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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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waldigen Angelegenheiten, wie eS scheint eine Art Polizeiminister ganz der Natur
der Beziehungen der Japanesen zum Anstand angemessen. Die Räthe beider
Klassen werden in der Regel ans den Familien derjenigen Fürsten und Adeligen
gewählt, die sich in dem die Begründung der gegenwärtige" Dynastie der Sjo-
gnns begleitenden Bürgerkriege als Anhänger derselben ausgezeichnet haben. Den
Vorsitz führt ein Rath erster Klasse, der stets ein Nachkomme Imo-Kanon-no-
Kami ist, eines Ministers, welcher den Nachkommen des ersten Usurpators einen
ausgezeichneten Dienst geleistet hat. Dieser Vorsitzende des Staatsrathes führt
den Titel Reichsstatthalter, und scheint eine ähnliche, oder eher noch größere
Macht zu besitzen wie ein orientalischer Wessir. Alle anderen Staatsräthe und
jedes andere Departement der Verwaltung stehen unter ihm; ohne seine Mitmir--
fung kann nichts unternommen werden; und nach Einigen soll er für sich allein
auch die Macht besitzen, einen schlecht regierenden Sjognn ab und einen andern,
den gesetzlichen Erben natürlich, an dessen Stelle zu setzen; dies scheint uns
jedoch eine falsche Auffassung eines Verhältnisses zu sein, dies wir Sammlern von
staatsrechtlichen Curiositäten als eine ganz eigenthümliche Ausbildung des könig¬
lichen Veto's und der Ministcrverantwortlichkeit empfehlen können.

Der Staatsrath verrichtet alle Regierungsgeschäfte, entscheidet über jede
Maßregel, bestätigt oder cassirt jedes von einem kaiserlichen Statthalter ausge¬
sprochene Todesurtheil, ernennt zu allen wirklichen Regiernngsämtern, correspon-
dirt mit den Localbehörden, und muß bei jedem außerordentlichen Vorfalle, auf
den die bestehenden Gesetze oder das Herkomme" sich nicht anwenden lassen, zu
Rathe gezogen werden und seine Willensmeinung aussprechen, bevor selbst die
höchsten Localbeamten nur einen Schritt darin thun können. Jeder Rath hat sein
eigenes Departement, für das er in der Regel allein verantwortlich ist, aber bei
allen wichtigen Maßregeln hat der gesammte Staatsrath zu entscheiden. Sämmt¬
liche Beschlüsse werden dem Sjognn zur Sanction vorgelegt, die er in der Regel
ertheilt, ohne sich um die Bedeutung des Beschlusses zu bekümmern. Dennoch
besitzt er das Neckt, ein Veto einzulegen, nud sür diesen bei der gänzlichen poli¬
tischen Bedeutungslosigkeit des Herrn sehr selten vorkommenden Fall hat das Gesetz ge¬
naue Vorkehrung getroffen. Das Veto ist nickt absolut, el" Zeichen, daß der Sjognn
nicht als despotischer Herrscher betrachtet werde" darf, souocr" die beanstandete
Maßregel wird einem Schiedsgericht von drei Prinzen von Geblüt, unter denen
sich stets der Thronerbe befindet, wenn er mündig ist, vorgelegt. Fällt die Ent¬
scheidung dieses Familicnratties gegen den Sjognn ans, so bat er keine andere
Wahl als sofort abzudanken; fällt die Entscheidung gegen den Staatsrath, so
sind die Folgen weit tragischer; dem Präsidenten bleibt nichts übrig, als zu dem
gewöhnlichen Mittel unterliegender japanesischer Staatsmänner zu greifen, und sich
den Bauch aufzuschneiden, und seine untergeordneten Kollegen klenn am Allerbesten,
seinem Beispiel zu folgen. Bedenkt man, daß außer dieser beständig über den


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waldigen Angelegenheiten, wie eS scheint eine Art Polizeiminister ganz der Natur
der Beziehungen der Japanesen zum Anstand angemessen. Die Räthe beider
Klassen werden in der Regel ans den Familien derjenigen Fürsten und Adeligen
gewählt, die sich in dem die Begründung der gegenwärtige» Dynastie der Sjo-
gnns begleitenden Bürgerkriege als Anhänger derselben ausgezeichnet haben. Den
Vorsitz führt ein Rath erster Klasse, der stets ein Nachkomme Imo-Kanon-no-
Kami ist, eines Ministers, welcher den Nachkommen des ersten Usurpators einen
ausgezeichneten Dienst geleistet hat. Dieser Vorsitzende des Staatsrathes führt
den Titel Reichsstatthalter, und scheint eine ähnliche, oder eher noch größere
Macht zu besitzen wie ein orientalischer Wessir. Alle anderen Staatsräthe und
jedes andere Departement der Verwaltung stehen unter ihm; ohne seine Mitmir--
fung kann nichts unternommen werden; und nach Einigen soll er für sich allein
auch die Macht besitzen, einen schlecht regierenden Sjognn ab und einen andern,
den gesetzlichen Erben natürlich, an dessen Stelle zu setzen; dies scheint uns
jedoch eine falsche Auffassung eines Verhältnisses zu sein, dies wir Sammlern von
staatsrechtlichen Curiositäten als eine ganz eigenthümliche Ausbildung des könig¬
lichen Veto's und der Ministcrverantwortlichkeit empfehlen können.

