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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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den Elementarkenntnissen vor Allem aber ausgezeichnete Duldsamkeit gegen
Andersgläubige, charakterisiren den Gosauer, welchen bei näherer Bekanntschaft
gewiß jedermann lieb gewinnen muß." Dieses glückliche Thal erreichte" wir
(mein Reisegefährte, ich und ein Führer ans den Salinen zu Hallstadt) an einem
der erste" Tage des Septembers, als die Sonne schou fast im Zenith stand, und
waren herzlich froh darüber: nicht wegen der im Neisehandbnche gerühmten treff-
liche" Eigenschaften der Gosancr, deiyi leider konnten wir nicht lange genug
bleiben, um uns von der Wahrheit dieser erfreulichen Nachrichten zu überzeugen --
sondern weil wir sehr müde waren. Auf den Rath unsres Führers begaben wir
n"S zu dem Schmiede, der am Ende des Thals ein Wirthshaus hält,
und wir hatten Grund, ihn? für diesen Rath dankbar zu sein, denn die
Tochter des Schmiedes, Barbara, ein etwa achzchnjähriges Mädchen, war un-
gemein reizend; und ich würde sie mit einer aufblühenden Rose vergleichen, wenn
ich nicht glaubte, daß mit dieser Vergleichung der Nose, eine weit größere Ehre
erwiesen wird, als diesem (und jedem andern) hübschen Mädchen. Wenn sie in
kurzem von einem beneidenswerthen Gosancr heimgeführt wird, so könnte sie eine
ähnliche Berühmtheit erlangen, wie die Töchter von Papa Ziebach mordbrenne¬
rischen Andenkens auf dem weiland GrimselhoSpiz, und zwar meines Erachtens
mit weit größerer Berechtigung. Ich dachte an den Freund von Carl Vogt, der
bei einer Vorausberechnung der zu einer Gebirgsreihe erforderlichen Zeit an ge¬
wissen Orten wo hübsche Wirthstochter waren, 8 oder 14 Regentage ansetzte.
Indessen mein Freund, ein tgi. preußischer Ncgierungsassessor, hatte nur kurze"
Urlaub und sah schon im Geist seine "Neste" sich bis zur Höhe des Dachsteins
thürmen und den Kollegen der ihn vertrat, verzweiflungsvoll die Hände ringen:
kurz er wollte von Regentagen nichts wissen. Ueberdies war unser Touristen¬
gewissen noch zu wenig abgehärtet, als daß wir die Wahrscheinlichkeit einer klaren
Aussicht vom Zwisclbcrge leichtsinnig hätten in die Schanze schlagen sollen. Wir
beschlossen also, nachdem wir einige Stunden geruht und uns etwas erfrischt hatten,
diesen Berg zu ersteigen und die Nacht in einer der auf ihm befindlichen Sennhütten
zuzubringen. Ein junger Mann aus Wien, der seinem Namen im Fremdenbuche
nicht ohne Selbstbewußtsein den Charakter "Ministcrialbeamter" hinzufügte, schloß
sich an uns an, ein Bube lud sein Gepäck ans, der Bruder der schönen Barbara
das unsrige, wir nahmen Abschied und traten unsren Weg an.

Der Wiener sprach unbefangen über östreichische Zustände und erzählte von
der PolizeiwirthsclM in der schönen Kaiserstadt, wie es jene noch viel schlimmer
sei, als unter Vater Weiden,^ und daß namentlich die Erlangung der Concession
zum Kauf einer Jagdflinte zu den größten Unmöglichkeiten gehöre. Indessen fing
es an bergauf zu gehn, und daS Gespräch verstummte allmählich, denn wir hatten
bald zum Rede" keinen Athem übrig. Der Berg ist ziemlich steil und unwegsam,
die Pfade winden sich über Baumwurzeln, Gestrüpp, Geröll und von Bergwasser


den Elementarkenntnissen vor Allem aber ausgezeichnete Duldsamkeit gegen
Andersgläubige, charakterisiren den Gosauer, welchen bei näherer Bekanntschaft
gewiß jedermann lieb gewinnen muß." Dieses glückliche Thal erreichte» wir
(mein Reisegefährte, ich und ein Führer ans den Salinen zu Hallstadt) an einem
der erste» Tage des Septembers, als die Sonne schou fast im Zenith stand, und
waren herzlich froh darüber: nicht wegen der im Neisehandbnche gerühmten treff-
liche» Eigenschaften der Gosancr, deiyi leider konnten wir nicht lange genug
bleiben, um uns von der Wahrheit dieser erfreulichen Nachrichten zu überzeugen —
sondern weil wir sehr müde waren. Auf den Rath unsres Führers begaben wir
n»S zu dem Schmiede, der am Ende des Thals ein Wirthshaus hält,
und wir hatten Grund, ihn? für diesen Rath dankbar zu sein, denn die
Tochter des Schmiedes, Barbara, ein etwa achzchnjähriges Mädchen, war un-
gemein reizend; und ich würde sie mit einer aufblühenden Rose vergleichen, wenn
ich nicht glaubte, daß mit dieser Vergleichung der Nose, eine weit größere Ehre
erwiesen wird, als diesem (und jedem andern) hübschen Mädchen. Wenn sie in
kurzem von einem beneidenswerthen Gosancr heimgeführt wird, so könnte sie eine
ähnliche Berühmtheit erlangen, wie die Töchter von Papa Ziebach mordbrenne¬
rischen Andenkens auf dem weiland GrimselhoSpiz, und zwar meines Erachtens
mit weit größerer Berechtigung. Ich dachte an den Freund von Carl Vogt, der
bei einer Vorausberechnung der zu einer Gebirgsreihe erforderlichen Zeit an ge¬
wissen Orten wo hübsche Wirthstochter waren, 8 oder 14 Regentage ansetzte.
Indessen mein Freund, ein tgi. preußischer Ncgierungsassessor, hatte nur kurze»
Urlaub und sah schon im Geist seine „Neste" sich bis zur Höhe des Dachsteins
thürmen und den Kollegen der ihn vertrat, verzweiflungsvoll die Hände ringen:
kurz er wollte von Regentagen nichts wissen. Ueberdies war unser Touristen¬
gewissen noch zu wenig abgehärtet, als daß wir die Wahrscheinlichkeit einer klaren
Aussicht vom Zwisclbcrge leichtsinnig hätten in die Schanze schlagen sollen. Wir
beschlossen also, nachdem wir einige Stunden geruht und uns etwas erfrischt hatten,
diesen Berg zu ersteigen und die Nacht in einer der auf ihm befindlichen Sennhütten
zuzubringen. Ein junger Mann aus Wien, der seinem Namen im Fremdenbuche
nicht ohne Selbstbewußtsein den Charakter „Ministcrialbeamter" hinzufügte, schloß
sich an uns an, ein Bube lud sein Gepäck ans, der Bruder der schönen Barbara
das unsrige, wir nahmen Abschied und traten unsren Weg an.

