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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Jnvectiven gegen sein Wert, die von ihm eingebrachte und warm vertheidigte
Gemeinde-Gesetzgebung von 1860 anhören zu müssen, sich schweigend darein fügen
zu müssen, daß sie um Beamten als revolutiouair, als zerstörend für alle ge¬
sunden Elemente des Volks bezeichnet wird; und um das Maaß einer ausgesuchten
Buße voll zu machen, wird es ihm nie erspart, in Reih' und Glied mit denen,
die an seinem Weck nnter dem Beifall seines Kollegen, deö Ministers des
Innern eine so schonungslose Kritik übten, dasselbe in zahllosen Abstimmungen
stückweise zu zerstöre", wie die besiegte" Athener gezwungen wurden, die
Mauern ihrer Stadt unter Flötenspiel abzutragen. Für so viele Leiden,
denen sich schwerlich ein anderer Manu unterziehen dürfte, scheint es ein geringes
Aequivalent zu fordern, daß nun auch einmal die Minister des Innern und des
Cultus ihre Privatansicht vor der Meinung und den Beschlüssen des Staatsmini-
steriums beugten; allein die Philosophie des Herrn von Manteuffel entlehnt ihre
Maximen aus der Martyrologie, und seiner Meinung nach ist es der Starke, der
einige Schritte zurückweicht, --- um dann, mit demselben Trost noch einige Schritte
weiter zurückzuweichen.

Obgleich meine Ueberzeugung von dem Wesen einer ans Grund und Boden
gelegten Steuer mich zu der weitern Ansicht führt, daß es am Besten ist, wenn
mau die Grundsteuer, wie sie liegt, unangetastet läßt und das Steuersystem nicht
dadurch, daß mau sie ihrer Ncntennatur beraubt, noch cvmplizirter macht, be¬
dauere ich doch das Schicksal deö Gesetzentwurfs aufs Lebhafteste. Freilich, wenn
begründete Aussicht vorhanden wäre, daß die Ansicht von der Rcntennatnr der
Grundsteuer in der Mehrzahl des Volkes festen Boden fassen und sich anch in
bewegteren Zeiten behaupten könnte, so wäre mit der Vertagung dieser Frage
vielleicht Etwas gewonnen. Allein dem ist nicht so. Nach manchem Hin- und
Herschwanken ist die preußische Gesetzgebung in den letzten vier Decennien dem
Grundsatz von der Veränderlichkeit der Grundsteuer treu geblieben, so daß der
entgegengesetzten Meinung uicht nur die Weihe eines unantastbaren, in i>i"xi
stets beobachteten Axioms vollständig abgeht, sondern daß die Zahl ihrer An¬
hänger, in Folge der Anerkennung der eben erwähnten Thatsache, fortwährend
im Abnehmen begriffen ist. Die Gemüther werden sich also über die Ungleich¬
heit der Belastung des Grund und Bodens nicht nur uicht beruhigen, sondern
der Meinungskampf wird periodisch mit immer wachsender Erbitterung sich er¬
neuern. Diesem Eutwickeluugsprvzeß ist die letzte Entscheidung der Kammer in
keiner Weise entgegengetreten; sie hat vielmehr dadurch, daß sich eine Majorität
für die Aushebung der Exemtionen erklärte, die in der preußischen Steuergesetz¬
gebung seit 18-10 maßgebende Ansicht von Neuem sanctionirt und dadurch den
Bestrebungen auf Beseitigung der Ungleichheit einen neuen Impuls gegeben,
während die Majorität gegen ez. 3. keine prinzipielle Bedeutung hat da sie ans
Anhängern der diametral entgegengesetzten Meinungen gebildet war. Unter sol-


61 *

Jnvectiven gegen sein Wert, die von ihm eingebrachte und warm vertheidigte
Gemeinde-Gesetzgebung von 1860 anhören zu müssen, sich schweigend darein fügen
zu müssen, daß sie um Beamten als revolutiouair, als zerstörend für alle ge¬
sunden Elemente des Volks bezeichnet wird; und um das Maaß einer ausgesuchten
Buße voll zu machen, wird es ihm nie erspart, in Reih' und Glied mit denen,
die an seinem Weck nnter dem Beifall seines Kollegen, deö Ministers des
Innern eine so schonungslose Kritik übten, dasselbe in zahllosen Abstimmungen
stückweise zu zerstöre», wie die besiegte» Athener gezwungen wurden, die
Mauern ihrer Stadt unter Flötenspiel abzutragen. Für so viele Leiden,
denen sich schwerlich ein anderer Manu unterziehen dürfte, scheint es ein geringes
Aequivalent zu fordern, daß nun auch einmal die Minister des Innern und des
Cultus ihre Privatansicht vor der Meinung und den Beschlüssen des Staatsmini-
steriums beugten; allein die Philosophie des Herrn von Manteuffel entlehnt ihre
Maximen aus der Martyrologie, und seiner Meinung nach ist es der Starke, der
einige Schritte zurückweicht, -— um dann, mit demselben Trost noch einige Schritte
weiter zurückzuweichen.

Obgleich meine Ueberzeugung von dem Wesen einer ans Grund und Boden
gelegten Steuer mich zu der weitern Ansicht führt, daß es am Besten ist, wenn
mau die Grundsteuer, wie sie liegt, unangetastet läßt und das Steuersystem nicht
dadurch, daß mau sie ihrer Ncntennatur beraubt, noch cvmplizirter macht, be¬
dauere ich doch das Schicksal deö Gesetzentwurfs aufs Lebhafteste. Freilich, wenn
begründete Aussicht vorhanden wäre, daß die Ansicht von der Rcntennatnr der
Grundsteuer in der Mehrzahl des Volkes festen Boden fassen und sich anch in
bewegteren Zeiten behaupten könnte, so wäre mit der Vertagung dieser Frage
vielleicht Etwas gewonnen. Allein dem ist nicht so. Nach manchem Hin- und
Herschwanken ist die preußische Gesetzgebung in den letzten vier Decennien dem
Grundsatz von der Veränderlichkeit der Grundsteuer treu geblieben, so daß der
entgegengesetzten Meinung uicht nur die Weihe eines unantastbaren, in i>i»xi
stets beobachteten Axioms vollständig abgeht, sondern daß die Zahl ihrer An¬
hänger, in Folge der Anerkennung der eben erwähnten Thatsache, fortwährend
im Abnehmen begriffen ist. Die Gemüther werden sich also über die Ungleich¬
heit der Belastung des Grund und Bodens nicht nur uicht beruhigen, sondern
der Meinungskampf wird periodisch mit immer wachsender Erbitterung sich er¬
neuern. Diesem Eutwickeluugsprvzeß ist die letzte Entscheidung der Kammer in
keiner Weise entgegengetreten; sie hat vielmehr dadurch, daß sich eine Majorität
für die Aushebung der Exemtionen erklärte, die in der preußischen Steuergesetz¬
gebung seit 18-10 maßgebende Ansicht von Neuem sanctionirt und dadurch den
Bestrebungen auf Beseitigung der Ungleichheit einen neuen Impuls gegeben,
während die Majorität gegen ez. 3. keine prinzipielle Bedeutung hat da sie ans
Anhängern der diametral entgegengesetzten Meinungen gebildet war. Unter sol-


61 *
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/491>, abgerufen am 24.07.2024.