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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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abhängig gemacht wird, nicht einen flagranten Widerspruch mit dem angeführten
Grundsatz der Verfassung erkennen sollte. Allein unserer Rechten sind dergleichen
Dinge leicht möglich, und der Herr Münster hat in seiner Deduction, daß die
Ausschließung der Juden von Commnnalämtern, mit der Verfassung in Einklang
stehe, so Ausgezeichnetes geleistet, daß wir es der Bewunderung der Leser Ihres
Blattes nicht vorenthalten mögen. Art. i der Verf. lautet: "Alle Preußen sind
vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen
Aemter sind, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen,
für alle dazu Befähigten gleich zugänglich." Was hindert uns nun, fragt eine
unvergleichliche Naivetät, in einem Gesetz festzustellen, daß für die Erlangung
von Commnnalämtern das Bekenntniß der christlichen Religion eine unerläßliche
Bedingung ist? Wendet man bescheiden ein, daß eben dieses durch Art. 4Ä, der
von der Art und Weise handelt, wie die Anhänger der verschiedenen religiösen
Bekenntnisse in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht gestellt werden sollen,
ausdrücklich verboten ist, so wird man durch die dreiste Behauptung niedergeschmettert,
daß das Recht, zu Communalämteru gelangen zu dürfen, weder ein bürgerliches,
noch ein staatsbürgerliches ist. Apollo und alle Musen! Das nenne ich eine
Beweisführung! Alle Welt hat bisher unter staatsbürgerlichen Rechten das Recht,
zu Staats- und Cvmmunalämtern zu gelangen, in die Vertretung des Volks und
der Communen gewählt zu werden u. Dgl. verstanden; jetzt sagen die Männer
der Autorität, daß das ein kläglicher Irrthum war; orxo war es ein Irrthum.
Ich mochte nur wissen, ob es irgend eine Behauptung giebt, die durch solche
Beweisführung nicht bewiesen werden könnte.

Die Juden werden also verfassungsmäßig fortfahren, sich des Genusses der
staatsbürgerlichen Rechte zu erfreuen, und eben so verfassungsmäßig alles dessen
beraubt sein, was der beschränkte Unterthanenverstand bisher unter staatsbürger¬
lichen Rechten verstanden hat. Noch interessanter ist es, wie die Nützlichkeit oder
Nothwendigkeit des Ausschlusses der Juden von Commnnalämtern motivirt wurde.
"Es herrscht auf dem Lande," sagt der Minister des Innern, "eine entschiedene
Abneigung gegen die geschäftliche Richtung des jüdischen Stammes; und wir
tragen der Wahrheit dann Rechnung, wenn wir die Gesetze so schreiben, wie
sie im Volke leben." Diese zarte Rücksichtnahme nicht blos ans die Meinungen,
sondern sogar aus ungerechte und verletzende Vorurtheile des Volks, -- rührt sie
nicht Ihr verhärtetes Herz? und besonders im Munde einer Regierung, deren
Schwäche es nie war, ans die allgemeine Meinung Rücksicht zu nehmen? einer
Regierung, die eine instinctive Abneigung gegen die öffentliche Stimme fühlte?
die selbst da, wo sie auf dem richtigen Wege war, durch die allgemeine Zustim¬
mung an sich irre wurde, weil sie in jeder übereinstimmenden Kundgebung der
Volksmeinung Revolution witterte? Wir würden diese wunderbare Bekehrung
ruhig und lächelnd zu den übrigen Zeichen und Wundern schreiben, die heut zu


abhängig gemacht wird, nicht einen flagranten Widerspruch mit dem angeführten
Grundsatz der Verfassung erkennen sollte. Allein unserer Rechten sind dergleichen
Dinge leicht möglich, und der Herr Münster hat in seiner Deduction, daß die
Ausschließung der Juden von Commnnalämtern, mit der Verfassung in Einklang
stehe, so Ausgezeichnetes geleistet, daß wir es der Bewunderung der Leser Ihres
Blattes nicht vorenthalten mögen. Art. i der Verf. lautet: „Alle Preußen sind
vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen
Aemter sind, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen,
für alle dazu Befähigten gleich zugänglich." Was hindert uns nun, fragt eine
unvergleichliche Naivetät, in einem Gesetz festzustellen, daß für die Erlangung
von Commnnalämtern das Bekenntniß der christlichen Religion eine unerläßliche
Bedingung ist? Wendet man bescheiden ein, daß eben dieses durch Art. 4Ä, der
von der Art und Weise handelt, wie die Anhänger der verschiedenen religiösen
Bekenntnisse in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht gestellt werden sollen,
ausdrücklich verboten ist, so wird man durch die dreiste Behauptung niedergeschmettert,
daß das Recht, zu Communalämteru gelangen zu dürfen, weder ein bürgerliches,
noch ein staatsbürgerliches ist. Apollo und alle Musen! Das nenne ich eine
Beweisführung! Alle Welt hat bisher unter staatsbürgerlichen Rechten das Recht,
zu Staats- und Cvmmunalämtern zu gelangen, in die Vertretung des Volks und
der Communen gewählt zu werden u. Dgl. verstanden; jetzt sagen die Männer
der Autorität, daß das ein kläglicher Irrthum war; orxo war es ein Irrthum.
Ich mochte nur wissen, ob es irgend eine Behauptung giebt, die durch solche
Beweisführung nicht bewiesen werden könnte.

Die Juden werden also verfassungsmäßig fortfahren, sich des Genusses der
staatsbürgerlichen Rechte zu erfreuen, und eben so verfassungsmäßig alles dessen
beraubt sein, was der beschränkte Unterthanenverstand bisher unter staatsbürger¬
lichen Rechten verstanden hat. Noch interessanter ist es, wie die Nützlichkeit oder
Nothwendigkeit des Ausschlusses der Juden von Commnnalämtern motivirt wurde.
„Es herrscht auf dem Lande," sagt der Minister des Innern, „eine entschiedene
Abneigung gegen die geschäftliche Richtung des jüdischen Stammes; und wir
tragen der Wahrheit dann Rechnung, wenn wir die Gesetze so schreiben, wie
sie im Volke leben." Diese zarte Rücksichtnahme nicht blos ans die Meinungen,
sondern sogar aus ungerechte und verletzende Vorurtheile des Volks, — rührt sie
nicht Ihr verhärtetes Herz? und besonders im Munde einer Regierung, deren
Schwäche es nie war, ans die allgemeine Meinung Rücksicht zu nehmen? einer
Regierung, die eine instinctive Abneigung gegen die öffentliche Stimme fühlte?
die selbst da, wo sie auf dem richtigen Wege war, durch die allgemeine Zustim¬
mung an sich irre wurde, weil sie in jeder übereinstimmenden Kundgebung der
Volksmeinung Revolution witterte? Wir würden diese wunderbare Bekehrung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/476>, abgerufen am 29.12.2024.