Der Wiener sprach unbefangen über östreichische Zustände und erzählte von
der PolizeiwirthsclM in der schönen Kaiserstadt, wie es jene noch viel schlimmer
sei, als unter Vater Weiden,^ und daß namentlich die Erlangung der Concession
zum Kauf einer Jagdflinte zu den größten Unmöglichkeiten gehöre. Indessen fing
es an bergauf zu gehn, und daS Gespräch verstummte allmählich, denn wir hatten
bald zum Rede» keinen Athem übrig. Der Berg ist ziemlich steil und unwegsam,
die Pfade winden sich über Baumwurzeln, Gestrüpp, Geröll und von Bergwasser


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[0061] den Elementarkenntnissen vor Allem aber ausgezeichnete Duldsamkeit gegen Andersgläubige, charakterisiren den Gosauer, welchen bei näherer Bekanntschaft gewiß jedermann lieb gewinnen muß." Dieses glückliche Thal erreichte» wir (mein Reisegefährte, ich und ein Führer ans den Salinen zu Hallstadt) an einem der erste» Tage des Septembers, als die Sonne schou fast im Zenith stand, und waren herzlich froh darüber: nicht wegen der im Neisehandbnche gerühmten treff- liche» Eigenschaften der Gosancr, deiyi leider konnten wir nicht lange genug bleiben, um uns von der Wahrheit dieser erfreulichen Nachrichten zu überzeugen — sondern weil wir sehr müde waren. Auf den Rath unsres Führers begaben wir n»S zu dem Schmiede, der am Ende des Thals ein Wirthshaus hält, und wir hatten Grund, ihn? für diesen Rath dankbar zu sein, denn die Tochter des Schmiedes, Barbara, ein etwa achzchnjähriges Mädchen, war un- gemein reizend; und ich würde sie mit einer aufblühenden Rose vergleichen, wenn ich nicht glaubte, daß mit dieser Vergleichung der Nose, eine weit größere Ehre erwiesen wird, als diesem (und jedem andern) hübschen Mädchen. Wenn sie in kurzem von einem beneidenswerthen Gosancr heimgeführt wird, so könnte sie eine ähnliche Berühmtheit erlangen, wie die Töchter von Papa Ziebach mordbrenne¬ rischen Andenkens auf dem weiland GrimselhoSpiz, und zwar meines Erachtens mit weit größerer Berechtigung. Ich dachte an den Freund von Carl Vogt, der bei einer Vorausberechnung der zu einer Gebirgsreihe erforderlichen Zeit an ge¬ wissen Orten wo hübsche Wirthstochter waren, 8 oder 14 Regentage ansetzte. Indessen mein Freund, ein tgi. preußischer Ncgierungsassessor, hatte nur kurze» Urlaub und sah schon im Geist seine „Neste" sich bis zur Höhe des Dachsteins thürmen und den Kollegen der ihn vertrat, verzweiflungsvoll die Hände ringen: kurz er wollte von Regentagen nichts wissen. Ueberdies war unser Touristen¬ gewissen noch zu wenig abgehärtet, als daß wir die Wahrscheinlichkeit einer klaren Aussicht vom Zwisclbcrge leichtsinnig hätten in die Schanze schlagen sollen. Wir beschlossen also, nachdem wir einige Stunden geruht und uns etwas erfrischt hatten, diesen Berg zu ersteigen und die Nacht in einer der auf ihm befindlichen Sennhütten zuzubringen. Ein junger Mann aus Wien, der seinem Namen im Fremdenbuche nicht ohne Selbstbewußtsein den Charakter „Ministcrialbeamter" hinzufügte, schloß sich an uns an, ein Bube lud sein Gepäck ans, der Bruder der schönen Barbara das unsrige, wir nahmen Abschied und traten unsren Weg an. Der Wiener sprach unbefangen über östreichische Zustände und erzählte von der PolizeiwirthsclM in der schönen Kaiserstadt, wie es jene noch viel schlimmer sei, als unter Vater Weiden,^ und daß namentlich die Erlangung der Concession zum Kauf einer Jagdflinte zu den größten Unmöglichkeiten gehöre. Indessen fing es an bergauf zu gehn, und daS Gespräch verstummte allmählich, denn wir hatten bald zum Rede» keinen Athem übrig. Der Berg ist ziemlich steil und unwegsam, die Pfade winden sich über Baumwurzeln, Gestrüpp, Geröll und von Bergwasser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/61>, abgerufen am 28.12.2024.