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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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für Dampfschiffe von ziemlicher Größe fahrbar. Der Nahr-Malikah, llumen rexium,
wie ihn die römischen Schriftsteller bezeichnen, welcher von Nimrod erbaut sein
soll, jedenfalls aber aus den ältesten Zeiten Babylons herrührt, ist noch nicht
spurlos verschwunden. Vermittelst dieser Werke wurde die Berieselung des Landes
bewirkt, dessen Kornfelder nach Herodot zwei- bis dreihundertfältigen Ertrag
lieferten, was ihm selbst so wunderbar erschienen war, daß er versichert, man
müsse sich selbst davon überzeugt haben, um es zu glauben.

Um die Lebensfähigkeit eines auf dem vorbezeichnetem Wege herzustellenden
Handelsverkehrs zwischen Ostindien und Europa an Stelle des Seeverkehrs
um das Kap zu begreifen, nutz mau sich erinnern, daß das Projekt Thompsons
nicht ans der Luft gegriffen ist, sondern eigentlich nur die Wiederherstellung des
alten asiatisch-europäischen Handels bezweckt.

Die alte Karavanenstraße, auf welcher noch im 14. und 13. Jahrhundert
die Erzeugnisse Indiens und Chinas, Spezereien, Ebenholz, Elfenbein, Perlen,
Edelsteine, Gold und Goldstaub, Seide, Baumwolle, endlich die damals sehr
beliebten indischen Hunde nach Europa kamen, ging vom Indus nach Bussorah,
durch das Euphatthal uach Syrien und Kleinasien. Erst nach der Entdeckung
des Seeweges um das Kap verödete dieselbe allmälig. Das Meer bot nach der
Erfindung des Kompasses, trotz des bedeutenden Umweges eine nähere, bequemere
Verbindung als der kürzere Landweg, sowie jetzt dieser durch die Erfindung
der Lokomotive in Stand gesetzt wird, jenem den Rang streitig zu machen.

Wir haben im vorigen Abschnitt erwähnt, welche Bedeutung die neue
Handelsstraße für den austral-asiatischen Archipelagus haben würde. Es bleibt
noch die Bedeutung desselben für den central- und ostasiatischen Handelsverkehr
zu erwähnen. Dieser liegt jetzt fast ganz in den Händen Rußlands. Was vom
persischen Meerbusen oder durch den Karavanenhandel von Smyrna und den
übrigen Häfen der Levante bezogen wird, ist nicht sehr bedeutend. Centralasien
bezieht viel Calicos und andre Baumwollenwaaren, feine Tuche, Velpel, Nanking,
Messerschmiedewaaren, Juwelierarbeiteu u. s. w. England, Frankreich, vor allem
aber unsre deutschen Messen sind bei diesem Handel betheiligt. Die Güter gehen
über Nußland, werden auf der Wolga nach dem kaspischen Meere und von hier
aus auf verschiedenen Karavanenstraßen nach allen Theilen von Asten, nach
Bockhara, Herat, Attock u. s. w. bis nach Indien hin befördert. Dieser Handel
hat sich erst zu der Lebhaftigkeit, welche derselbe jetzt erreicht hat, erhöbe", seitdem
das Reich des Mogul in Indien in viele kleine Herrschaften zerfiel, "ut die
Kaufleute hier vielfachen Bedrückungen unterworfen wurden. Jetzt herrscht
England an den Ufern des Indus. Dieser Strom ist für flache Dampfboote bis
Attock hinauf schiffbar, und wenn die Waaren sich auf schnelle und bequeme
Weise, wie es das neue Project in Aussicht stellt, bis in das indische Meer und
die Mündung des Indus schaffen lassen, so wird dem russisch-asiatischen Handel,


für Dampfschiffe von ziemlicher Größe fahrbar. Der Nahr-Malikah, llumen rexium,
wie ihn die römischen Schriftsteller bezeichnen, welcher von Nimrod erbaut sein
soll, jedenfalls aber aus den ältesten Zeiten Babylons herrührt, ist noch nicht
spurlos verschwunden. Vermittelst dieser Werke wurde die Berieselung des Landes
bewirkt, dessen Kornfelder nach Herodot zwei- bis dreihundertfältigen Ertrag
lieferten, was ihm selbst so wunderbar erschienen war, daß er versichert, man
müsse sich selbst davon überzeugt haben, um es zu glauben.

Um die Lebensfähigkeit eines auf dem vorbezeichnetem Wege herzustellenden
Handelsverkehrs zwischen Ostindien und Europa an Stelle des Seeverkehrs
um das Kap zu begreifen, nutz mau sich erinnern, daß das Projekt Thompsons
nicht ans der Luft gegriffen ist, sondern eigentlich nur die Wiederherstellung des
alten asiatisch-europäischen Handels bezweckt.

Die alte Karavanenstraße, auf welcher noch im 14. und 13. Jahrhundert
die Erzeugnisse Indiens und Chinas, Spezereien, Ebenholz, Elfenbein, Perlen,
Edelsteine, Gold und Goldstaub, Seide, Baumwolle, endlich die damals sehr
beliebten indischen Hunde nach Europa kamen, ging vom Indus nach Bussorah,
durch das Euphatthal uach Syrien und Kleinasien. Erst nach der Entdeckung
des Seeweges um das Kap verödete dieselbe allmälig. Das Meer bot nach der
Erfindung des Kompasses, trotz des bedeutenden Umweges eine nähere, bequemere
Verbindung als der kürzere Landweg, sowie jetzt dieser durch die Erfindung
der Lokomotive in Stand gesetzt wird, jenem den Rang streitig zu machen.

Wir haben im vorigen Abschnitt erwähnt, welche Bedeutung die neue
Handelsstraße für den austral-asiatischen Archipelagus haben würde. Es bleibt
noch die Bedeutung desselben für den central- und ostasiatischen Handelsverkehr
zu erwähnen. Dieser liegt jetzt fast ganz in den Händen Rußlands. Was vom
persischen Meerbusen oder durch den Karavanenhandel von Smyrna und den
übrigen Häfen der Levante bezogen wird, ist nicht sehr bedeutend. Centralasien
bezieht viel Calicos und andre Baumwollenwaaren, feine Tuche, Velpel, Nanking,
Messerschmiedewaaren, Juwelierarbeiteu u. s. w. England, Frankreich, vor allem
aber unsre deutschen Messen sind bei diesem Handel betheiligt. Die Güter gehen
über Nußland, werden auf der Wolga nach dem kaspischen Meere und von hier
aus auf verschiedenen Karavanenstraßen nach allen Theilen von Asten, nach
Bockhara, Herat, Attock u. s. w. bis nach Indien hin befördert. Dieser Handel
hat sich erst zu der Lebhaftigkeit, welche derselbe jetzt erreicht hat, erhöbe», seitdem
das Reich des Mogul in Indien in viele kleine Herrschaften zerfiel, »ut die
Kaufleute hier vielfachen Bedrückungen unterworfen wurden. Jetzt herrscht
England an den Ufern des Indus. Dieser Strom ist für flache Dampfboote bis
Attock hinauf schiffbar, und wenn die Waaren sich auf schnelle und bequeme
Weise, wie es das neue Project in Aussicht stellt, bis in das indische Meer und
die Mündung des Indus schaffen lassen, so wird dem russisch-asiatischen Handel,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/186>, abgerufen am 03.07.2024.