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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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desjenigen zu erhalten, dessen Schuld der Spion aufgedeckt hat, zu nöthigen, ihr
diesen übrigens nicht für entehrend gehaltenen Dienst zu leisten. Die unter dem
Statthalter von Nangasaki stehenden Spione sind berechtigt, zu jeder Stunde
des Tages und der Nacht Zutritt bei ihm zu verlangen, und wehe ihm, wenn
er sie nicht ans der Stelle vorlaßt, und dadurch sich der Gefahr aussetzt, daß
ihre Berichte ohne seine Vermittlung direct nach Jeddo gelangen. Aber außer
diesen offiziell angestellten Spionen giebt es noch heimliche, welche über den Statt¬
halter selbst Aufsicht führen, ohne daß er es weiß, und in "Meylan, Skizzen der
Sitten und Gebräuche der Japanesen" ist eine Anekdote mitgetheilt, welche eine
treffliche Illustration dieser Einrichtung abgiebt. "Der Hof in Jeddo hatte Klagen
über den Statthalter von MvtSmai vernommen, und er ergriff sofort seine Ma߬
regeln, hinter die Wahrheit zu kommen. Bald darauf erfuhr man, daß der Statt¬
halter abgesetzt sei, aber zum nicht geringen Erstannen der Stadt Matsmai erkannte
man in seinem Nachfolger einen Tabaksschneider, der vor einigen Monaten aus
dem Laden seines Herrn verschwunden war. Der Tabakschncider war ein vor¬
nehmer Adliger gewesen, der in dieser Verkleidung die ihm vom Staatsrath über¬
tragene Rolle eines Spions in Matsmai durchgeführt hatte." Man denke sich
einmal, Herr von K... N . . . müßte eine kleine Tabaksbandluug in Koblenz über
nehmen -- wenn es in Köln wäre, würden wir Raveaux's verwaistes Cigarrengeschäst
empfehlen -- um Stoff zur Anklage gegen seinen Borgänger zu sammeln, und
ans Herrn von Manteuffel's Gehör verwandelte sich, nachdem er sich von der
Schuld des Vorgängers überzeugt, der bescheidene Cigarreuhändler in den Ober¬
präsidenten der Rheinprovinz, dessen Stelle dnrch den Selbstmord des Herrn von
C...... erledigt wäre, dem alten Herkommen gemäß nichts übrig bliebe, als
sich, umgeben von seiner gestimmten Familie "ut seiner Dienerschaft, den Bauch
aufzuschneiden. Das ist ein Bild aus dem japanesischen Staatolcbeu.

Die städtische Verwaltung, Polizei n. s. w., steht unter einem zum Theil
erblichen Stadtrath, der eine große Anzahl Gasseumeister und Polizeidiener, Otto-
nas und Kasseros, beauftragt die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu erhalten,
unter sich hat. Die Aufsicht wird thuen sehr dnrch die Sitte erleichtert, jede
Straße zu einer bestimmten Abendstunde mit einem Thor zu verschließen, und
ohne besondere Erlaubniß Niemand den Durchgang zu gestatten.

Das japanische Pvlizcisystem hat das ganze Land mit einem Netz von Be-
obachtungsposten überzogen. Jede Stadt und jedes Dorf ist in Gruppen von
fünf Häusern abgetheilt, deren Häupter für einander verantwortlich sind; jedes
ist verpflichtet, dem Kassero jedes, bei einem seiner Nachbarn vorkommende
Vergehn, und selbst jeden ungewöhnlichen Vorfall anzuzeigen, und die Anzeige
wird von dem Kassero vermittelst des Ottvna an den Gemeinderath befördert, so
daß man wohl sagen kaun, daß jede Hälste der Nation die andere beständig
als Spion überwacht. Sogar für das, was auf der Straße vor ihren Häusern


desjenigen zu erhalten, dessen Schuld der Spion aufgedeckt hat, zu nöthigen, ihr
diesen übrigens nicht für entehrend gehaltenen Dienst zu leisten. Die unter dem
Statthalter von Nangasaki stehenden Spione sind berechtigt, zu jeder Stunde
des Tages und der Nacht Zutritt bei ihm zu verlangen, und wehe ihm, wenn
er sie nicht ans der Stelle vorlaßt, und dadurch sich der Gefahr aussetzt, daß
ihre Berichte ohne seine Vermittlung direct nach Jeddo gelangen. Aber außer
diesen offiziell angestellten Spionen giebt es noch heimliche, welche über den Statt¬
halter selbst Aufsicht führen, ohne daß er es weiß, und in „Meylan, Skizzen der
Sitten und Gebräuche der Japanesen" ist eine Anekdote mitgetheilt, welche eine
treffliche Illustration dieser Einrichtung abgiebt. „Der Hof in Jeddo hatte Klagen
über den Statthalter von MvtSmai vernommen, und er ergriff sofort seine Ma߬
regeln, hinter die Wahrheit zu kommen. Bald darauf erfuhr man, daß der Statt¬
halter abgesetzt sei, aber zum nicht geringen Erstannen der Stadt Matsmai erkannte
man in seinem Nachfolger einen Tabaksschneider, der vor einigen Monaten aus
dem Laden seines Herrn verschwunden war. Der Tabakschncider war ein vor¬
nehmer Adliger gewesen, der in dieser Verkleidung die ihm vom Staatsrath über¬
tragene Rolle eines Spions in Matsmai durchgeführt hatte." Man denke sich
einmal, Herr von K... N . . . müßte eine kleine Tabaksbandluug in Koblenz über
nehmen — wenn es in Köln wäre, würden wir Raveaux's verwaistes Cigarrengeschäst
empfehlen — um Stoff zur Anklage gegen seinen Borgänger zu sammeln, und
ans Herrn von Manteuffel's Gehör verwandelte sich, nachdem er sich von der
Schuld des Vorgängers überzeugt, der bescheidene Cigarreuhändler in den Ober¬
präsidenten der Rheinprovinz, dessen Stelle dnrch den Selbstmord des Herrn von
C...... erledigt wäre, dem alten Herkommen gemäß nichts übrig bliebe, als
sich, umgeben von seiner gestimmten Familie »ut seiner Dienerschaft, den Bauch
aufzuschneiden. Das ist ein Bild aus dem japanesischen Staatolcbeu.

