Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stärker hervor. Damals gehörte Hoffmann bereits zu den beliebtesten Erzählern,
und das Taschenbuch enthält von ihm die hübsche Novelle: "Der Artushof".
Außerdem kleine Erzählungen von Therese Huber, Otto Graf Loben, dem be¬
kannten Freunde und Verehrer Tiecks, Fanny Tarnow u. a. In den Gedichten
ist in diesem Jahrgang wie in den folgenden vorzugsweise Fouqnv vertreten. --
Der Jahrgang 1818 zeichnet sich vorzugsweise durch "Die bezauberte Rose" von
Ernst Schulze aus. Die Verlagshandlung hatte einen Preis für das beste Ge¬
dicht ausgeschrieben, und die Preisrichter waren in ungemessenen Jubel über
diese Leistung ausgebrochen. Der junge Dichter starb wenige Zeit darauf, nach¬
dem er die Nachricht erhalten, daß ihm der Preis zugefallen war. Das Gedicht
hat damals bedeutendes Aufsehen gemacht, und da die Preisausschreibungen sich
von Zeit zu Zeit wiederholten, so erhielt Brockhaus fast jährlich an Hunderte
von romantischen Gedichten, die nach dem Vorbild der "bezauberten Rose" zu¬
geschnitten waren. Wir müssen aufrichtig gestehen, daß wir, abgesehen von dem
unzweifelhaften Formtalent, an dieser gezierten Blumenpoesie, die sich heutzutage
wieder auf eine sehr unbequeme Weise breit macht, sehr wenig Freude haben. --
Uebrigens muß die Neigung zu dergleichen Bildern in der Luft gelegen haben,
denn noch derselbe Jahrgang enthielt mehre romantische Gedichte von Fouque,
Henriette Schubert, Prätzel u. a., die in einem nicht sehr verschiedenen Stil
gehalten sind. -- Der Jahrgang 1819 enthält fast lauter Preisgedichte, die alle
sehr schlecht sind. Auch unter den novellistischen Beiträgen dieses Jahres verdient
nur "Der Kampf der Sänger" von Hoffmann Beachtung. Im Jahrgang
1820 gehen die romantischen Gedichte fort; es ist die abgeschwächte Romantik
und Ritterpoesie, in der gezierten Form, die sie schließlich bei ihrem vollständigen
Mangel an Inhalt nicht vermeiden konnten. Von den Dichtern dieser Stanzen:
Blumenröder, Elise Erhard, Houwald, Miltitz, Oehlenschläger, ist heute nicht
mehr viel die Rede. Bemerkenswerth ist in dem Jahrgang noch die Novelle:
"Spielerglück" von Hoffmann und eine Abhandlung vom Professor Clodius über
Shakespeares Philosophie im Hamlet, die zu dem Verständigsten gehört, was
über diesen Gegenstand geschrieben ist. -- Auch noch 1821 überwiegen die Ritter-
gedichte nach dem Muster der "bezauberten Rose", zu denen sich noch die Künstler¬
geschichten gesellen. Wir finden in dieser Hinsicht Beiträge von Agnes Franz,
Helmine v. Chezy, Graf Loben (eine Bearbeitung der Sage von der Lorelei in
übertriebener Fonqnvscher Manier), Otto von der Malsburg, gleichfalls einem
ergebenen Schüler Tiecks, Jakobs und Fr. Förster. Auch ist ein Preistrauer¬
spiel von Usener darin, ungefähr in der Manier Houwalds, aber noch viel lang¬
weiliger. -- 1822 finden wir zahlreiche lyrische Gedichte von Rückert, Wilhelm
Müller, Schwab, v. d. Malsburg, Streckfuß; ferner kleine Novellen von Mosen-
geil und Wilhelm v. Schuh, die im extremsten Sinn zur Tieckschen Schule ge¬
hören, und Fragmente aus einer Uebersetzung des Casanova, die mehre Jahr-


stärker hervor. Damals gehörte Hoffmann bereits zu den beliebtesten Erzählern,
und das Taschenbuch enthält von ihm die hübsche Novelle: „Der Artushof".
