Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

didatnr der Präsidentschaft des Kongresses angenommen hat. Welche Hoffnungen
ans das Verhalten der moderirten Mittelfractivn könnten hiernach "och ge¬
hegt werden?

Ueber Narvaez haben sich in letzter Zeit verschiedene Angaben gekreuzt. Es
hieß, er sei in Paris angekommen und wolle sich der ihm auferlegten Mission
nach Wien unterziehen, was er nach allem Vorhergegangenen nicht thun könnte,
ohne seine Ehre anzutasten und seinen Charakter herabzusetzen. neuerdings ist
dies jedoch widerrufen; er sei nicht in Paris, sondern nach wie vor an der spa¬
nischen Grenze und werde in einer energischen Eingabe an den Senat gegen die
Regierung, die ihn behindere, seinen Sitz in dieser Versammlung einzunehmen,
Beschwerde erheben. Da das Cabinet durch den neulichen Seuatorenschnb sich
die Mehrheit gesichert hat, so wird voraussichtlich die Beschwerde nicht durch-
dringen, aber zweifelsohne der zahlreiche" und durch ihre Persönlichkeiten gewich¬
tigen Opposition Gelegenheit zu den heftigsten Ausfällen geben. Wie die Dinge
sich aber auch gestalte" mögen, man muß wünschen, daß der Herzog von
Valencia um Spaniens und um seiner selbst willen fest in seinem Widerstand
gegen die verderblichen Pläne des Hofes bleibe.


-- Es hat Nichts geholfen, daß die Triester Zeitung
und einige östreichische Korrespondenten verschiedener deutscher Blätter dem
britischen Inselreich gedroht haben, sich nicht nur vor der Ansteckung durch seine
Ideen, sondern anch durch seine Calicvs durch ein strenges Verbot derselben zu
schützen, wenn nicht Mazzini und Consorten auf der Stelle in England ergriffen
und mindestens nach dem Monde exilirt würden. Ohne erst z" fragen, wen der
Schaden des Verbots zuletzt treffen würde, --- wir meinen der Calicos, denn
die Ideen würden ohnehin bei gedachten Organen keinen fruchtbaren Boden
finden -- ist die englische Negierung kühn genng gewesen, dem Zorn der Triester
Zeitung zu trotzen und zu erklären, daß jedes derartige Ansinnen mit einem ent¬
schiedenen Nein beantwortet werden wird. Und seltenes Mißgeschick! diese Er¬
klärung mußte der unvermeidliche Lord Palmerston gebe", den doch Graf Fiquel-
mout mit zwei dicken Bänden längst politisch losgeschlagen hat, und deu man
in sei" Staatssecretariat des Jnnern als auf eiuen anständigen Ruheposten ver¬
wiesen glaubte! Wer freilich im Interesse einer prompter Justiz und zur Rettung
der bedrohten Gesellschaft dem menschenfreundlichen Grundsatz huldigt: Erst hängen
und bann untersuchen! mußte eine andere Antwort erwarten. Aber in dem neue¬
ste" politische" Fortschritt des Jahrhunderts ist England leider weit zurückgeblieben.
Es huldigt noch ganz dem alte" Zopf, ""r überführte Schuldige und nicht Ver¬
dächtige strafen zu wolle", es glaubt die persönliche Freiheit mit schützenden Ga¬
rantien umgebe" und wie ein unschätzbares Kleinod hüten zu müssen, während
der aufgeklärte Continent sie längst als ein staatsgefährliches Ding, nur gemacht,


didatnr der Präsidentschaft des Kongresses angenommen hat. Welche Hoffnungen
ans das Verhalten der moderirten Mittelfractivn könnten hiernach »och ge¬
hegt werden?

Ueber Narvaez haben sich in letzter Zeit verschiedene Angaben gekreuzt. Es
hieß, er sei in Paris angekommen und wolle sich der ihm auferlegten Mission
nach Wien unterziehen, was er nach allem Vorhergegangenen nicht thun könnte,
ohne seine Ehre anzutasten und seinen Charakter herabzusetzen. neuerdings ist
dies jedoch widerrufen; er sei nicht in Paris, sondern nach wie vor an der spa¬
nischen Grenze und werde in einer energischen Eingabe an den Senat gegen die
Regierung, die ihn behindere, seinen Sitz in dieser Versammlung einzunehmen,
Beschwerde erheben. Da das Cabinet durch den neulichen Seuatorenschnb sich
die Mehrheit gesichert hat, so wird voraussichtlich die Beschwerde nicht durch-
dringen, aber zweifelsohne der zahlreiche» und durch ihre Persönlichkeiten gewich¬
tigen Opposition Gelegenheit zu den heftigsten Ausfällen geben. Wie die Dinge
sich aber auch gestalte» mögen, man muß wünschen, daß der Herzog von
Valencia um Spaniens und um seiner selbst willen fest in seinem Widerstand
gegen die verderblichen Pläne des Hofes bleibe.


