuldig und verurtheilt ihn
zu dreijährigem Gefängniß und 3000 Francs Geldstrafe. Wie man hört, hat
der „Prinz" gegen dieses Erkenntniß Apellation eingelegt.

Nicht blos der Kuriosität halber habe» wir über diese Affaire eine so aus¬
führliche Mittheilung gegeben; sie ist ein bezeichnender und keineswegs schmeichel¬
hafter Beitrag für die Charakteristik der französischen Zustände, denn vorzüglich
Frankreich ist es, wo der angebliche Gonzaga Jahre lang die Opfer seiner
Schwindeleien gesucht und gesunden hat. Muß man auch annehmen, daß der
„Prinz"- und seine Vertheidiger über die Zahl der Ordensverleihungen an Nota-


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[0231] Die Vertheidiger Logerotte und Avond verfahren ziemlich in derselben Art, wie der Angeklagte selbst, indem sie seine vorgelegten Papiere als stichhaltige Be¬ legstücke erklären und das öffentliche Ministerium auffordern, zu beweisen, wer er sei, falls er nicht sei, wofür er sich ausgibt. Erkläre man aber die Papiere für falsch, so müßte man den Angeklagten vor die Jury stellen, die ihn sicher frei¬ sprechen werde. Avond schließt sein Plaidoyer in folgender Weise: Als der Angeklagte Spanien verließ, machte er seine Ansprüche auf die Herzogthümer Mantua und Castiglione geltend; ich lege Briefe von allen Gesandten, von allen Ministern, von mehren Souveränen vor, die den Angeklagten mit allen Rücksichten beHan¬ del», mit aller Ehrfurcht, die seine Stellung auferlegt; ich habe in meiner Mappe mehr als 2000 Briefe aller Berühmtheiten Europas, welche die Autorität des Prinzen Gonzaga bestätigen und ihn als Prinz und Prätendent behandeln. 1848 kommt er in Rom an. Er ist eine Zeitlang Hüter des päpstlichen Schatzes. (!) Man empfängt ihn in Rom mit unerhörten Ehren. Hier sind die Briefe des Kardinals Antonelli, hier die persönlich vom Papste geschriebenen, die beweisen, wie ernstlich man ihn als Prinz ansah! Die Generale Oudinot und Rostolan schreiben ihm Briefe voll Ehrfurcht; der Viceadmiral Trehouart, Commandant der Flotte, schreibt ihm einen Brief voll ehrerbietiger Ergüsse, um ihm für das Com- mandeurkreuz des Ordens der Erlösung zu danken.. .. Während seines Auf¬ enthaltes in Paris hat der Prinz mehr als 2000 Briefe empfangen, die ihn um Decorationen bitten. Wenn ich dem Tribunal alle Briefe vorlegen wollte, die in meiner Hand sind, würde es sehn, daß höhere Offiziere, Admiräle, Prinzen, Beamte, Schriftsteller, Aerzte als eine Gunst einen der vier Orden des Ange¬ klagten erbitten. Hier ist ein Brief des Herrn Baour-Lormian von der Akade¬ mie, hier einer des ehemaligen Bolksrepräsentanten Peupin, Director der Unterstützungskasse des Kaisers, des Herrn Unsitte Jubinal, Mitgliedes des legis¬ lativen Körpers. Herr Avond erinnert endlich an die Beziehungen des Prinzen zuerst mit dem Hofe Louis Philipps, dann mit dem Elysee. Der Gerichtshof zieht sich zurück und erklärt nach kurzer Berathung mit Beseitigung des Auklagepnnktes wegen ungesetzlicher Anmaßung der Ehrenlegion, den Angeklagten in den beiden andern Punkten für schuldig und verurtheilt ihn zu dreijährigem Gefängniß und 3000 Francs Geldstrafe. Wie man hört, hat der „Prinz" gegen dieses Erkenntniß Apellation eingelegt. Nicht blos der Kuriosität halber habe» wir über diese Affaire eine so aus¬ führliche Mittheilung gegeben; sie ist ein bezeichnender und keineswegs schmeichel¬ hafter Beitrag für die Charakteristik der französischen Zustände, denn vorzüglich Frankreich ist es, wo der angebliche Gonzaga Jahre lang die Opfer seiner Schwindeleien gesucht und gesunden hat. Muß man auch annehmen, daß der „Prinz"- und seine Vertheidiger über die Zahl der Ordensverleihungen an Nota-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/231>, abgerufen am 23.07.2024.