Außerdem kleine Erzählungen von Therese Huber, Otto Graf Loben, dem be¬
kannten Freunde und Verehrer Tiecks, Fanny Tarnow u. a. In den Gedichten
ist in diesem Jahrgang wie in den folgenden vorzugsweise Fouqnv vertreten. —
Der Jahrgang 1818 zeichnet sich vorzugsweise durch „Die bezauberte Rose" von
Ernst Schulze aus. Die Verlagshandlung hatte einen Preis für das beste Ge¬
dicht ausgeschrieben, und die Preisrichter waren in ungemessenen Jubel über
diese Leistung ausgebrochen. Der junge Dichter starb wenige Zeit darauf, nach¬
dem er die Nachricht erhalten, daß ihm der Preis zugefallen war. Das Gedicht
hat damals bedeutendes Aufsehen gemacht, und da die Preisausschreibungen sich
von Zeit zu Zeit wiederholten, so erhielt Brockhaus fast jährlich an Hunderte
von romantischen Gedichten, die nach dem Vorbild der „bezauberten Rose" zu¬
geschnitten waren. Wir müssen aufrichtig gestehen, daß wir, abgesehen von dem
unzweifelhaften Formtalent, an dieser gezierten Blumenpoesie, die sich heutzutage
wieder auf eine sehr unbequeme Weise breit macht, sehr wenig Freude haben. —
Uebrigens muß die Neigung zu dergleichen Bildern in der Luft gelegen haben,
denn noch derselbe Jahrgang enthielt mehre romantische Gedichte von Fouque,
Henriette Schubert, Prätzel u. a., die in einem nicht sehr verschiedenen Stil
gehalten sind. — Der Jahrgang 1819 enthält fast lauter Preisgedichte, die alle
sehr schlecht sind. Auch unter den novellistischen Beiträgen dieses Jahres verdient
nur „Der Kampf der Sänger" von Hoffmann Beachtung. Im Jahrgang
1820 gehen die romantischen Gedichte fort; es ist die abgeschwächte Romantik
und Ritterpoesie, in der gezierten Form, die sie schließlich bei ihrem vollständigen
Mangel an Inhalt nicht vermeiden konnten. Von den Dichtern dieser Stanzen:
Blumenröder, Elise Erhard, Houwald, Miltitz, Oehlenschläger, ist heute nicht
mehr viel die Rede. Bemerkenswerth ist in dem Jahrgang noch die Novelle:
„Spielerglück" von Hoffmann und eine Abhandlung vom Professor Clodius über
Shakespeares Philosophie im Hamlet, die zu dem Verständigsten gehört, was
über diesen Gegenstand geschrieben ist. — Auch noch 1821 überwiegen die Ritter-
gedichte nach dem Muster der „bezauberten Rose", zu denen sich noch die Künstler¬
geschichten gesellen. Wir finden in dieser Hinsicht Beiträge von Agnes Franz,
Helmine v. Chezy, Graf Loben (eine Bearbeitung der Sage von der Lorelei in
übertriebener Fonqnvscher Manier), Otto von der Malsburg, gleichfalls einem
ergebenen Schüler Tiecks, Jakobs und Fr. Förster. Auch ist ein Preistrauer¬
spiel von Usener darin, ungefähr in der Manier Houwalds, aber noch viel lang¬
weiliger. — 1822 finden wir zahlreiche lyrische Gedichte von Rückert, Wilhelm
Müller, Schwab, v. d. Malsburg, Streckfuß; ferner kleine Novellen von Mosen-
geil und Wilhelm v. Schuh, die im extremsten Sinn zur Tieckschen Schule ge¬
hören, und Fragmente aus einer Uebersetzung des Casanova, die mehre Jahr-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96375"/>
          <p xml:id="ID_647" prev="#ID_646" next="#ID_648"> stärker hervor. Damals gehörte Hoffmann bereits zu den beliebtesten Erzählern,<lb/>
und das Taschenbuch enthält von ihm die hübsche Novelle: &#x201E;Der Artushof".<lb/>