Die städtische Verwaltung, Polizei n. s. w., steht unter einem zum Theil
erblichen Stadtrath, der eine große Anzahl Gasseumeister und Polizeidiener, Otto-
nas und Kasseros, beauftragt die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu erhalten,
unter sich hat. Die Aufsicht wird thuen sehr dnrch die Sitte erleichtert, jede
Straße zu einer bestimmten Abendstunde mit einem Thor zu verschließen, und
ohne besondere Erlaubniß Niemand den Durchgang zu gestatten.

Das japanische Pvlizcisystem hat das ganze Land mit einem Netz von Be-
obachtungsposten überzogen. Jede Stadt und jedes Dorf ist in Gruppen von
fünf Häusern abgetheilt, deren Häupter für einander verantwortlich sind; jedes
ist verpflichtet, dem Kassero jedes, bei einem seiner Nachbarn vorkommende
Vergehn, und selbst jeden ungewöhnlichen Vorfall anzuzeigen, und die Anzeige
wird von dem Kassero vermittelst des Ottvna an den Gemeinderath befördert, so
daß man wohl sagen kaun, daß jede Hälste der Nation die andere beständig
als Spion überwacht. Sogar für das, was auf der Straße vor ihren Häusern


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[0461] desjenigen zu erhalten, dessen Schuld der Spion aufgedeckt hat, zu nöthigen, ihr diesen übrigens nicht für entehrend gehaltenen Dienst zu leisten. Die unter dem Statthalter von Nangasaki stehenden Spione sind berechtigt, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht Zutritt bei ihm zu verlangen, und wehe ihm, wenn er sie nicht ans der Stelle vorlaßt, und dadurch sich der Gefahr aussetzt, daß ihre Berichte ohne seine Vermittlung direct nach Jeddo gelangen. Aber außer diesen offiziell angestellten Spionen giebt es noch heimliche, welche über den Statt¬ halter selbst Aufsicht führen, ohne daß er es weiß, und in „Meylan, Skizzen der Sitten und Gebräuche der Japanesen" ist eine Anekdote mitgetheilt, welche eine treffliche Illustration dieser Einrichtung abgiebt. „Der Hof in Jeddo hatte Klagen über den Statthalter von MvtSmai vernommen, und er ergriff sofort seine Ma߬ regeln, hinter die Wahrheit zu kommen. Bald darauf erfuhr man, daß der Statt¬ halter abgesetzt sei, aber zum nicht geringen Erstannen der Stadt Matsmai erkannte man in seinem Nachfolger einen Tabaksschneider, der vor einigen Monaten aus dem Laden seines Herrn verschwunden war. Der Tabakschncider war ein vor¬ nehmer Adliger gewesen, der in dieser Verkleidung die ihm vom Staatsrath über¬ tragene Rolle eines Spions in Matsmai durchgeführt hatte." Man denke sich einmal, Herr von K... N . . . müßte eine kleine Tabaksbandluug in Koblenz über nehmen — wenn es in Köln wäre, würden wir Raveaux's verwaistes Cigarrengeschäst empfehlen — um Stoff zur Anklage gegen seinen Borgänger zu sammeln, und ans Herrn von Manteuffel's Gehör verwandelte sich, nachdem er sich von der Schuld des Vorgängers überzeugt, der bescheidene Cigarreuhändler in den Ober¬ präsidenten der Rheinprovinz, dessen Stelle dnrch den Selbstmord des Herrn von C...... erledigt wäre, dem alten Herkommen gemäß nichts übrig bliebe, als sich, umgeben von seiner gestimmten Familie »ut seiner Dienerschaft, den Bauch aufzuschneiden. Das ist ein Bild aus dem japanesischen Staatolcbeu. Die städtische Verwaltung, Polizei n. s. w., steht unter einem zum Theil erblichen Stadtrath, der eine große Anzahl Gasseumeister und Polizeidiener, Otto- nas und Kasseros, beauftragt die Ruhe und Ordnung in der Stadt zu erhalten, unter sich hat. Die Aufsicht wird thuen sehr dnrch die Sitte erleichtert, jede Straße zu einer bestimmten Abendstunde mit einem Thor zu verschließen, und ohne besondere Erlaubniß Niemand den Durchgang zu gestatten. Das japanische Pvlizcisystem hat das ganze Land mit einem Netz von Be- obachtungsposten überzogen. Jede Stadt und jedes Dorf ist in Gruppen von fünf Häusern abgetheilt, deren Häupter für einander verantwortlich sind; jedes ist verpflichtet, dem Kassero jedes, bei einem seiner Nachbarn vorkommende Vergehn, und selbst jeden ungewöhnlichen Vorfall anzuzeigen, und die Anzeige wird von dem Kassero vermittelst des Ottvna an den Gemeinderath befördert, so daß man wohl sagen kaun, daß jede Hälste der Nation die andere beständig als Spion überwacht. Sogar für das, was auf der Straße vor ihren Häusern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/461>, abgerufen am 29.12.2024.