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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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bestehende Peninsular-Company, deren Dampfschiffe den Opium in den verschie¬
denen Hafenstädten sammeln und nach Ostindien bringen. Aus Pergamo ist ein
Dampfer im Dienste der Compagnie dazu bestimmt, den Opium nach Malta zu
bringen, wo er ungeladen und nach Alexandrien verschifft wird; von da geht er
in einem dritten Dampfer nach Kairo, dann nach Suez und endlich "ach Madras,
um nun nach China gebracht zu werden. 1847 allein kaufte der englische Agent in
Pergamo 4 00 Tons (ü, 20 Centner) Opium auf. An Ort und Stelle kostet
der Opium ISO--200 Piaster der Ol, und wird in China mit 3--600 Piaster
verkauft.

Der Rhamnus infectorius oder, wie er auf türkisch heißt, der Dschehri, wird
hauptsächlich bei Koma und Kaisarie gebant; er gedeiht aber überall auf vulka¬
nischem Boden, und liebt ganz besonders Boden, der aus Geschiebe von Feldspath
und plutonischem Gestein besteht. Diese Vorliebe ist so ausgeprägt, daß eine geologische
Karte Kleinasiens genügt, um die zu Cultur des Dschehri geeigneten Stellen zu
bezeichnen. Alle trachytischen Felsen der Umgegend von Koniah, von Angora und
Kaisarie sind mit dem Dschehribusch bedeckt, und bei dem griechischen Dorfe site
bei Koniah führt sogar eine schöne Trachytspitze von der Pflanze deu Namen der
Dschehriberg. Der Busch wird durch Stecklinge fortgepflanzt, der Steckling trägt
im dritten Jahr Früchte, wird aber "ach drei Jahren unfruchtbar, wenn man ihn
nicht pfropft. Leider ist . die Befruchtung eine sehr unsichere Sache, und oft
kommen nach der reichlichsten Blüte mir zu srühgcreifte und alles Farbestoffs
beraubte Beeren. Man pflanzt die neuen Stecklinge der Dschehri im März, die
Ernte ist im Juli. Die Pflanze kann eiuer sehr strengen Kälte widerstehen, ohne
eines künstlichen Schutzes zu bedürfen; mich gedeiht sie ganz vortrefflich in Kai¬
sarie, wo im Winter der Thermometer manchmal bis Is Gr. unter Null sinkt.
Unter gewöhnlichen Verhältnissen gibt ein Strauch 60 Öls frische, oder 30 Öls
trockne Beeren, aber oft. erntet mau blos -I Ol; auch trage" durchschnittlich von
10 Sträucher" 6 nichts. Kaisarie liefert mit seiner nächsten Umgebung 3S0,000
Öls jährlich, was zu 20 Piaster der Ol el" Capital von 700,000 Piaster gibt.
Die Nachfrage "ach dieser Waare ist in Europa so groß, daß man den Anbau
derselben täglich weiter ausdehnt. Der größte Theil wird über Smyrna und
Samsnn nach Europa und hauptsächlich uach England verschifft; letzteres Land
hat auch einen besondern Consul in Kaisarie, der die Versendung dieses wich¬
tigen Farbestvffs nach den britischen Inseln befördern soll.

Das einzige für den auswärtigen Handel in Betracht kommende Product
Kleinasiens aus dem Thierreiche ist die lauge und seidenartige Wolle der Angora¬
ziege. Nur auf einem ziemlich beschränkten Raum westlich von Kiön-Ermak, unge¬
fähr S00 Quadratmeilen groß, gedeiht diese Ziege so, daß ihr Vließ seine voll¬
ständige Feinheit erlaugt; a" jeden andern Ort versetzt, artet die Ziege aus,
und das Vließ verliert seine guten Eigenschaften ganz. Merkwürdig genug stehen


bestehende Peninsular-Company, deren Dampfschiffe den Opium in den verschie¬
denen Hafenstädten sammeln und nach Ostindien bringen. Aus Pergamo ist ein
Dampfer im Dienste der Compagnie dazu bestimmt, den Opium nach Malta zu
bringen, wo er ungeladen und nach Alexandrien verschifft wird; von da geht er
in einem dritten Dampfer nach Kairo, dann nach Suez und endlich »ach Madras,
um nun nach China gebracht zu werden. 1847 allein kaufte der englische Agent in
Pergamo 4 00 Tons (ü, 20 Centner) Opium auf. An Ort und Stelle kostet
der Opium ISO—200 Piaster der Ol, und wird in China mit 3—600 Piaster
verkauft.