Außerdem kleine Erzählungen von Therese Huber, Otto Graf Loben, dem be¬<lb/>
kannten Freunde und Verehrer Tiecks, Fanny Tarnow u. a. In den Gedichten<lb/>
ist in diesem Jahrgang wie in den folgenden vorzugsweise Fouqnv vertreten. &#x2014;<lb/>
Der Jahrgang 1818 zeichnet sich vorzugsweise durch &#x201E;Die bezauberte Rose" von<lb/>
Ernst Schulze aus. Die Verlagshandlung hatte einen Preis für das beste Ge¬<lb/>
dicht ausgeschrieben, und die Preisrichter waren in ungemessenen Jubel über<lb/>
diese Leistung ausgebrochen. Der junge Dichter starb wenige Zeit darauf, nach¬<lb/>
dem er die Nachricht erhalten, daß ihm der Preis zugefallen war. Das Gedicht<lb/>
hat damals bedeutendes Aufsehen gemacht, und da die Preisausschreibungen sich<lb/>
von Zeit zu Zeit wiederholten, so erhielt Brockhaus fast jährlich an Hunderte<lb/>
von romantischen Gedichten, die nach dem Vorbild der &#x201E;bezauberten Rose" zu¬<lb/>
geschnitten waren. Wir müssen aufrichtig gestehen, daß wir, abgesehen von dem<lb/>
unzweifelhaften Formtalent, an dieser gezierten Blumenpoesie, die sich heutzutage<lb/>
wieder auf eine sehr unbequeme Weise breit macht, sehr wenig Freude haben. &#x2014;<lb/>
Uebrigens muß die Neigung zu dergleichen Bildern in der Luft gelegen haben,<lb/>
denn noch derselbe Jahrgang enthielt mehre romantische Gedichte von Fouque,<lb/>
Henriette Schubert, Prätzel u. a., die in einem nicht sehr verschiedenen Stil<lb/>
gehalten sind. &#x2014; Der Jahrgang 1819 enthält fast lauter Preisgedichte, die alle<lb/>
sehr schlecht sind. Auch unter den novellistischen Beiträgen dieses Jahres verdient<lb/>
nur &#x201E;Der Kampf der Sänger" von Hoffmann Beachtung. Im Jahrgang<lb/>
1820 gehen die romantischen Gedichte fort; es ist die abgeschwächte Romantik<lb/>
und Ritterpoesie, in der gezierten Form, die sie schließlich bei ihrem vollständigen<lb/>
Mangel an Inhalt nicht vermeiden konnten. Von den Dichtern dieser Stanzen:<lb/>
Blumenröder, Elise Erhard, Houwald, Miltitz, Oehlenschläger, ist heute nicht<lb/>
mehr viel die Rede. Bemerkenswerth ist in dem Jahrgang noch die Novelle:<lb/>
&#x201E;Spielerglück" von Hoffmann und eine Abhandlung vom Professor Clodius über<lb/>
Shakespeares Philosophie im Hamlet, die zu dem Verständigsten gehört, was<lb/>
über diesen Gegenstand geschrieben ist. &#x2014; Auch noch 1821 überwiegen die Ritter-<lb/>
gedichte nach dem Muster der &#x201E;bezauberten Rose", zu denen sich noch die Künstler¬<lb/>
geschichten gesellen. Wir finden in dieser Hinsicht Beiträge von Agnes Franz,<lb/>
Helmine v. Chezy, Graf Loben (eine Bearbeitung der Sage von der Lorelei in<lb/>
übertriebener Fonqnvscher Manier), Otto von der Malsburg, gleichfalls einem<lb/>
ergebenen Schüler Tiecks, Jakobs und Fr. Förster. Auch ist ein Preistrauer¬<lb/>
spiel von Usener darin, ungefähr in der Manier Houwalds, aber noch viel lang¬<lb/>
weiliger. &#x2014; 1822 finden wir zahlreiche lyrische Gedichte von Rückert, Wilhelm<lb/>
Müller, Schwab, v. d. Malsburg, Streckfuß; ferner kleine Novellen von Mosen-<lb/>
geil und Wilhelm v. Schuh, die im extremsten Sinn zur Tieckschen Schule ge¬<lb/>
