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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ich aber auf der ganzen Fahrt nicht gewonnen. Hohe Berge oder gewaltige
Felsenmassen fehlen. So weit das Ange die Gestaltung des Landes vom Schiffe
aus verfolgen kann, ist dasselbe an beiden Ufern wellenförmig geformt und dabei
sehr reich bewaldet. Unter den vielen Ortschaften, die sich immer näher zusammen¬
drängen, je mehr mau sich der Hauptstadt nähert, fesselte Belem mit seinen Thür¬
men und weitläufigen Klosterhallen zumeist meine Aufmerksamkeit. Von grünen
Bäumen halb umschattet streckte es seine stattliche, lange Front am Strome hin.
Wo man ans Spaniens und Portugals Boden großartige Gebäude der ältern
Zeit sieht, da kann mau sicher sein, daß sie mit Hilfe des Klerus gestiftet sind und
religiösen Zwecken dienen mußten. Die Kraft beider Länder, vereint mit den
Schätzen der reichsten Kolonien Asiens und Amerika'S, diente einst so treu der
Kirche, und was hat sie a"S ihnen gemacht? Verdorben, verfallen sind diese beiden so
überaus reich von der Natur begabten Länder in geistiger, wie materieller Be¬
ziehung, und Portugal am meisten. Und wie herrlich ist dabei der Himmel, wie
fruchtbar der Erdboden! Spanien fängt an, sich, wenn anch nur langsam, zu
erholen, seit durch den Sieg der Christinv's die Priesterherrschaft wenigstens vor¬
läufig gebrochen wurde; Portugal aber scheint nicht mehr innere Kraft genug zu
besHen, sich wieder empor zu arbeiten.

Bald hinter Belem breitet Lisboa in seiner ganzen Länge sich am Flusse aus.
Eine gewaltige, weit ausgestreckte weiße Häusermasse, ermüdend in ihrer Ein¬
förmigkeit, ist das Ganze; kein Thurm erhebt sich stolz in den blauen Lüste",
keine Kuppeln, Spitzen, Säulenhallen geben dem Ange einen Ruhepunkt; Alles
ist flach, monoton, daher leicht abspannend. Welch ganz andern Anblick z. B.
gewährt das alte Cöln, wie es sich mit seinen Thürmen und seltsam geformten
Gemäuern aus den Fluthen des Rheins erhebt. Und Constantinopel, Genua,
Venedig, selbst Algier, sie alle enthalten vom Meere ans gesehen ungleich viel
mehr Reize als die hochgepriesene portugiesische Hauptstadt. Was an ausgezeich¬
neten Gebäuden in derselbe" war, hat das bekannte furchtbare Erdbeben zum
größten Theil zerstört. Portugals Kraft war damals aber schon gebrochen, es
konnte seine Hauptstadt nicht mehr mit großartigen, anch von der Ferne imponi-
renden Gebäuden schmücken. Trotz dieser Monotonie gewährt übrigens die lange
Reihe der hohen weißen Häuser an dem breiten Strom einen stattlichen Anblick.
Dazu der belebte Hafen, der immer eine gute Zahl großer und kleiner Seeschiffe
enthält, wenn er sich freilich auch nicht mit dem von Marseille und Hamburg oder
gar vou London und Liverpool vergleichen kann. Besonders fremde Kriegsschiffe,
die sich ans dem Tejo für längere Zeit vor Anker legen, konnte man hier sehen.
Vorn an, ganz allein in republikanischen Stolz, lag eine schöne nordamerikanische
Segelfrcgatte von l>Z Kanonen. Ein schlankes Schiff, ein Meisterstück der Schiffs-
baukunst, in der es die Nordameril'alter so weit gebracht haben. Die sternen-
besäete Flagge der Vereinigten Staaten flatterte lustig in dem lauen Morgenwind,


ich aber auf der ganzen Fahrt nicht gewonnen. Hohe Berge oder gewaltige
Felsenmassen fehlen. So weit das Ange die Gestaltung des Landes vom Schiffe
aus verfolgen kann, ist dasselbe an beiden Ufern wellenförmig geformt und dabei
sehr reich bewaldet. Unter den vielen Ortschaften, die sich immer näher zusammen¬
drängen, je mehr mau sich der Hauptstadt nähert, fesselte Belem mit seinen Thür¬
men und weitläufigen Klosterhallen zumeist meine Aufmerksamkeit. Von grünen
Bäumen halb umschattet streckte es seine stattliche, lange Front am Strome hin.
Wo man ans Spaniens und Portugals Boden großartige Gebäude der ältern
Zeit sieht, da kann mau sicher sein, daß sie mit Hilfe des Klerus gestiftet sind und
religiösen Zwecken dienen mußten. Die Kraft beider Länder, vereint mit den
Schätzen der reichsten Kolonien Asiens und Amerika'S, diente einst so treu der
Kirche, und was hat sie a»S ihnen gemacht? Verdorben, verfallen sind diese beiden so
überaus reich von der Natur begabten Länder in geistiger, wie materieller Be¬
ziehung, und Portugal am meisten. Und wie herrlich ist dabei der Himmel, wie
fruchtbar der Erdboden! Spanien fängt an, sich, wenn anch nur langsam, zu
erholen, seit durch den Sieg der Christinv's die Priesterherrschaft wenigstens vor¬
läufig gebrochen wurde; Portugal aber scheint nicht mehr innere Kraft genug zu
besHen, sich wieder empor zu arbeiten.

Bald hinter Belem breitet Lisboa in seiner ganzen Länge sich am Flusse aus.
Eine gewaltige, weit ausgestreckte weiße Häusermasse, ermüdend in ihrer Ein¬
förmigkeit, ist das Ganze; kein Thurm erhebt sich stolz in den blauen Lüste»,
keine Kuppeln, Spitzen, Säulenhallen geben dem Ange einen Ruhepunkt; Alles
ist flach, monoton, daher leicht abspannend. Welch ganz andern Anblick z. B.
gewährt das alte Cöln, wie es sich mit seinen Thürmen und seltsam geformten
Gemäuern aus den Fluthen des Rheins erhebt. Und Constantinopel, Genua,
Venedig, selbst Algier, sie alle enthalten vom Meere ans gesehen ungleich viel
mehr Reize als die hochgepriesene portugiesische Hauptstadt. Was an ausgezeich¬
neten Gebäuden in derselbe» war, hat das bekannte furchtbare Erdbeben zum
größten Theil zerstört. Portugals Kraft war damals aber schon gebrochen, es
konnte seine Hauptstadt nicht mehr mit großartigen, anch von der Ferne imponi-
renden Gebäuden schmücken. Trotz dieser Monotonie gewährt übrigens die lange
Reihe der hohen weißen Häuser an dem breiten Strom einen stattlichen Anblick.
Dazu der belebte Hafen, der immer eine gute Zahl großer und kleiner Seeschiffe
enthält, wenn er sich freilich auch nicht mit dem von Marseille und Hamburg oder
gar vou London und Liverpool vergleichen kann. Besonders fremde Kriegsschiffe,
die sich ans dem Tejo für längere Zeit vor Anker legen, konnte man hier sehen.
Vorn an, ganz allein in republikanischen Stolz, lag eine schöne nordamerikanische
Segelfrcgatte von l>Z Kanonen. Ein schlankes Schiff, ein Meisterstück der Schiffs-
baukunst, in der es die Nordameril'alter so weit gebracht haben. Die sternen-
besäete Flagge der Vereinigten Staaten flatterte lustig in dem lauen Morgenwind,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/90>, abgerufen am 28.12.2024.