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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Entweder ein Jahr "in das andere, oder die eine Hälfte jeden Jahres sind
die Fürsten gezwungen, in Jeddo zu verleben, und blos bei dieser Gelegenheit
sehen sie ihre Familien, welche beständig in der Hauptstadt als Geißel zurück¬
bleiben. So lange die Fürsten in ihrem eigenen Gebiete, getrennt von ihren
Familien, verweilen, ist ihnen jeder Verkehr mit dein andern Geschlechte auf das
Strengste untersagt. Das Hofceremoniell, welches ihre Zeit ebenso vollständig
ausfüllt, wie die des Sjoguuö, ist ihnen von Jeddo vorgeschrieben. Sie dürfen
nnr zu festbestimmten Zeiten und in einer auf das Strengste vorgeschriebenen
Form außerhalb ihres Palastes erscheinen; ja, sogar die Stunde des Aufstehens
und des Schlafengehens ist von dem Staatsrath unverrückbar festgestellt. Daß
keine Verletzung dieser unleidlichen Beschränkungen dem Ange der Spione und
durch diese dem Staatsrath verborgen bleibt, weiß jeder Fürst recht gut; aber
einige Fürsten scheinen doch mächtig genug zu sein, sich von dieser heimlichen
Aufsicht verhältnißmäßig frei zu erhalten; und von dem Fürstenthum Satznma
wird erzählt, daß wenn sich auch manchmal als seltene Ausnahme ein Spion
hineinwagt, gewiß keiner lebendig wieder herauskommt, und daß die Regierung
von Jeddo, die ihre ungeschickten Diener nicht anerkennt, weder nach ihnen fragt,
noch ihr Schicksal rächt.

Die argwöhnische Centralregiernng begnügt sich aber noch nicht, ihre Lehns¬
fürsten mit einem auf das Vollständigste ausgebildeten Spionirsystem zu umgeben,
und sich ihrer Treue durch Geißeln zu versichern. Um jede Verschwörung gegen
den Sjvgun unmöglich zu machen, dürfen benachbarte Fürsten nie zu gleicher
Zeit in ihrem Territorium residiren, anßer wenn sie notorisch einander Feind sind,
in welchem Falle der Staatsrath Sorge trägt, ihre Feindschaft stets durch neuen
Stoff zu Streitigkeiten zu nähren. Der vorzugsweise eingeschlagene Weg, sie in
Gehorsam zu erhalten, ist jedoch, sie dnrch Armuth abhängig zu machen, und um
dieses zu bewerkstelligen, werden mancherlei Mittel angewendet.

Fast die ganze Heeresmacht des Reiches müssen die Fürsten erhalten; nicht
nur für ihr eigenes Gebiet müssen sie, im Verhältniß zur Große desselben, Trup¬
pen stellen und bezahlen, sondern auch für die kaiserlichen Provinzen, deren Ver¬
waltung direct der Staatsrath von Jeddo besorgt. So haben in Nangasaki,
das seit den letzten zwei Jahrhunderten das Monopol des auswärtigen Handels
genossen hat, (dessen Ertrag ganz allein zum Unterhalt des SjogunS, des Staats¬
raths, der Gouverneure und der Unterbeamten verwendet, und welches aus diesem
Grunde von einem Fürstenthum abgetrennt, und in eine kaiserliche Stadt ver¬
wandelt worden ist) die Bewachung der Bai die beiden benachbarten Fürsten
von Fizen und von Tsitnzeu ganz allein zu besorgen. Der zwcihuudertjährige
Friede, dessen sich Japan seit der Einführung des Absperrungsystems erfreut, hat
natürlich die Nothwendigkeit, Truppen zu halten, sehr vermindert, aber weder die
Fürsten, noch die Unterthanen ziehen Gewinn von den dadurch ermöglichten Er-


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Entweder ein Jahr »in das andere, oder die eine Hälfte jeden Jahres sind
die Fürsten gezwungen, in Jeddo zu verleben, und blos bei dieser Gelegenheit
sehen sie ihre Familien, welche beständig in der Hauptstadt als Geißel zurück¬
bleiben. So lange die Fürsten in ihrem eigenen Gebiete, getrennt von ihren
Familien, verweilen, ist ihnen jeder Verkehr mit dein andern Geschlechte auf das
Strengste untersagt. Das Hofceremoniell, welches ihre Zeit ebenso vollständig
ausfüllt, wie die des Sjoguuö, ist ihnen von Jeddo vorgeschrieben. Sie dürfen
nnr zu festbestimmten Zeiten und in einer auf das Strengste vorgeschriebenen
Form außerhalb ihres Palastes erscheinen; ja, sogar die Stunde des Aufstehens
und des Schlafengehens ist von dem Staatsrath unverrückbar festgestellt. Daß
keine Verletzung dieser unleidlichen Beschränkungen dem Ange der Spione und
durch diese dem Staatsrath verborgen bleibt, weiß jeder Fürst recht gut; aber
einige Fürsten scheinen doch mächtig genug zu sein, sich von dieser heimlichen
Aufsicht verhältnißmäßig frei zu erhalten; und von dem Fürstenthum Satznma
wird erzählt, daß wenn sich auch manchmal als seltene Ausnahme ein Spion
hineinwagt, gewiß keiner lebendig wieder herauskommt, und daß die Regierung
von Jeddo, die ihre ungeschickten Diener nicht anerkennt, weder nach ihnen fragt,
noch ihr Schicksal rächt.