hören, und Fragmente aus einer Uebersetzung des Casanova, die mehre Jahr-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] stärker hervor. Damals gehörte Hoffmann bereits zu den beliebtesten Erzählern, und das Taschenbuch enthält von ihm die hübsche Novelle: „Der Artushof". Außerdem kleine Erzählungen von Therese Huber, Otto Graf Loben, dem be¬ kannten Freunde und Verehrer Tiecks, Fanny Tarnow u. a. In den Gedichten ist in diesem Jahrgang wie in den folgenden vorzugsweise Fouqnv vertreten. — Der Jahrgang 1818 zeichnet sich vorzugsweise durch „Die bezauberte Rose" von Ernst Schulze aus. Die Verlagshandlung hatte einen Preis für das beste Ge¬ dicht ausgeschrieben, und die Preisrichter waren in ungemessenen Jubel über diese Leistung ausgebrochen. Der junge Dichter starb wenige Zeit darauf, nach¬ dem er die Nachricht erhalten, daß ihm der Preis zugefallen war. Das Gedicht hat damals bedeutendes Aufsehen gemacht, und da die Preisausschreibungen sich von Zeit zu Zeit wiederholten, so erhielt Brockhaus fast jährlich an Hunderte von romantischen Gedichten, die nach dem Vorbild der „bezauberten Rose" zu¬ geschnitten waren. Wir müssen aufrichtig gestehen, daß wir, abgesehen von dem unzweifelhaften Formtalent, an dieser gezierten Blumenpoesie, die sich heutzutage wieder auf eine sehr unbequeme Weise breit macht, sehr wenig Freude haben. — Uebrigens muß die Neigung zu dergleichen Bildern in der Luft gelegen haben, denn noch derselbe Jahrgang enthielt mehre romantische Gedichte von Fouque, Henriette Schubert, Prätzel u. a., die in einem nicht sehr verschiedenen Stil gehalten sind. — Der Jahrgang 1819 enthält fast lauter Preisgedichte, die alle sehr schlecht sind. Auch unter den novellistischen Beiträgen dieses Jahres verdient nur „Der Kampf der Sänger" von Hoffmann Beachtung. Im Jahrgang 1820 gehen die romantischen Gedichte fort; es ist die abgeschwächte Romantik und Ritterpoesie, in der gezierten Form, die sie schließlich bei ihrem vollständigen Mangel an Inhalt nicht vermeiden konnten. Von den Dichtern dieser Stanzen: Blumenröder, Elise Erhard, Houwald, Miltitz, Oehlenschläger, ist heute nicht mehr viel die Rede. Bemerkenswerth ist in dem Jahrgang noch die Novelle: „Spielerglück" von Hoffmann und eine Abhandlung vom Professor Clodius über Shakespeares Philosophie im Hamlet, die zu dem Verständigsten gehört, was über diesen Gegenstand geschrieben ist. — Auch noch 1821 überwiegen die Ritter- gedichte nach dem Muster der „bezauberten Rose", zu denen sich noch die Künstler¬ geschichten gesellen. Wir finden in dieser Hinsicht Beiträge von Agnes Franz, Helmine v. Chezy, Graf Loben (eine Bearbeitung der Sage von der Lorelei in übertriebener Fonqnvscher Manier), Otto von der Malsburg, gleichfalls einem ergebenen Schüler Tiecks, Jakobs und Fr. Förster. Auch ist ein Preistrauer¬ spiel von Usener darin, ungefähr in der Manier Houwalds, aber noch viel lang¬ weiliger. — 1822 finden wir zahlreiche lyrische Gedichte von Rückert, Wilhelm Müller, Schwab, v. d. Malsburg, Streckfuß; ferner kleine Novellen von Mosen- geil und Wilhelm v. Schuh, die im extremsten Sinn zur Tieckschen Schule ge¬ hören, und Fragmente aus einer Uebersetzung des Casanova, die mehre Jahr-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/200
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/200>, abgerufen am 23.07.2024.