Der Staatsrath verrichtet alle Regierungsgeschäfte, entscheidet über jede
Maßregel, bestätigt oder cassirt jedes von einem kaiserlichen Statthalter ausge¬
sprochene Todesurtheil, ernennt zu allen wirklichen Regiernngsämtern, correspon-
dirt mit den Localbehörden, und muß bei jedem außerordentlichen Vorfalle, auf
den die bestehenden Gesetze oder das Herkomme» sich nicht anwenden lassen, zu
Rathe gezogen werden und seine Willensmeinung aussprechen, bevor selbst die
höchsten Localbeamten nur einen Schritt darin thun können. Jeder Rath hat sein
eigenes Departement, für das er in der Regel allein verantwortlich ist, aber bei
allen wichtigen Maßregeln hat der gesammte Staatsrath zu entscheiden. Sämmt¬
liche Beschlüsse werden dem Sjognn zur Sanction vorgelegt, die er in der Regel
ertheilt, ohne sich um die Bedeutung des Beschlusses zu bekümmern. Dennoch
besitzt er das Neckt, ein Veto einzulegen, nud sür diesen bei der gänzlichen poli¬
tischen Bedeutungslosigkeit des Herrn sehr selten vorkommenden Fall hat das Gesetz ge¬
naue Vorkehrung getroffen. Das Veto ist nickt absolut, el» Zeichen, daß der Sjognn
nicht als despotischer Herrscher betrachtet werde» darf, souocr» die beanstandete
Maßregel wird einem Schiedsgericht von drei Prinzen von Geblüt, unter denen
sich stets der Thronerbe befindet, wenn er mündig ist, vorgelegt. Fällt die Ent¬
scheidung dieses Familicnratties gegen den Sjognn ans, so bat er keine andere
Wahl als sofort abzudanken; fällt die Entscheidung gegen den Staatsrath, so
sind die Folgen weit tragischer; dem Präsidenten bleibt nichts übrig, als zu dem
gewöhnlichen Mittel unterliegender japanesischer Staatsmänner zu greifen, und sich
den Bauch aufzuschneiden, und seine untergeordneten Kollegen klenn am Allerbesten,
seinem Beispiel zu folgen. Bedenkt man, daß außer dieser beständig über den


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[0457] waldigen Angelegenheiten, wie eS scheint eine Art Polizeiminister ganz der Natur der Beziehungen der Japanesen zum Anstand angemessen. Die Räthe beider Klassen werden in der Regel ans den Familien derjenigen Fürsten und Adeligen gewählt, die sich in dem die Begründung der gegenwärtige» Dynastie der Sjo- gnns begleitenden Bürgerkriege als Anhänger derselben ausgezeichnet haben. Den Vorsitz führt ein Rath erster Klasse, der stets ein Nachkomme Imo-Kanon-no- Kami ist, eines Ministers, welcher den Nachkommen des ersten Usurpators einen ausgezeichneten Dienst geleistet hat. Dieser Vorsitzende des Staatsrathes führt den Titel Reichsstatthalter, und scheint eine ähnliche, oder eher noch größere Macht zu besitzen wie ein orientalischer Wessir. Alle anderen Staatsräthe und jedes andere Departement der Verwaltung stehen unter ihm; ohne seine Mitmir-- fung kann nichts unternommen werden; und nach Einigen soll er für sich allein auch die Macht besitzen, einen schlecht regierenden Sjognn ab und einen andern, den gesetzlichen Erben natürlich, an dessen Stelle zu setzen; dies scheint uns jedoch eine falsche Auffassung eines Verhältnisses zu sein, dies wir Sammlern von staatsrechtlichen Curiositäten als eine ganz eigenthümliche Ausbildung des könig¬ lichen Veto's und der Ministcrverantwortlichkeit empfehlen können. Der Staatsrath verrichtet alle Regierungsgeschäfte, entscheidet über jede Maßregel, bestätigt oder cassirt jedes von einem kaiserlichen Statthalter ausge¬ sprochene Todesurtheil, ernennt zu allen wirklichen Regiernngsämtern, correspon- dirt mit den Localbehörden, und muß bei jedem außerordentlichen Vorfalle, auf den die bestehenden Gesetze oder das Herkomme» sich nicht anwenden lassen, zu Rathe gezogen werden und seine Willensmeinung aussprechen, bevor selbst die höchsten Localbeamten nur einen Schritt darin thun können. Jeder Rath hat sein eigenes Departement, für das er in der Regel allein verantwortlich ist, aber bei allen wichtigen Maßregeln hat der gesammte Staatsrath zu entscheiden. Sämmt¬ liche Beschlüsse werden dem Sjognn zur Sanction vorgelegt, die er in der Regel ertheilt, ohne sich um die Bedeutung des Beschlusses zu bekümmern. Dennoch besitzt er das Neckt, ein Veto einzulegen, nud sür diesen bei der gänzlichen poli¬ tischen Bedeutungslosigkeit des Herrn sehr selten vorkommenden Fall hat das Gesetz ge¬ naue Vorkehrung getroffen. Das Veto ist nickt absolut, el» Zeichen, daß der Sjognn nicht als despotischer Herrscher betrachtet werde» darf, souocr» die beanstandete Maßregel wird einem Schiedsgericht von drei Prinzen von Geblüt, unter denen sich stets der Thronerbe befindet, wenn er mündig ist, vorgelegt. Fällt die Ent¬ scheidung dieses Familicnratties gegen den Sjognn ans, so bat er keine andere Wahl als sofort abzudanken; fällt die Entscheidung gegen den Staatsrath, so sind die Folgen weit tragischer; dem Präsidenten bleibt nichts übrig, als zu dem gewöhnlichen Mittel unterliegender japanesischer Staatsmänner zu greifen, und sich den Bauch aufzuschneiden, und seine untergeordneten Kollegen klenn am Allerbesten, seinem Beispiel zu folgen. Bedenkt man, daß außer dieser beständig über den Grenzboten. I, -I8L3. S7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/457>, abgerufen am 24.07.2024.