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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Trotz der Mängel einer unvollständigen Bildung, die ihm wie fast der gan¬
zen Schule ankleben, und die ursprünglich in dein richtigen Gedanken ihren Grund
hatten, daß die Kunst dnrch den Materialismus ihres Schaffens zu Grunde ge¬
gangen und nur durch Vvrherrschendmachnng ihres geistigen Theils, also zunächst
der Auffassung, Darstellung und Zeichnung wieder zu neuem Leben erweckt werden
könne, bildet Schwind nächst den Helden Cornelius und Overbeck, mit Genelli,
Kaulbach, Peter Heß und Ludwig Richter denjenigen Kreis genialer Maler, denen
unsere deutsche Malerei die größte Erweiterung und Bereicherung, sowohl des
Kreises der Stoffe als ganz besonders ihrer charakteristischen Formen verdankt,
so daß mau diese Männer als die Grundsäulen dieses stolzen Baues betrach¬
ten kann. --

Die beiden letztern so interessanten und bedeutenden Künstler ausführlicher
zu besprechen, muß ich mir um so mehr für ein ander Mal vorbehalten, als sie
in keinem so unmittelbaren Zusammenhange mit den großen Historienmalern stehen,
die den Hauptgegenstand dieser Mittheilung bilden, und doch viel -u bedeutend
sind, als daß ich mich entschließen könnte, sie nur flüchtig zu skizziren. --
Ebenso muß ich mir aus demselben Grunde versagen, Ihnen von den
eigentlichen Genremalern Münchens viel erzählen zu wollen, obwohl anch nnter
ihnen bedeutende Talente wie Philipp Folz, Kirner, Flügge", Geyer ?c. deutlich
den guten Einfluß der Historienmalerei anch auf ihre Auffassung zeigen und darin
sowie in ihrer Technik deutsch und eigenthümlich geblieben sind, während eine
nicht geringe Zahl, besonders der Jüngern, vorgezogen hat, sich einstweilen an
belgische und französische Meister zu lehnen, ihre" deutschen Charakter, das Stre¬
ben nach gesunder Composition, feiner Individualisirung, naiver Grazie und zum
Styl erhöhter Form, nach innigem Gefühl, Kraft und Humor, wie sie theils dem
einen, theils dem andern der vorerwähnten Meister vorzugsweise eigen sind, auf¬
zugeben, um Lichtcffecten oder melodramatischen Wirkungen nachzulaufen, damit
aber für die nationale Kunst jede Erheblichkeit zu verlieren. -- Es ist vorauszu¬
sehen, daß eine solche Verirrung ans dem gesunden Münchner Boden nicht lange
anhalten wird; ich erspare mir daher Mittheilungen ans diesem Gebiete ans spä¬
tere Zeit; eben so über die Schule der Münchner Landschafter, die in neuerer
Zeit so ungemeine Fortschritte auch in der Technik der Oelmalerei gemacht haben,
nachdem schon durch des leider zu früh vom Tode hinweggerafften Nottmann
Vorgang, Größe und Ernst der Auffassung, meisterhafte Zeichnung und feiner
Natursinn ihr gemeinsames Eigenthum geworden waren, so daß sich jetzt die Na¬
men eines Heinlein, Morgenstern, Schleich, Alb. Zimmermann, den Besten aller
Zeiten an die Seite setzen dürfen.




Trotz der Mängel einer unvollständigen Bildung, die ihm wie fast der gan¬
zen Schule ankleben, und die ursprünglich in dein richtigen Gedanken ihren Grund
hatten, daß die Kunst dnrch den Materialismus ihres Schaffens zu Grunde ge¬
gangen und nur durch Vvrherrschendmachnng ihres geistigen Theils, also zunächst
der Auffassung, Darstellung und Zeichnung wieder zu neuem Leben erweckt werden
könne, bildet Schwind nächst den Helden Cornelius und Overbeck, mit Genelli,
Kaulbach, Peter Heß und Ludwig Richter denjenigen Kreis genialer Maler, denen
unsere deutsche Malerei die größte Erweiterung und Bereicherung, sowohl des
Kreises der Stoffe als ganz besonders ihrer charakteristischen Formen verdankt,
so daß mau diese Männer als die Grundsäulen dieses stolzen Baues betrach¬
ten kann. —