— Es hat Nichts geholfen, daß die Triester Zeitung
und einige östreichische Korrespondenten verschiedener deutscher Blätter dem
britischen Inselreich gedroht haben, sich nicht nur vor der Ansteckung durch seine
Ideen, sondern anch durch seine Calicvs durch ein strenges Verbot derselben zu
schützen, wenn nicht Mazzini und Consorten auf der Stelle in England ergriffen
und mindestens nach dem Monde exilirt würden. Ohne erst z» fragen, wen der
Schaden des Verbots zuletzt treffen würde, —- wir meinen der Calicos, denn
die Ideen würden ohnehin bei gedachten Organen keinen fruchtbaren Boden
finden — ist die englische Negierung kühn genng gewesen, dem Zorn der Triester
Zeitung zu trotzen und zu erklären, daß jedes derartige Ansinnen mit einem ent¬
schiedenen Nein beantwortet werden wird. Und seltenes Mißgeschick! diese Er¬
klärung mußte der unvermeidliche Lord Palmerston gebe», den doch Graf Fiquel-
mout mit zwei dicken Bänden längst politisch losgeschlagen hat, und deu man
in sei» Staatssecretariat des Jnnern als auf eiuen anständigen Ruheposten ver¬
wiesen glaubte! Wer freilich im Interesse einer prompter Justiz und zur Rettung
der bedrohten Gesellschaft dem menschenfreundlichen Grundsatz huldigt: Erst hängen
und bann untersuchen! mußte eine andere Antwort erwarten. Aber in dem neue¬
ste» politische» Fortschritt des Jahrhunderts ist England leider weit zurückgeblieben.
Es huldigt noch ganz dem alte» Zopf, »»r überführte Schuldige und nicht Ver¬
dächtige strafen zu wolle», es glaubt die persönliche Freiheit mit schützenden Ga¬
rantien umgebe» und wie ein unschätzbares Kleinod hüten zu müssen, während
der aufgeklärte Continent sie längst als ein staatsgefährliches Ding, nur gemacht,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186358"/>
            <p xml:id="ID_1520" prev="#ID_1519"> didatnr der Präsidentschaft des Kongresses angenommen hat. Welche Hoffnungen<lb/>
ans das Verhalten der moderirten Mittelfractivn könnten hiernach »och ge¬<lb/>
hegt werden?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1521"> Ueber Narvaez haben sich in letzter Zeit verschiedene Angaben gekreuzt. Es<lb/>
hieß, er sei in Paris angekommen und wolle sich der ihm auferlegten Mission<lb/>
nach Wien unterziehen, was er nach allem Vorhergegangenen nicht thun könnte,<lb/>
ohne seine Ehre anzutasten und seinen Charakter herabzusetzen. neuerdings ist<lb/>
dies jedoch widerrufen; er sei nicht in Paris, sondern nach wie vor an der spa¬<lb/>
nischen Grenze und werde in einer energischen Eingabe an den Senat gegen die<lb/>
Regierung, die ihn behindere, seinen Sitz in dieser Versammlung einzunehmen,<lb/>
Beschwerde erheben. Da das Cabinet durch den neulichen Seuatorenschnb sich<lb/>
die Mehrheit gesichert hat, so wird voraussichtlich die Beschwerde nicht durch-<lb/>
dringen, aber zweifelsohne der zahlreiche» und durch ihre Persönlichkeiten gewich¬<lb/>
tigen Opposition Gelegenheit zu den heftigsten Ausfällen geben. Wie die Dinge<lb/>
sich aber auch gestalte» mögen, man muß wünschen, daß der Herzog von<lb/>
Valencia um Spaniens und um seiner selbst willen fest in seinem Widerstand<lb/>
gegen die verderblichen Pläne des Hofes bleibe.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> </head>
            <p xml:id="ID_1522" next="#ID_1523"> &#x2014; Es hat Nichts geholfen, daß die Triester Zeitung<lb/>
und einige östreichische Korrespondenten verschiedener deutscher Blätter dem<lb/>
britischen Inselreich gedroht haben, sich nicht nur vor der Ansteckung durch seine<lb/>
Ideen, sondern anch durch seine Calicvs durch ein strenges Verbot derselben zu<lb/>
schützen, wenn nicht Mazzini und Consorten auf der Stelle in England ergriffen<lb/>
und mindestens nach dem Monde exilirt würden. Ohne erst z» fragen, wen der<lb/>
Schaden des Verbots zuletzt treffen würde, &#x2014;- wir meinen der Calicos, denn<lb/>
die Ideen würden ohnehin bei gedachten Organen keinen fruchtbaren Boden<lb/>
finden &#x2014; ist die englische Negierung kühn genng gewesen, dem Zorn der Triester<lb/>
Zeitung zu trotzen und zu erklären, daß jedes derartige Ansinnen mit einem ent¬<lb/>
