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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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nicht dafür, daß trotz allem Respect vor seinen großartigen Entdeckungen auf dem
Gebiete der thierischen Elektricität mancher seiner College" in grauem Haar eS
heut innerlich bereute, dem jungen Brausekopf durch seine Stimme die Pforten
des akademischen Tempels geöffnet zu haben. Lichtenstein zumal zog bei bedenk¬
lichen Stellen Gesichter,' die lebhaft an die bekümmerte Miene des alten befrackten
Uhu in der bekannten prächtigen Gruppe der Staaroperation des Bären -- im
zoologischen Garten vom "Thierwolf" erinnerten, der alte Weiß sah ganz be¬
stürzt und halb verschämt ans den sonst so klugen und so freundlichen Augen,
selbst Hagen, dem Haupt den Kopf, den er jetzt so hoch trägt, hoffentlich bald
wieder ein bischen tiefer zwischen die Schultern klemmen wird, senkte das schmntzig-
gelbe Antlitz; -- daß auch uuter den Akademikern bei nicht unbedenklichen Stellen recht
beifällige Schmunzler sich fanden, entging dem aufmerksamen Beobachter nicht --
aber hier gilt das alte Sprichwort "nomina sunt ocliosg". Dubois dagegen,
der ebenso keck als wohlüberlegt die Bombe seines Vortrags in die monotone
Ernsthaftigkeit und gezirkelten Formen dieses Kreises hineinplatzen ließ, kann nichts
dagegen haben, wenn wir auch Anderen einigen Mitgenuß an der Freude gönnen,
die er allen unbefangen draußen Stehenden durch sein kühnes und glänzendes
Austreten bereitet hat, da der Abdruck seiner Rede doch wol noch eine zeitlang
aus sich wird warten lassen.

Seine Aufgabe war eine schwierige. Er sollte ausführlich über ein sehr langes,
aber wenn auch nicht an innerem Gehalt und stets reger Thätigkeit, doch an
äußeren Ereignissen und an tastbaren Resultaten verhältnißmäßig armes Leben
sprechen. Sicbeuundachtzig Jahre hatte Erman gelebt --von.1764 ---1851 --
ein vielgenanntes, vielgekanntes Mitglied der Berliner gelehrten Kreise: Professor
an der Universität und der Kriegsschule, fast ein halbes Jahrhundert lang Mit¬
glied der Akademie der Wissenschaften und über dreißig Jahre einer ihrer Se-
cretare -- und sucht man nach in dem von seinem eigenen Schwager Hitzig
herausgegebenen "gelehrten Berlin im Jahre 1825", man findet seinen Namen
nicht und auch in das "gelehrte Berlin im Jahre 1843" von dem treufleißigen
Koner hat er keinen Eingang gefunden. ,,Nur solche, die wenigstens ein selbst¬
ständiges, in den Buchhandel gekommenes Werk geschrieben haben", werden hier
in die Unsterblichkeit oder "in oleum vsnäeMem w8 se oäores" befördert: vor
beiden, ist der alte Erman sicher, der zwar in Gilberts Annalen der Physik und
in die Denkschriften der Akademie mancherlei geschrieben hat, aber kein sogenanntes
"selbstständiges Buch" -- außer gegen den naturphilosophischen Hokuspokus und
das anonym als Hofrath Namre. Aber da sind wir schon auf hoher See! die
arme Naturphilosophie, sie hat nicht mehr Gnade bei Dubois gesunde", als
weiland vor Erman und er preist diesen in den stärksten Ausdrücken wiederholt,
weil er mit den Erfahrungssätzen der Physik, der Naturwissenschaft, diesem "Unsinn"
mit seinem Gefolge von Hexen- und Zauberkünsten und sonstigem Aberwitz ent-


nicht dafür, daß trotz allem Respect vor seinen großartigen Entdeckungen auf dem
Gebiete der thierischen Elektricität mancher seiner College» in grauem Haar eS
heut innerlich bereute, dem jungen Brausekopf durch seine Stimme die Pforten
des akademischen Tempels geöffnet zu haben. Lichtenstein zumal zog bei bedenk¬
lichen Stellen Gesichter,' die lebhaft an die bekümmerte Miene des alten befrackten
Uhu in der bekannten prächtigen Gruppe der Staaroperation des Bären — im
zoologischen Garten vom „Thierwolf" erinnerten, der alte Weiß sah ganz be¬
stürzt und halb verschämt ans den sonst so klugen und so freundlichen Augen,
selbst Hagen, dem Haupt den Kopf, den er jetzt so hoch trägt, hoffentlich bald
wieder ein bischen tiefer zwischen die Schultern klemmen wird, senkte das schmntzig-
gelbe Antlitz; — daß auch uuter den Akademikern bei nicht unbedenklichen Stellen recht
beifällige Schmunzler sich fanden, entging dem aufmerksamen Beobachter nicht —
aber hier gilt das alte Sprichwort „nomina sunt ocliosg". Dubois dagegen,
der ebenso keck als wohlüberlegt die Bombe seines Vortrags in die monotone
Ernsthaftigkeit und gezirkelten Formen dieses Kreises hineinplatzen ließ, kann nichts
dagegen haben, wenn wir auch Anderen einigen Mitgenuß an der Freude gönnen,
die er allen unbefangen draußen Stehenden durch sein kühnes und glänzendes
Austreten bereitet hat, da der Abdruck seiner Rede doch wol noch eine zeitlang
aus sich wird warten lassen.

Seine Aufgabe war eine schwierige. Er sollte ausführlich über ein sehr langes,
aber wenn auch nicht an innerem Gehalt und stets reger Thätigkeit, doch an
äußeren Ereignissen und an tastbaren Resultaten verhältnißmäßig armes Leben
sprechen. Sicbeuundachtzig Jahre hatte Erman gelebt —von.1764 —-1851 —
ein vielgenanntes, vielgekanntes Mitglied der Berliner gelehrten Kreise: Professor
an der Universität und der Kriegsschule, fast ein halbes Jahrhundert lang Mit¬
glied der Akademie der Wissenschaften und über dreißig Jahre einer ihrer Se-
cretare — und sucht man nach in dem von seinem eigenen Schwager Hitzig
herausgegebenen „gelehrten Berlin im Jahre 1825", man findet seinen Namen
nicht und auch in das „gelehrte Berlin im Jahre 1843" von dem treufleißigen
Koner hat er keinen Eingang gefunden. ,,Nur solche, die wenigstens ein selbst¬
ständiges, in den Buchhandel gekommenes Werk geschrieben haben", werden hier
in die Unsterblichkeit oder „in oleum vsnäeMem w8 se oäores" befördert: vor
beiden, ist der alte Erman sicher, der zwar in Gilberts Annalen der Physik und
in die Denkschriften der Akademie mancherlei geschrieben hat, aber kein sogenanntes
„selbstständiges Buch" — außer gegen den naturphilosophischen Hokuspokus und
das anonym als Hofrath Namre. Aber da sind wir schon auf hoher See! die
arme Naturphilosophie, sie hat nicht mehr Gnade bei Dubois gesunde», als
weiland vor Erman und er preist diesen in den stärksten Ausdrücken wiederholt,
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mit seinem Gefolge von Hexen- und Zauberkünsten und sonstigem Aberwitz ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/135>, abgerufen am 25.08.2024.