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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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der Art, wie man sie in den südfranzösischen Hafenstädten sieht, gekleidet. Eben
so häßlich wie das weibliche Geschlecht ist fast durchgehend die Männerwelt,
vornehm wie gering. Nur unter den sehr geschmackvoll und dabei auffallender
Weise anch reinlich und ordentlich nniformirtcn Soldaten und Officieren sah man
schlanke, kräftige Gestalten mit theilweise hübschen Gesichtern; sonst haben die hiesigen
Männer vielfach ein sehr verkümmertes schwächliches Aeußere und häßliche Gesichter.
Besonders fielen mir die vielen Schleier und Einäugigen unter dem Volte ans, und
unter den mittleren Ständen die ungemein große Zahl von Brillenträgern, die
man übrigens auch in Spanien sieht. Eine Nationaltracht fand ich anch bei den
Männern nicht, außer daß die unteren Stände, selbst bei der drückenden Julihitze,
oft lange weite Mäntel von grobem braunem Tuch trugen. Alt und Jung, vor¬
nehm und gering führte zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen fast stets einen
großen Regenschirm von rother, selten von schwarzer Farbe bei sich.

Angenehm dagegen berührt den Fremden, schon bei seinem ersten Gang dnrch
die Stadt, eine auffallend große Höflichkeit. Der Spanier ist in stolzer Weise
höflich, der Portugiese aber außerordentlich zuvorkommend, ohne daß dabei ein
Interesse des Eigennutzes durchblickt. Jeder Maun, vornehm wie gering, den
man ans der Straße anredet und um irgend Etwas fragt, wird augenblicklich den
Hut abziehen, selbst wenn der Anredende diese Form versäumen sollte. Nirgend
habe ich ein so beständiges Grüßen auf der Straße gesehen wie hier. Die Hut-
macher müssen gute Geschäfte macheu, daher mag es auch komme", daß man in
Lissabon eine verhältnißmäßig so große Zahl von eleganten Hutmacherlädcu findet.
Auch in näherem Verkehr sind die Portugiesen von Lissabon ungemein gefällig und
zuvorkommend, und überhäufen deu Fremden förmlich mit Artigkeiten. So war
ich z. B. auf der Fahrt von Cadix bis Lissabon mit einem jungen Kaufmann,
der Agenturgeschäfte für ein französisches Haus besorgte, übrigens ein echter Por¬
tugiese war, oberflächlich bekannt worden. Mit einer Dienstfertigkeit und Gefällig¬
keit, wie ich sie von meinem besten Freund nicht hätte besser erwarten können,
widmete der Manu mir jejzt einen großen Theil seiner Zeit, und war ein ungemein
eifriger und dabei angenehmer Führer in Lissabon, mir um so werther, da er
fertig Französisch sprach.

Die ersten Straßen und Plätze, welche der vom Tajo kommende Fremde in
Lissabon betritt, sind großartig und schön. Der Commerzplatz, dessen eine Seite
ans den Fluß sieht, kaun es in Großartigkeit der Anlage, und selbst der einzelnen
Gebäude, die ihn umgeben, mit den schönsten Plätzen Deutschlands und Frank¬
reichs, einige Glanzpunkte in Paris und Berlin etwa abgerechnet, aufnehmen.
Sämmtliche Ministerhotels liegeu an diesem Platz, und auch von den Gesandt¬
schaften und Consulaten haben mehrere die Zeichen ihrer Staaten hier aufgehängt.
Auch das Pflaster ist in diesem Stadttheil ganz gnr, und die Unreinlichkeit nicht
großer, als man sie in Südeuropa gewohnt ist. Nicht weniger reinlich --


der Art, wie man sie in den südfranzösischen Hafenstädten sieht, gekleidet. Eben
so häßlich wie das weibliche Geschlecht ist fast durchgehend die Männerwelt,
vornehm wie gering. Nur unter den sehr geschmackvoll und dabei auffallender
Weise anch reinlich und ordentlich nniformirtcn Soldaten und Officieren sah man
schlanke, kräftige Gestalten mit theilweise hübschen Gesichtern; sonst haben die hiesigen
Männer vielfach ein sehr verkümmertes schwächliches Aeußere und häßliche Gesichter.
Besonders fielen mir die vielen Schleier und Einäugigen unter dem Volte ans, und
unter den mittleren Ständen die ungemein große Zahl von Brillenträgern, die
man übrigens auch in Spanien sieht. Eine Nationaltracht fand ich anch bei den
Männern nicht, außer daß die unteren Stände, selbst bei der drückenden Julihitze,
oft lange weite Mäntel von grobem braunem Tuch trugen. Alt und Jung, vor¬
nehm und gering führte zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen fast stets einen
großen Regenschirm von rother, selten von schwarzer Farbe bei sich.