Die beiden letztern so interessanten und bedeutenden Künstler ausführlicher
zu besprechen, muß ich mir um so mehr für ein ander Mal vorbehalten, als sie
in keinem so unmittelbaren Zusammenhange mit den großen Historienmalern stehen,
die den Hauptgegenstand dieser Mittheilung bilden, und doch viel -u bedeutend
sind, als daß ich mich entschließen könnte, sie nur flüchtig zu skizziren. —
Ebenso muß ich mir aus demselben Grunde versagen, Ihnen von den
eigentlichen Genremalern Münchens viel erzählen zu wollen, obwohl anch nnter
ihnen bedeutende Talente wie Philipp Folz, Kirner, Flügge», Geyer ?c. deutlich
den guten Einfluß der Historienmalerei anch auf ihre Auffassung zeigen und darin
sowie in ihrer Technik deutsch und eigenthümlich geblieben sind, während eine
nicht geringe Zahl, besonders der Jüngern, vorgezogen hat, sich einstweilen an
belgische und französische Meister zu lehnen, ihre» deutschen Charakter, das Stre¬
ben nach gesunder Composition, feiner Individualisirung, naiver Grazie und zum
Styl erhöhter Form, nach innigem Gefühl, Kraft und Humor, wie sie theils dem
einen, theils dem andern der vorerwähnten Meister vorzugsweise eigen sind, auf¬
zugeben, um Lichtcffecten oder melodramatischen Wirkungen nachzulaufen, damit
aber für die nationale Kunst jede Erheblichkeit zu verlieren. — Es ist vorauszu¬
sehen, daß eine solche Verirrung ans dem gesunden Münchner Boden nicht lange
anhalten wird; ich erspare mir daher Mittheilungen ans diesem Gebiete ans spä¬
tere Zeit; eben so über die Schule der Münchner Landschafter, die in neuerer
Zeit so ungemeine Fortschritte auch in der Technik der Oelmalerei gemacht haben,
nachdem schon durch des leider zu früh vom Tode hinweggerafften Nottmann
Vorgang, Größe und Ernst der Auffassung, meisterhafte Zeichnung und feiner
Natursinn ihr gemeinsames Eigenthum geworden waren, so daß sich jetzt die Na¬
men eines Heinlein, Morgenstern, Schleich, Alb. Zimmermann, den Besten aller
Zeiten an die Seite setzen dürfen.




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[0515] Trotz der Mängel einer unvollständigen Bildung, die ihm wie fast der gan¬ zen Schule ankleben, und die ursprünglich in dein richtigen Gedanken ihren Grund hatten, daß die Kunst dnrch den Materialismus ihres Schaffens zu Grunde ge¬ gangen und nur durch Vvrherrschendmachnng ihres geistigen Theils, also zunächst der Auffassung, Darstellung und Zeichnung wieder zu neuem Leben erweckt werden könne, bildet Schwind nächst den Helden Cornelius und Overbeck, mit Genelli, Kaulbach, Peter Heß und Ludwig Richter denjenigen Kreis genialer Maler, denen unsere deutsche Malerei die größte Erweiterung und Bereicherung, sowohl des Kreises der Stoffe als ganz besonders ihrer charakteristischen Formen verdankt, so daß mau diese Männer als die Grundsäulen dieses stolzen Baues betrach¬ ten kann. — Die beiden letztern so interessanten und bedeutenden Künstler ausführlicher zu besprechen, muß ich mir um so mehr für ein ander Mal vorbehalten, als sie in keinem so unmittelbaren Zusammenhange mit den großen Historienmalern stehen, die den Hauptgegenstand dieser Mittheilung bilden, und doch viel -u bedeutend sind, als daß ich mich entschließen könnte, sie nur flüchtig zu skizziren. — Ebenso muß ich mir aus demselben Grunde versagen, Ihnen von den eigentlichen Genremalern Münchens viel erzählen zu wollen, obwohl anch nnter ihnen bedeutende Talente wie Philipp Folz, Kirner, Flügge», Geyer ?c. deutlich den guten Einfluß der Historienmalerei anch auf ihre Auffassung zeigen und darin sowie in ihrer Technik deutsch und eigenthümlich geblieben sind, während eine nicht geringe Zahl, besonders der Jüngern, vorgezogen hat, sich einstweilen an belgische und französische Meister zu lehnen, ihre» deutschen Charakter, das Stre¬ ben nach gesunder Composition, feiner Individualisirung, naiver Grazie und zum Styl erhöhter Form, nach innigem Gefühl, Kraft und Humor, wie sie theils dem einen, theils dem andern der vorerwähnten Meister vorzugsweise eigen sind, auf¬ zugeben, um Lichtcffecten oder melodramatischen Wirkungen nachzulaufen, damit aber für die nationale Kunst jede Erheblichkeit zu verlieren. — Es ist vorauszu¬ sehen, daß eine solche Verirrung ans dem gesunden Münchner Boden nicht lange anhalten wird; ich erspare mir daher Mittheilungen ans diesem Gebiete ans spä¬ tere Zeit; eben so über die Schule der Münchner Landschafter, die in neuerer Zeit so ungemeine Fortschritte auch in der Technik der Oelmalerei gemacht haben, nachdem schon durch des leider zu früh vom Tode hinweggerafften Nottmann Vorgang, Größe und Ernst der Auffassung, meisterhafte Zeichnung und feiner Natursinn ihr gemeinsames Eigenthum geworden waren, so daß sich jetzt die Na¬ men eines Heinlein, Morgenstern, Schleich, Alb. Zimmermann, den Besten aller Zeiten an die Seite setzen dürfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/515>, abgerufen am 24.07.2024.