Die argwöhnische Centralregiernng begnügt sich aber noch nicht, ihre Lehns¬
fürsten mit einem auf das Vollständigste ausgebildeten Spionirsystem zu umgeben,
und sich ihrer Treue durch Geißeln zu versichern. Um jede Verschwörung gegen
den Sjvgun unmöglich zu machen, dürfen benachbarte Fürsten nie zu gleicher
Zeit in ihrem Territorium residiren, anßer wenn sie notorisch einander Feind sind,
in welchem Falle der Staatsrath Sorge trägt, ihre Feindschaft stets durch neuen
Stoff zu Streitigkeiten zu nähren. Der vorzugsweise eingeschlagene Weg, sie in
Gehorsam zu erhalten, ist jedoch, sie dnrch Armuth abhängig zu machen, und um
dieses zu bewerkstelligen, werden mancherlei Mittel angewendet.

Fast die ganze Heeresmacht des Reiches müssen die Fürsten erhalten; nicht
nur für ihr eigenes Gebiet müssen sie, im Verhältniß zur Große desselben, Trup¬
pen stellen und bezahlen, sondern auch für die kaiserlichen Provinzen, deren Ver¬
waltung direct der Staatsrath von Jeddo besorgt. So haben in Nangasaki,
das seit den letzten zwei Jahrhunderten das Monopol des auswärtigen Handels
genossen hat, (dessen Ertrag ganz allein zum Unterhalt des SjogunS, des Staats¬
raths, der Gouverneure und der Unterbeamten verwendet, und welches aus diesem
Grunde von einem Fürstenthum abgetrennt, und in eine kaiserliche Stadt ver¬
wandelt worden ist) die Bewachung der Bai die beiden benachbarten Fürsten
von Fizen und von Tsitnzeu ganz allein zu besorgen. Der zwcihuudertjährige
Friede, dessen sich Japan seit der Einführung des Absperrungsystems erfreut, hat
natürlich die Nothwendigkeit, Truppen zu halten, sehr vermindert, aber weder die
Fürsten, noch die Unterthanen ziehen Gewinn von den dadurch ermöglichten Er-


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[0459] Entweder ein Jahr »in das andere, oder die eine Hälfte jeden Jahres sind die Fürsten gezwungen, in Jeddo zu verleben, und blos bei dieser Gelegenheit sehen sie ihre Familien, welche beständig in der Hauptstadt als Geißel zurück¬ bleiben. So lange die Fürsten in ihrem eigenen Gebiete, getrennt von ihren Familien, verweilen, ist ihnen jeder Verkehr mit dein andern Geschlechte auf das Strengste untersagt. Das Hofceremoniell, welches ihre Zeit ebenso vollständig ausfüllt, wie die des Sjoguuö, ist ihnen von Jeddo vorgeschrieben. Sie dürfen nnr zu festbestimmten Zeiten und in einer auf das Strengste vorgeschriebenen Form außerhalb ihres Palastes erscheinen; ja, sogar die Stunde des Aufstehens und des Schlafengehens ist von dem Staatsrath unverrückbar festgestellt. Daß keine Verletzung dieser unleidlichen Beschränkungen dem Ange der Spione und durch diese dem Staatsrath verborgen bleibt, weiß jeder Fürst recht gut; aber einige Fürsten scheinen doch mächtig genug zu sein, sich von dieser heimlichen Aufsicht verhältnißmäßig frei zu erhalten; und von dem Fürstenthum Satznma wird erzählt, daß wenn sich auch manchmal als seltene Ausnahme ein Spion hineinwagt, gewiß keiner lebendig wieder herauskommt, und daß die Regierung von Jeddo, die ihre ungeschickten Diener nicht anerkennt, weder nach ihnen fragt, noch ihr Schicksal rächt. Die argwöhnische Centralregiernng begnügt sich aber noch nicht, ihre Lehns¬ fürsten mit einem auf das Vollständigste ausgebildeten Spionirsystem zu umgeben, und sich ihrer Treue durch Geißeln zu versichern. Um jede Verschwörung gegen den Sjvgun unmöglich zu machen, dürfen benachbarte Fürsten nie zu gleicher Zeit in ihrem Territorium residiren, anßer wenn sie notorisch einander Feind sind, in welchem Falle der Staatsrath Sorge trägt, ihre Feindschaft stets durch neuen Stoff zu Streitigkeiten zu nähren. Der vorzugsweise eingeschlagene Weg, sie in Gehorsam zu erhalten, ist jedoch, sie dnrch Armuth abhängig zu machen, und um dieses zu bewerkstelligen, werden mancherlei Mittel angewendet. Fast die ganze Heeresmacht des Reiches müssen die Fürsten erhalten; nicht nur für ihr eigenes Gebiet müssen sie, im Verhältniß zur Große desselben, Trup¬ pen stellen und bezahlen, sondern auch für die kaiserlichen Provinzen, deren Ver¬ waltung direct der Staatsrath von Jeddo besorgt. So haben in Nangasaki, das seit den letzten zwei Jahrhunderten das Monopol des auswärtigen Handels genossen hat, (dessen Ertrag ganz allein zum Unterhalt des SjogunS, des Staats¬ raths, der Gouverneure und der Unterbeamten verwendet, und welches aus diesem Grunde von einem Fürstenthum abgetrennt, und in eine kaiserliche Stadt ver¬ wandelt worden ist) die Bewachung der Bai die beiden benachbarten Fürsten von Fizen und von Tsitnzeu ganz allein zu besorgen. Der zwcihuudertjährige Friede, dessen sich Japan seit der Einführung des Absperrungsystems erfreut, hat natürlich die Nothwendigkeit, Truppen zu halten, sehr vermindert, aber weder die Fürsten, noch die Unterthanen ziehen Gewinn von den dadurch ermöglichten Er- 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/459>, abgerufen am 29.12.2024.