schiedenen Nein beantwortet werden wird. Und seltenes Mißgeschick! diese Er¬<lb/>
klärung mußte der unvermeidliche Lord Palmerston gebe», den doch Graf Fiquel-<lb/>
mout mit zwei dicken Bänden längst politisch losgeschlagen hat, und deu man<lb/>
in sei» Staatssecretariat des Jnnern als auf eiuen anständigen Ruheposten ver¬<lb/>
wiesen glaubte! Wer freilich im Interesse einer prompter Justiz und zur Rettung<lb/>
der bedrohten Gesellschaft dem menschenfreundlichen Grundsatz huldigt: Erst hängen<lb/>
und bann untersuchen! mußte eine andere Antwort erwarten. Aber in dem neue¬<lb/>
ste» politische» Fortschritt des Jahrhunderts ist England leider weit zurückgeblieben.<lb/>
Es huldigt noch ganz dem alte» Zopf, »»r überführte Schuldige und nicht Ver¬<lb/>
dächtige strafen zu wolle», es glaubt die persönliche Freiheit mit schützenden Ga¬<lb/>
rantien umgebe» und wie ein unschätzbares Kleinod hüten zu müssen, während<lb/>
der aufgeklärte Continent sie längst als ein staatsgefährliches Ding, nur gemacht,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] didatnr der Präsidentschaft des Kongresses angenommen hat. Welche Hoffnungen ans das Verhalten der moderirten Mittelfractivn könnten hiernach »och ge¬ hegt werden? Ueber Narvaez haben sich in letzter Zeit verschiedene Angaben gekreuzt. Es hieß, er sei in Paris angekommen und wolle sich der ihm auferlegten Mission nach Wien unterziehen, was er nach allem Vorhergegangenen nicht thun könnte, ohne seine Ehre anzutasten und seinen Charakter herabzusetzen. neuerdings ist dies jedoch widerrufen; er sei nicht in Paris, sondern nach wie vor an der spa¬ nischen Grenze und werde in einer energischen Eingabe an den Senat gegen die Regierung, die ihn behindere, seinen Sitz in dieser Versammlung einzunehmen, Beschwerde erheben. Da das Cabinet durch den neulichen Seuatorenschnb sich die Mehrheit gesichert hat, so wird voraussichtlich die Beschwerde nicht durch- dringen, aber zweifelsohne der zahlreiche» und durch ihre Persönlichkeiten gewich¬ tigen Opposition Gelegenheit zu den heftigsten Ausfällen geben. Wie die Dinge sich aber auch gestalte» mögen, man muß wünschen, daß der Herzog von Valencia um Spaniens und um seiner selbst willen fest in seinem Widerstand gegen die verderblichen Pläne des Hofes bleibe. — Es hat Nichts geholfen, daß die Triester Zeitung und einige östreichische Korrespondenten verschiedener deutscher Blätter dem britischen Inselreich gedroht haben, sich nicht nur vor der Ansteckung durch seine Ideen, sondern anch durch seine Calicvs durch ein strenges Verbot derselben zu schützen, wenn nicht Mazzini und Consorten auf der Stelle in England ergriffen und mindestens nach dem Monde exilirt würden. Ohne erst z» fragen, wen der Schaden des Verbots zuletzt treffen würde, —- wir meinen der Calicos, denn die Ideen würden ohnehin bei gedachten Organen keinen fruchtbaren Boden finden — ist die englische Negierung kühn genng gewesen, dem Zorn der Triester Zeitung zu trotzen und zu erklären, daß jedes derartige Ansinnen mit einem ent¬ schiedenen Nein beantwortet werden wird. Und seltenes Mißgeschick! diese Er¬ klärung mußte der unvermeidliche Lord Palmerston gebe», den doch Graf Fiquel- mout mit zwei dicken Bänden längst politisch losgeschlagen hat, und deu man in sei» Staatssecretariat des Jnnern als auf eiuen anständigen Ruheposten ver¬ wiesen glaubte! Wer freilich im Interesse einer prompter Justiz und zur Rettung der bedrohten Gesellschaft dem menschenfreundlichen Grundsatz huldigt: Erst hängen und bann untersuchen! mußte eine andere Antwort erwarten. Aber in dem neue¬ ste» politische» Fortschritt des Jahrhunderts ist England leider weit zurückgeblieben. Es huldigt noch ganz dem alte» Zopf, »»r überführte Schuldige und nicht Ver¬ dächtige strafen zu wolle», es glaubt die persönliche Freiheit mit schützenden Ga¬ rantien umgebe» und wie ein unschätzbares Kleinod hüten zu müssen, während der aufgeklärte Continent sie längst als ein staatsgefährliches Ding, nur gemacht,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/482>, abgerufen am 04.07.2024.