Der Rhamnus infectorius oder, wie er auf türkisch heißt, der Dschehri, wird
hauptsächlich bei Koma und Kaisarie gebant; er gedeiht aber überall auf vulka¬
nischem Boden, und liebt ganz besonders Boden, der aus Geschiebe von Feldspath
und plutonischem Gestein besteht. Diese Vorliebe ist so ausgeprägt, daß eine geologische
Karte Kleinasiens genügt, um die zu Cultur des Dschehri geeigneten Stellen zu
bezeichnen. Alle trachytischen Felsen der Umgegend von Koniah, von Angora und
Kaisarie sind mit dem Dschehribusch bedeckt, und bei dem griechischen Dorfe site
bei Koniah führt sogar eine schöne Trachytspitze von der Pflanze deu Namen der
Dschehriberg. Der Busch wird durch Stecklinge fortgepflanzt, der Steckling trägt
im dritten Jahr Früchte, wird aber «ach drei Jahren unfruchtbar, wenn man ihn
nicht pfropft. Leider ist . die Befruchtung eine sehr unsichere Sache, und oft
kommen nach der reichlichsten Blüte mir zu srühgcreifte und alles Farbestoffs
beraubte Beeren. Man pflanzt die neuen Stecklinge der Dschehri im März, die
Ernte ist im Juli. Die Pflanze kann eiuer sehr strengen Kälte widerstehen, ohne
eines künstlichen Schutzes zu bedürfen; mich gedeiht sie ganz vortrefflich in Kai¬
sarie, wo im Winter der Thermometer manchmal bis Is Gr. unter Null sinkt.
Unter gewöhnlichen Verhältnissen gibt ein Strauch 60 Öls frische, oder 30 Öls
trockne Beeren, aber oft. erntet mau blos -I Ol; auch trage» durchschnittlich von
10 Sträucher» 6 nichts. Kaisarie liefert mit seiner nächsten Umgebung 3S0,000
Öls jährlich, was zu 20 Piaster der Ol el» Capital von 700,000 Piaster gibt.
Die Nachfrage »ach dieser Waare ist in Europa so groß, daß man den Anbau
derselben täglich weiter ausdehnt. Der größte Theil wird über Smyrna und
Samsnn nach Europa und hauptsächlich uach England verschifft; letzteres Land
hat auch einen besondern Consul in Kaisarie, der die Versendung dieses wich¬
tigen Farbestvffs nach den britischen Inseln befördern soll.

Das einzige für den auswärtigen Handel in Betracht kommende Product
Kleinasiens aus dem Thierreiche ist die lauge und seidenartige Wolle der Angora¬
ziege. Nur auf einem ziemlich beschränkten Raum westlich von Kiön-Ermak, unge¬
fähr S00 Quadratmeilen groß, gedeiht diese Ziege so, daß ihr Vließ seine voll¬
ständige Feinheit erlaugt; a» jeden andern Ort versetzt, artet die Ziege aus,
und das Vließ verliert seine guten Eigenschaften ganz. Merkwürdig genug stehen


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[0213] bestehende Peninsular-Company, deren Dampfschiffe den Opium in den verschie¬ denen Hafenstädten sammeln und nach Ostindien bringen. Aus Pergamo ist ein Dampfer im Dienste der Compagnie dazu bestimmt, den Opium nach Malta zu bringen, wo er ungeladen und nach Alexandrien verschifft wird; von da geht er in einem dritten Dampfer nach Kairo, dann nach Suez und endlich »ach Madras, um nun nach China gebracht zu werden. 1847 allein kaufte der englische Agent in Pergamo 4 00 Tons (ü, 20 Centner) Opium auf. An Ort und Stelle kostet der Opium ISO—200 Piaster der Ol, und wird in China mit 3—600 Piaster verkauft. Der Rhamnus infectorius oder, wie er auf türkisch heißt, der Dschehri, wird hauptsächlich bei Koma und Kaisarie gebant; er gedeiht aber überall auf vulka¬ nischem Boden, und liebt ganz besonders Boden, der aus Geschiebe von Feldspath und plutonischem Gestein besteht. Diese Vorliebe ist so ausgeprägt, daß eine geologische Karte Kleinasiens genügt, um die zu Cultur des Dschehri geeigneten Stellen zu bezeichnen. Alle trachytischen Felsen der Umgegend von Koniah, von Angora und Kaisarie sind mit dem Dschehribusch bedeckt, und bei dem griechischen Dorfe site bei Koniah führt sogar eine schöne Trachytspitze von der Pflanze deu Namen der Dschehriberg. Der Busch wird durch Stecklinge fortgepflanzt, der Steckling trägt im dritten Jahr Früchte, wird aber «ach drei Jahren unfruchtbar, wenn man ihn nicht pfropft. Leider ist . die Befruchtung eine sehr unsichere Sache, und oft kommen nach der reichlichsten Blüte mir zu srühgcreifte und alles Farbestoffs beraubte Beeren. Man pflanzt die neuen Stecklinge der Dschehri im März, die Ernte ist im Juli. Die Pflanze kann eiuer sehr strengen Kälte widerstehen, ohne eines künstlichen Schutzes zu bedürfen; mich gedeiht sie ganz vortrefflich in Kai¬ sarie, wo im Winter der Thermometer manchmal bis Is Gr. unter Null sinkt. Unter gewöhnlichen Verhältnissen gibt ein Strauch 60 Öls frische, oder 30 Öls trockne Beeren, aber oft. erntet mau blos -I Ol; auch trage» durchschnittlich von 10 Sträucher» 6 nichts. Kaisarie liefert mit seiner nächsten Umgebung 3S0,000 Öls jährlich, was zu 20 Piaster der Ol el» Capital von 700,000 Piaster gibt. Die Nachfrage »ach dieser Waare ist in Europa so groß, daß man den Anbau derselben täglich weiter ausdehnt. Der größte Theil wird über Smyrna und Samsnn nach Europa und hauptsächlich uach England verschifft; letzteres Land hat auch einen besondern Consul in Kaisarie, der die Versendung dieses wich¬ tigen Farbestvffs nach den britischen Inseln befördern soll. Das einzige für den auswärtigen Handel in Betracht kommende Product Kleinasiens aus dem Thierreiche ist die lauge und seidenartige Wolle der Angora¬ ziege. Nur auf einem ziemlich beschränkten Raum westlich von Kiön-Ermak, unge¬ fähr S00 Quadratmeilen groß, gedeiht diese Ziege so, daß ihr Vließ seine voll¬ ständige Feinheit erlaugt; a» jeden andern Ort versetzt, artet die Ziege aus, und das Vließ verliert seine guten Eigenschaften ganz. Merkwürdig genug stehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/213>, abgerufen am 23.07.2024.