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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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fallen wären. Glücklicher Weise erreichten sie aber noch ein Boot und flüchteten
an Bord eines englische" Linienschiffes, das im Tajo vor Anker lag. Der König
schickte wiederholt seinen Adjutanten ans das Schiff und verlangte die Auslieferung
seiner Züchtiger, die ihm aber natürlich verweigert ward. Zornig ließ er endlich
zwei Batterien auffahren und drohte, das englische Schiff zu beschießen. Als
dem Capitain diese Drohung gemeldet ward, blickte er den Adjutanten Dom
Miguel's etwas spöttisch an, ließ das Schiff mit der Breitseite gegen die Batterie
wenden und das Signal geben: "Fertig machen zum Gefecht." Als der König
diesen Ernst sah, ließ er die ganze Sache fallen, und hat nicht weiter ans der
Bestrafung bestanden.

Das Andenken dieses Mannes ist noch jetzt besonders in Lissabon, das Zeuge
seiner Neigungen und despotischen Gelüste war, sehr verhaßt. Nur ein Theil
des Adels und des Klerus, die durch ihn ihre alten Privilegien wieder zu ge¬
winnen hoffen, und das von diesen bearbeitete Landvolk einiger Gegenden wünschen
seine Herrschaft zurück. Seine Tage werden aber niemals wiederkehren; denn
England, dessen Einfluß in Portugal allmächtig ist und stets bleiben wird, da
von seinem Gelde fast daS ganze Land lebt, kann so capriciöse unberechenbare Cha¬
raktere, wie Dom Miguel, aus dem portugiesischen Throne nicht wünschen. Ein
Paar englische Kriegsschiffe vor Lissabon und Oporto machen jeden Herrscher
unmöglich, der mit dem Cabinet von Se. James in Feindschaft lebt.

In Cintra kamen wir schon gegen 8 Uhr Morgens an. Die Lage des Ortes
ist reizend. Große Haine von Citronen- und Orangebäumen mit goldenen Früch¬
ten und silberweißen Blüthen zugleich bedeckt, dazwischen Hecken und Lauben vou
Lorbeeren und Myrthen, währeud der Heliotrop mit seinen lieblich duftenden
Blüthen alle Mauern, wie bei uus der Epheu, umrankt. Eine üppig bewachsene,
grüne Ebene zieht sich von dem Schloß, welches am Fuß hoher, in ihren Spitzen
oben wild zerklüfteter Kalksteinfelsen liegt, bis zum Meere hin. Unten der atlan¬
tische Ocean mit seinen schäumenden Wellen, und wieder die verschiedenen Berg¬
landschaften, abwechselnd mit idyllischen, großartigen, wild zerrissenen und schauer¬
lichen Umrissen und Formen, das Alles zusammen giebt dem Ort seinen
unbeschreiblichen Reiz. Mir sind wenige Plätze in Europa bekannt, in denen sich
so anmuthig eine Villegmtura halten ließ. Der volle Zauber des Südens, der so
mächtig, daß Jeder, der ihn einmal empfunden, immer wieder zu ihm hingezogen
wird, ist hier auf einem Erdfleck vereinigt. Die Engländer mit ihrer praktischen
Umsicht haben die Reize vou Cintra wohl erkannt, und eine ganze Kolonie eng¬
lischer Familien hat sich auf kürzere oder längere Zeit hier niedergelassen; daher
findet man anch einen sehr comfortabel eingerichteten englischen Gasthof hier.
Auch von den portugiesischen Adclfamilieu haben mehrere vortrefflich gelegene
"Qnintas" -- Landhäuser mit weitläufigen Gärten -- in denen sie einen Theil
des Jahres verbringen. Schon ans hundert Schritte kann man übrigens erkennen,


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fallen wären. Glücklicher Weise erreichten sie aber noch ein Boot und flüchteten
an Bord eines englische» Linienschiffes, das im Tajo vor Anker lag. Der König
schickte wiederholt seinen Adjutanten ans das Schiff und verlangte die Auslieferung
seiner Züchtiger, die ihm aber natürlich verweigert ward. Zornig ließ er endlich
zwei Batterien auffahren und drohte, das englische Schiff zu beschießen. Als
dem Capitain diese Drohung gemeldet ward, blickte er den Adjutanten Dom
Miguel's etwas spöttisch an, ließ das Schiff mit der Breitseite gegen die Batterie
wenden und das Signal geben: „Fertig machen zum Gefecht." Als der König
diesen Ernst sah, ließ er die ganze Sache fallen, und hat nicht weiter ans der
Bestrafung bestanden.

Das Andenken dieses Mannes ist noch jetzt besonders in Lissabon, das Zeuge
seiner Neigungen und despotischen Gelüste war, sehr verhaßt. Nur ein Theil
des Adels und des Klerus, die durch ihn ihre alten Privilegien wieder zu ge¬
winnen hoffen, und das von diesen bearbeitete Landvolk einiger Gegenden wünschen
seine Herrschaft zurück. Seine Tage werden aber niemals wiederkehren; denn
England, dessen Einfluß in Portugal allmächtig ist und stets bleiben wird, da
von seinem Gelde fast daS ganze Land lebt, kann so capriciöse unberechenbare Cha¬
raktere, wie Dom Miguel, aus dem portugiesischen Throne nicht wünschen. Ein
Paar englische Kriegsschiffe vor Lissabon und Oporto machen jeden Herrscher
unmöglich, der mit dem Cabinet von Se. James in Feindschaft lebt.

In Cintra kamen wir schon gegen 8 Uhr Morgens an. Die Lage des Ortes
ist reizend. Große Haine von Citronen- und Orangebäumen mit goldenen Früch¬
ten und silberweißen Blüthen zugleich bedeckt, dazwischen Hecken und Lauben vou
Lorbeeren und Myrthen, währeud der Heliotrop mit seinen lieblich duftenden
Blüthen alle Mauern, wie bei uus der Epheu, umrankt. Eine üppig bewachsene,
grüne Ebene zieht sich von dem Schloß, welches am Fuß hoher, in ihren Spitzen
oben wild zerklüfteter Kalksteinfelsen liegt, bis zum Meere hin. Unten der atlan¬
tische Ocean mit seinen schäumenden Wellen, und wieder die verschiedenen Berg¬
landschaften, abwechselnd mit idyllischen, großartigen, wild zerrissenen und schauer¬
lichen Umrissen und Formen, das Alles zusammen giebt dem Ort seinen
unbeschreiblichen Reiz. Mir sind wenige Plätze in Europa bekannt, in denen sich
so anmuthig eine Villegmtura halten ließ. Der volle Zauber des Südens, der so
mächtig, daß Jeder, der ihn einmal empfunden, immer wieder zu ihm hingezogen
wird, ist hier auf einem Erdfleck vereinigt. Die Engländer mit ihrer praktischen
Umsicht haben die Reize vou Cintra wohl erkannt, und eine ganze Kolonie eng¬
lischer Familien hat sich auf kürzere oder längere Zeit hier niedergelassen; daher
findet man anch einen sehr comfortabel eingerichteten englischen Gasthof hier.
Auch von den portugiesischen Adclfamilieu haben mehrere vortrefflich gelegene
„Qnintas" — Landhäuser mit weitläufigen Gärten — in denen sie einen Theil
des Jahres verbringen. Schon ans hundert Schritte kann man übrigens erkennen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/99>, abgerufen am 24.07.2024.