Angenehm dagegen berührt den Fremden, schon bei seinem ersten Gang dnrch
die Stadt, eine auffallend große Höflichkeit. Der Spanier ist in stolzer Weise
höflich, der Portugiese aber außerordentlich zuvorkommend, ohne daß dabei ein
Interesse des Eigennutzes durchblickt. Jeder Maun, vornehm wie gering, den
man ans der Straße anredet und um irgend Etwas fragt, wird augenblicklich den
Hut abziehen, selbst wenn der Anredende diese Form versäumen sollte. Nirgend
habe ich ein so beständiges Grüßen auf der Straße gesehen wie hier. Die Hut-
macher müssen gute Geschäfte macheu, daher mag es auch komme», daß man in
Lissabon eine verhältnißmäßig so große Zahl von eleganten Hutmacherlädcu findet.
Auch in näherem Verkehr sind die Portugiesen von Lissabon ungemein gefällig und
zuvorkommend, und überhäufen deu Fremden förmlich mit Artigkeiten. So war
ich z. B. auf der Fahrt von Cadix bis Lissabon mit einem jungen Kaufmann,
der Agenturgeschäfte für ein französisches Haus besorgte, übrigens ein echter Por¬
tugiese war, oberflächlich bekannt worden. Mit einer Dienstfertigkeit und Gefällig¬
keit, wie ich sie von meinem besten Freund nicht hätte besser erwarten können,
widmete der Manu mir jejzt einen großen Theil seiner Zeit, und war ein ungemein
eifriger und dabei angenehmer Führer in Lissabon, mir um so werther, da er
fertig Französisch sprach.

Die ersten Straßen und Plätze, welche der vom Tajo kommende Fremde in
Lissabon betritt, sind großartig und schön. Der Commerzplatz, dessen eine Seite
ans den Fluß sieht, kaun es in Großartigkeit der Anlage, und selbst der einzelnen
Gebäude, die ihn umgeben, mit den schönsten Plätzen Deutschlands und Frank¬
reichs, einige Glanzpunkte in Paris und Berlin etwa abgerechnet, aufnehmen.
Sämmtliche Ministerhotels liegeu an diesem Platz, und auch von den Gesandt¬
schaften und Consulaten haben mehrere die Zeichen ihrer Staaten hier aufgehängt.
Auch das Pflaster ist in diesem Stadttheil ganz gnr, und die Unreinlichkeit nicht
großer, als man sie in Südeuropa gewohnt ist. Nicht weniger reinlich —


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[0093] der Art, wie man sie in den südfranzösischen Hafenstädten sieht, gekleidet. Eben so häßlich wie das weibliche Geschlecht ist fast durchgehend die Männerwelt, vornehm wie gering. Nur unter den sehr geschmackvoll und dabei auffallender Weise anch reinlich und ordentlich nniformirtcn Soldaten und Officieren sah man schlanke, kräftige Gestalten mit theilweise hübschen Gesichtern; sonst haben die hiesigen Männer vielfach ein sehr verkümmertes schwächliches Aeußere und häßliche Gesichter. Besonders fielen mir die vielen Schleier und Einäugigen unter dem Volte ans, und unter den mittleren Ständen die ungemein große Zahl von Brillenträgern, die man übrigens auch in Spanien sieht. Eine Nationaltracht fand ich anch bei den Männern nicht, außer daß die unteren Stände, selbst bei der drückenden Julihitze, oft lange weite Mäntel von grobem braunem Tuch trugen. Alt und Jung, vor¬ nehm und gering führte zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen fast stets einen großen Regenschirm von rother, selten von schwarzer Farbe bei sich. Angenehm dagegen berührt den Fremden, schon bei seinem ersten Gang dnrch die Stadt, eine auffallend große Höflichkeit. Der Spanier ist in stolzer Weise höflich, der Portugiese aber außerordentlich zuvorkommend, ohne daß dabei ein Interesse des Eigennutzes durchblickt. Jeder Maun, vornehm wie gering, den man ans der Straße anredet und um irgend Etwas fragt, wird augenblicklich den Hut abziehen, selbst wenn der Anredende diese Form versäumen sollte. Nirgend habe ich ein so beständiges Grüßen auf der Straße gesehen wie hier. Die Hut- macher müssen gute Geschäfte macheu, daher mag es auch komme», daß man in Lissabon eine verhältnißmäßig so große Zahl von eleganten Hutmacherlädcu findet. Auch in näherem Verkehr sind die Portugiesen von Lissabon ungemein gefällig und zuvorkommend, und überhäufen deu Fremden förmlich mit Artigkeiten. So war ich z. B. auf der Fahrt von Cadix bis Lissabon mit einem jungen Kaufmann, der Agenturgeschäfte für ein französisches Haus besorgte, übrigens ein echter Por¬ tugiese war, oberflächlich bekannt worden. Mit einer Dienstfertigkeit und Gefällig¬ keit, wie ich sie von meinem besten Freund nicht hätte besser erwarten können, widmete der Manu mir jejzt einen großen Theil seiner Zeit, und war ein ungemein eifriger und dabei angenehmer Führer in Lissabon, mir um so werther, da er fertig Französisch sprach. Die ersten Straßen und Plätze, welche der vom Tajo kommende Fremde in Lissabon betritt, sind großartig und schön. Der Commerzplatz, dessen eine Seite ans den Fluß sieht, kaun es in Großartigkeit der Anlage, und selbst der einzelnen Gebäude, die ihn umgeben, mit den schönsten Plätzen Deutschlands und Frank¬ reichs, einige Glanzpunkte in Paris und Berlin etwa abgerechnet, aufnehmen. Sämmtliche Ministerhotels liegeu an diesem Platz, und auch von den Gesandt¬ schaften und Consulaten haben mehrere die Zeichen ihrer Staaten hier aufgehängt. Auch das Pflaster ist in diesem Stadttheil ganz gnr, und die Unreinlichkeit nicht großer, als man sie in Südeuropa gewohnt ist. Nicht weniger reinlich —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/93>, abgerufen am 24.07.2024.