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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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mein hieß, die Entfernung des Gouverneurs von Geldcrland, des hochangesehe¬
nen und altlibercileu Schimmelpenninks van der Oye, aus seinem Amte ver¬
langte, weil derselbe ihm bei einer Wahl zur zweiten Kammer entgegentrete;
nach längerem Zögern willigte der König ein, überhäufte aber den entlassenen
Gouverneur mit Hosehren.

Als der König eine Reise durch Friesland und Gröningen machte, zog er
auf dem Schlachtfelde von Heiligerten am Denkmale seines dort für die nieder¬
ländische Freiheit und Unabhängigkeit gefallenen Ahnen, Adolphs von Nassau,
den Degen und verpflichtete sich, dieselbe aufrecht zu erhalten.

Diesem Versprechen wurde bald eine sehr unerwartete Folge gegeben. Die
Katastrophe nahte heran, die durch die Uebergriffe der ultramontanen Politik
hervorgerufen, und vom Hofe und den reactionären Parteien geschickt benutzt, das
Ministerium Thorbecke mitten in seinen Erfolgen an einem Ausbruch der prote¬
stantischen Gefühle des Landes scheitern ließ.

Als Rom vor einigen Jahren den Entschluß faßte, sein im eigenen Hause
wankendes Ansehen durch die Ausbreitung seines Einflusses nach anßen zu stärken, faßte
es vor allem das zäh reformirte Holland als eine der wichtigsten Positionen ins
Ange, und die kluge Taktik, welche es hier befolgte, bestand in dem Anschluß
an die jung-liberale, an die Reformpartei, welche den Katholiken zuerst völlige
politische Gleichstellung und der Kirche freien Raum zum Handeln verschaffen
sollte. Als das Jahr 1848 diesen ersten Theil des Planes durchgeführt hatte,
und katholische Minister in den reformieren Niederlanden die Portefeuilles des
Auswärtigen und der Justiz besaßen, ging man mit immer offnerem Eifer an
die längst, aber geheim betriebene Bestellung des Bodens für die Katholifiruug
der Niederlande. Man organisirte eine völlige national-ökonomische Lostrennung
der katholischen Bevölkerung von der protestantischen, indem Katholiken nur von
Katholiken kauften, nur katholische Dienstboten und Arbeiter gebrauchten, und
mit einer bei ihnen sonst seltenen Betriebsamkeit in alle Zweige der Volkswirth-
schaft sich eindrängten, zu welchem Zweck enorme Summen verwandt wurden, die
theils von außen herkamen, theils durch eine förmliche religiöse Besteuerung der
niederländischen Katholiken zusammengebracht wurden, indem sogar die ärmsten
Dienstboten sich zu Wochenbeiträgen verpflichtete". Wo irgeud ein Geschäft oder
Bauernhof durch Tod oder Bankrott der protestantischen Besitzer zum öffent¬
lichen Verkaufe kam, sanden sich katholische Käufer ein, welche sie in den meisten
Fällen an sich brachten, obwol es in den letzten Jahren in den Niederlanden wie
im Hannöverischen sehr oft zu energischen und glücklichen Gegenanstrengungen der
Protestanten gekommen ist. Natürlich kauu diese Taktik ohne die kleinlichsten und
oft gemeinsten Mittel nicht durchgeführt werden, und mancher mag die Resultate
selbst im glücklichsten Falle für geringfügig halten, aber die Curie ist zähe und
nimmt bald mit Scheffeln, bald mit geringem Maß und immer mit derselben


mein hieß, die Entfernung des Gouverneurs von Geldcrland, des hochangesehe¬
nen und altlibercileu Schimmelpenninks van der Oye, aus seinem Amte ver¬
langte, weil derselbe ihm bei einer Wahl zur zweiten Kammer entgegentrete;
nach längerem Zögern willigte der König ein, überhäufte aber den entlassenen
Gouverneur mit Hosehren.

Als der König eine Reise durch Friesland und Gröningen machte, zog er
auf dem Schlachtfelde von Heiligerten am Denkmale seines dort für die nieder¬
ländische Freiheit und Unabhängigkeit gefallenen Ahnen, Adolphs von Nassau,
den Degen und verpflichtete sich, dieselbe aufrecht zu erhalten.

Diesem Versprechen wurde bald eine sehr unerwartete Folge gegeben. Die
Katastrophe nahte heran, die durch die Uebergriffe der ultramontanen Politik
hervorgerufen, und vom Hofe und den reactionären Parteien geschickt benutzt, das
Ministerium Thorbecke mitten in seinen Erfolgen an einem Ausbruch der prote¬
stantischen Gefühle des Landes scheitern ließ.

