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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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ist. Der französische Reisende, or. Uoan, sagt in dem hier resmnirten Werke
einiges über Güjzlaff, das den deutschen Leser wahrscheinlich interesstren dürfte,
obgleich er nichts Neues sagt:

,,Herr Gützlaff ist seit einigen Jahren todt. Er war in Pommern geboren
und hatte sein Land in früher Jugend verlassen: er glich auch durchaus nicht jenen
blonden Kindern Deutschlands, bei denen das Bier die frische Gesichtsfarbe erhält.
Er war ein verständiger Manu, begabt mit einer großen Leichtigkeit Sprachen
zu erlernen. Kaum in ein Land gekommen, sprach er allsogleich das Idiom der
Völkerschaften, bei denen er sich befand. Beim Beginne seiner Wanderungen war
er lutherischer Missionär gewesen, später trat er in den Dienst der Bibelgesell¬
schaften, und zuletzt wurde er erster Dollmetsch der Negierung. Wenn man wenig
wohlwollenden Personen Glauben schenken darf, hatte der hochwürdige Doctor
Gützlaff seine Misstonsreise lange mit einer Bibel in der einen und einer Tuchelle
in der andern Hand gemacht, und so Evangelien vertheilend und Tuch um den
billigsten Preis verlaufend, und er soll in dieser Weise Java, Siam, die Inseln
des Archipels von Tschu-san, einige benachbarte Inselchen von Chören und Japan
bereist haben. Er hat uns Berichte über diese Reisen hinterlassen, in denen sich
ein wenig Wahrheit unter die angenehmsten Lügen mischt, die aber im ganzen
genommen sehr angenehm zu lesen sind.

"Herr Gützlaff wußte den chinesischen Völkerschaften das größte Vertrauen
einzuflößen; er war von mittlerer Gestalt und ziemlich dick; sein stark eingefaßtes
Auge strahlte unter einem dicken, von langen und buschigen Augenbrauen um¬
schatteten Augenlide hervor. Sein rundes Gesteht mit der Olivensarbe gemahnte
an die fast gereifte Pampelpomeranze, oder wenn man will an die mongolische
Race. In seineu chinesischen Kleidern glich er den Eingeborenen so vollkommen,
daß er die Straßen der mauerumgebenen Stadt von Canton hätte durchwandern
können, ohne erkannt zu werden.

"Eines Abends während unseres Aufenthaltes in China sprachen wir mit
dem Mandarin Pause-tscheu, einem seiner Freunde, von ihm. Als einer von uns
seine Verwunderung darüber bezeigte, bei einem Europäer die charakteristischen
Zeichen der chinesischen Race zu finden, bemerkte der Mandarin ruhig: -- Nichts
natürlicher als das: der Vater Gützlaffs war Fokienese, der sich in Deutschland
niedergelassen. Diese Thatsache scheint uns so außerordentlich, daß wir gewiß
Anstand nehmen würden, sie hier mitzutheilen, wenn Pan nicht betheuert hätte,
daß er sie von Gützlaff selbst erfahren.

"Wie dem auch immer sein mag mit der mehr oder weniger chinesischen Ab¬
stammung Gützlaffs, derselbe verstand es vollkommen, aus die sinnlichen und zugleich
mystischen Ideen der Chinesen einzugehen. Er gründete im Reiche der Mitte unter
dem Namen der chinesischen Union eine Art geheime Gesellschaft, deren Zweck die
Bekehrung der Chinesen zum Christenthume durch die Chinesen gewesen.


ist. Der französische Reisende, or. Uoan, sagt in dem hier resmnirten Werke
einiges über Güjzlaff, das den deutschen Leser wahrscheinlich interesstren dürfte,
obgleich er nichts Neues sagt:

,,Herr Gützlaff ist seit einigen Jahren todt. Er war in Pommern geboren
und hatte sein Land in früher Jugend verlassen: er glich auch durchaus nicht jenen
blonden Kindern Deutschlands, bei denen das Bier die frische Gesichtsfarbe erhält.
Er war ein verständiger Manu, begabt mit einer großen Leichtigkeit Sprachen
zu erlernen. Kaum in ein Land gekommen, sprach er allsogleich das Idiom der
Völkerschaften, bei denen er sich befand. Beim Beginne seiner Wanderungen war
er lutherischer Missionär gewesen, später trat er in den Dienst der Bibelgesell¬
schaften, und zuletzt wurde er erster Dollmetsch der Negierung. Wenn man wenig
wohlwollenden Personen Glauben schenken darf, hatte der hochwürdige Doctor
Gützlaff seine Misstonsreise lange mit einer Bibel in der einen und einer Tuchelle
in der andern Hand gemacht, und so Evangelien vertheilend und Tuch um den
billigsten Preis verlaufend, und er soll in dieser Weise Java, Siam, die Inseln
des Archipels von Tschu-san, einige benachbarte Inselchen von Chören und Japan
bereist haben. Er hat uns Berichte über diese Reisen hinterlassen, in denen sich
ein wenig Wahrheit unter die angenehmsten Lügen mischt, die aber im ganzen
genommen sehr angenehm zu lesen sind.

„Herr Gützlaff wußte den chinesischen Völkerschaften das größte Vertrauen
einzuflößen; er war von mittlerer Gestalt und ziemlich dick; sein stark eingefaßtes
Auge strahlte unter einem dicken, von langen und buschigen Augenbrauen um¬
schatteten Augenlide hervor. Sein rundes Gesteht mit der Olivensarbe gemahnte
an die fast gereifte Pampelpomeranze, oder wenn man will an die mongolische
Race. In seineu chinesischen Kleidern glich er den Eingeborenen so vollkommen,
daß er die Straßen der mauerumgebenen Stadt von Canton hätte durchwandern
können, ohne erkannt zu werden.

„Eines Abends während unseres Aufenthaltes in China sprachen wir mit
dem Mandarin Pause-tscheu, einem seiner Freunde, von ihm. Als einer von uns
seine Verwunderung darüber bezeigte, bei einem Europäer die charakteristischen
Zeichen der chinesischen Race zu finden, bemerkte der Mandarin ruhig: — Nichts
natürlicher als das: der Vater Gützlaffs war Fokienese, der sich in Deutschland
niedergelassen. Diese Thatsache scheint uns so außerordentlich, daß wir gewiß
Anstand nehmen würden, sie hier mitzutheilen, wenn Pan nicht betheuert hätte,
daß er sie von Gützlaff selbst erfahren.

„Wie dem auch immer sein mag mit der mehr oder weniger chinesischen Ab¬
stammung Gützlaffs, derselbe verstand es vollkommen, aus die sinnlichen und zugleich
mystischen Ideen der Chinesen einzugehen. Er gründete im Reiche der Mitte unter
dem Namen der chinesischen Union eine Art geheime Gesellschaft, deren Zweck die
Bekehrung der Chinesen zum Christenthume durch die Chinesen gewesen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/183>, abgerufen am 03.07.2024.