Als Rom vor einigen Jahren den Entschluß faßte, sein im eigenen Hause
wankendes Ansehen durch die Ausbreitung seines Einflusses nach anßen zu stärken, faßte
es vor allem das zäh reformirte Holland als eine der wichtigsten Positionen ins
Ange, und die kluge Taktik, welche es hier befolgte, bestand in dem Anschluß
an die jung-liberale, an die Reformpartei, welche den Katholiken zuerst völlige
politische Gleichstellung und der Kirche freien Raum zum Handeln verschaffen
sollte. Als das Jahr 1848 diesen ersten Theil des Planes durchgeführt hatte,
und katholische Minister in den reformieren Niederlanden die Portefeuilles des
Auswärtigen und der Justiz besaßen, ging man mit immer offnerem Eifer an
die längst, aber geheim betriebene Bestellung des Bodens für die Katholifiruug
der Niederlande. Man organisirte eine völlige national-ökonomische Lostrennung
der katholischen Bevölkerung von der protestantischen, indem Katholiken nur von
Katholiken kauften, nur katholische Dienstboten und Arbeiter gebrauchten, und
mit einer bei ihnen sonst seltenen Betriebsamkeit in alle Zweige der Volkswirth-
schaft sich eindrängten, zu welchem Zweck enorme Summen verwandt wurden, die
theils von außen herkamen, theils durch eine förmliche religiöse Besteuerung der
niederländischen Katholiken zusammengebracht wurden, indem sogar die ärmsten
Dienstboten sich zu Wochenbeiträgen verpflichtete». Wo irgeud ein Geschäft oder
Bauernhof durch Tod oder Bankrott der protestantischen Besitzer zum öffent¬
lichen Verkaufe kam, sanden sich katholische Käufer ein, welche sie in den meisten
Fällen an sich brachten, obwol es in den letzten Jahren in den Niederlanden wie
im Hannöverischen sehr oft zu energischen und glücklichen Gegenanstrengungen der
Protestanten gekommen ist. Natürlich kauu diese Taktik ohne die kleinlichsten und
oft gemeinsten Mittel nicht durchgeführt werden, und mancher mag die Resultate
selbst im glücklichsten Falle für geringfügig halten, aber die Curie ist zähe und
nimmt bald mit Scheffeln, bald mit geringem Maß und immer mit derselben


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[0102] mein hieß, die Entfernung des Gouverneurs von Geldcrland, des hochangesehe¬ nen und altlibercileu Schimmelpenninks van der Oye, aus seinem Amte ver¬ langte, weil derselbe ihm bei einer Wahl zur zweiten Kammer entgegentrete; nach längerem Zögern willigte der König ein, überhäufte aber den entlassenen Gouverneur mit Hosehren. Als der König eine Reise durch Friesland und Gröningen machte, zog er auf dem Schlachtfelde von Heiligerten am Denkmale seines dort für die nieder¬ ländische Freiheit und Unabhängigkeit gefallenen Ahnen, Adolphs von Nassau, den Degen und verpflichtete sich, dieselbe aufrecht zu erhalten. Diesem Versprechen wurde bald eine sehr unerwartete Folge gegeben. Die Katastrophe nahte heran, die durch die Uebergriffe der ultramontanen Politik hervorgerufen, und vom Hofe und den reactionären Parteien geschickt benutzt, das Ministerium Thorbecke mitten in seinen Erfolgen an einem Ausbruch der prote¬ stantischen Gefühle des Landes scheitern ließ. Als Rom vor einigen Jahren den Entschluß faßte, sein im eigenen Hause wankendes Ansehen durch die Ausbreitung seines Einflusses nach anßen zu stärken, faßte es vor allem das zäh reformirte Holland als eine der wichtigsten Positionen ins Ange, und die kluge Taktik, welche es hier befolgte, bestand in dem Anschluß an die jung-liberale, an die Reformpartei, welche den Katholiken zuerst völlige politische Gleichstellung und der Kirche freien Raum zum Handeln verschaffen sollte. Als das Jahr 1848 diesen ersten Theil des Planes durchgeführt hatte, und katholische Minister in den reformieren Niederlanden die Portefeuilles des Auswärtigen und der Justiz besaßen, ging man mit immer offnerem Eifer an die längst, aber geheim betriebene Bestellung des Bodens für die Katholifiruug der Niederlande. Man organisirte eine völlige national-ökonomische Lostrennung der katholischen Bevölkerung von der protestantischen, indem Katholiken nur von Katholiken kauften, nur katholische Dienstboten und Arbeiter gebrauchten, und mit einer bei ihnen sonst seltenen Betriebsamkeit in alle Zweige der Volkswirth- schaft sich eindrängten, zu welchem Zweck enorme Summen verwandt wurden, die theils von außen herkamen, theils durch eine förmliche religiöse Besteuerung der niederländischen Katholiken zusammengebracht wurden, indem sogar die ärmsten Dienstboten sich zu Wochenbeiträgen verpflichtete». Wo irgeud ein Geschäft oder Bauernhof durch Tod oder Bankrott der protestantischen Besitzer zum öffent¬ lichen Verkaufe kam, sanden sich katholische Käufer ein, welche sie in den meisten Fällen an sich brachten, obwol es in den letzten Jahren in den Niederlanden wie im Hannöverischen sehr oft zu energischen und glücklichen Gegenanstrengungen der Protestanten gekommen ist. Natürlich kauu diese Taktik ohne die kleinlichsten und oft gemeinsten Mittel nicht durchgeführt werden, und mancher mag die Resultate selbst im glücklichsten Falle für geringfügig halten, aber die Curie ist zähe und nimmt bald mit Scheffeln, bald mit geringem Maß und immer mit derselben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/102>, abgerufen am 23.07.2024.