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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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anfschneidens übrig, das letzte Mittel aller in Ungnade gefallenen oder mit ent¬
ehrender Strafe bedrohten vornehmen Japanesen.

Der Sjognn, der den Mikado zum Schattenkaiser gemacht hat, ist aber anch
nicht mehr der allmächtige Feldherr, dem sein Degen die factische Ausübung der
Regierungsgewalt sichert, sondern er hat sich das durch die Kraft und Tüchtigkeit
seiner Vorgänger Eroberte allmählig wieder entschlüpfen lassen und ist gegenwärtig
wirklicher Macht fast eben so baar, dem profanen Auge des Publikums eben so
verborgen, und in ein eben so unentwirrbares Netz von Herkommen "ut Cere-
moniell verstrickt, wie sein nomineller Herr. Denn wir müssen hier bemerken,
daß den Japanese" heute noch der Mikado der einzige Kaiser ist, und daß ihnen
der Sjogun nicht als beigeordneter weltlicher Kaiser, wie man es in europäischen
Büchern ausgedrückt findet, sondern als formell untergeordneter Viceregent gilt.
Er hat auch dem Mikado jährlich Huldigung zu leiste", und zwar früher persön¬
lich, jetzt aber durch eine Deputation.

Der Sjogu" oder K"do (wie er manchmal gerann wird) restdirt in einem
geräumigen Palaste der größte" Stadt des Reiches, Jeddo. Nur äußerst selten
verläßt er den Umkreis desselben, den" außer den frühern jährlichen Reisen a"
den Hof in Miacv werden anch die dem Sjvgnn obliegenden religiösen Pilger¬
fahrten durch Deputationen verrichtet. Sich mit Regierungsgeschäfte" zu befassen,
ist seines Geistes unwürdig; und seine Zeit soll mit solcher Kunst besetzt sein, daß
er nicht einmal die nöthige Muse hat, sich mit den Reichsangelegenheiten zu be¬
schäftigen, selbst wenn die Neigung dazu vorhanden wäre.

Die Pflichten, welche das Hofceremo"leit dem Sjogun auferlegt, -- Beob¬
achtung der Etiquette, das Entgegennehmer von Huldigungen und Geschenke"
von denen, welche dazu verpflichtet sind, an gewissen, häusig wiederkehrenden Fest¬
tagen -- sind so vielfach, daß sie drei Personen vollauf beschäftige" köunten.
Eine Anzahl von Hofleuten, welche die beständige Umgebung des Sjognns bilden,
regelt diese wichtigen Ceremonie". Damit aber kein Gefühl von der Erniedri¬
gung in Folge der thatsächlichen Bedeutungslosigkeit dieser Srellung, keine Ahnung,
baß er gleich dem Mikado, uur der Schatte" eines Regenten sei, in der kaiser¬
liche" Brust auskomme, oder durch einen ehrgeizige" Günstling hi"el"gepflanzt
werde, wird der Sjogun und sein Hof beständig von den zahllosen Spionen deö
Staatsraths bewacht, in dessen Besitz sich gegenwärtig die wirkliche Executiv-
gcwalt befindet.

Nach Siebold besteht dieser Staatsrath aus 13 Personen, nämlich aus fünf
Räthen der erste" Klasse, die stets Fürsten sind, und ans acht Räthen zweiter
Klasse, die ans den Reihen des Adels gewählt werden. Noch einige andere
Minister findet man genannt, sie scheinen aber nicht mit im Staatsrath zu sitze",
nämlich die drei geistliche" Richter, allem Anschein nach ^aler, aber mit der Rege¬
lung aller religiösen Angelegenheiten betraut, und die zwei Commissancn der aus-


anfschneidens übrig, das letzte Mittel aller in Ungnade gefallenen oder mit ent¬
ehrender Strafe bedrohten vornehmen Japanesen.

Der Sjognn, der den Mikado zum Schattenkaiser gemacht hat, ist aber anch
nicht mehr der allmächtige Feldherr, dem sein Degen die factische Ausübung der
Regierungsgewalt sichert, sondern er hat sich das durch die Kraft und Tüchtigkeit
seiner Vorgänger Eroberte allmählig wieder entschlüpfen lassen und ist gegenwärtig
wirklicher Macht fast eben so baar, dem profanen Auge des Publikums eben so
verborgen, und in ein eben so unentwirrbares Netz von Herkommen »ut Cere-
moniell verstrickt, wie sein nomineller Herr. Denn wir müssen hier bemerken,
daß den Japanese» heute noch der Mikado der einzige Kaiser ist, und daß ihnen
der Sjogun nicht als beigeordneter weltlicher Kaiser, wie man es in europäischen
Büchern ausgedrückt findet, sondern als formell untergeordneter Viceregent gilt.
Er hat auch dem Mikado jährlich Huldigung zu leiste», und zwar früher persön¬
lich, jetzt aber durch eine Deputation.

Der Sjogu» oder K»do (wie er manchmal gerann wird) restdirt in einem
geräumigen Palaste der größte» Stadt des Reiches, Jeddo. Nur äußerst selten
verläßt er den Umkreis desselben, den» außer den frühern jährlichen Reisen a»
den Hof in Miacv werden anch die dem Sjvgnn obliegenden religiösen Pilger¬
fahrten durch Deputationen verrichtet. Sich mit Regierungsgeschäfte» zu befassen,
ist seines Geistes unwürdig; und seine Zeit soll mit solcher Kunst besetzt sein, daß
er nicht einmal die nöthige Muse hat, sich mit den Reichsangelegenheiten zu be¬
schäftigen, selbst wenn die Neigung dazu vorhanden wäre.

Die Pflichten, welche das Hofceremo»leit dem Sjogun auferlegt, — Beob¬
achtung der Etiquette, das Entgegennehmer von Huldigungen und Geschenke»
von denen, welche dazu verpflichtet sind, an gewissen, häusig wiederkehrenden Fest¬
tagen — sind so vielfach, daß sie drei Personen vollauf beschäftige» köunten.
Eine Anzahl von Hofleuten, welche die beständige Umgebung des Sjognns bilden,
regelt diese wichtigen Ceremonie». Damit aber kein Gefühl von der Erniedri¬
gung in Folge der thatsächlichen Bedeutungslosigkeit dieser Srellung, keine Ahnung,
baß er gleich dem Mikado, uur der Schatte» eines Regenten sei, in der kaiser¬
liche» Brust auskomme, oder durch einen ehrgeizige» Günstling hi»el»gepflanzt
werde, wird der Sjogun und sein Hof beständig von den zahllosen Spionen deö
Staatsraths bewacht, in dessen Besitz sich gegenwärtig die wirkliche Executiv-
gcwalt befindet.

Nach Siebold besteht dieser Staatsrath aus 13 Personen, nämlich aus fünf
Räthen der erste» Klasse, die stets Fürsten sind, und ans acht Räthen zweiter
Klasse, die ans den Reihen des Adels gewählt werden. Noch einige andere
Minister findet man genannt, sie scheinen aber nicht mit im Staatsrath zu sitze»,
nämlich die drei geistliche» Richter, allem Anschein nach ^aler, aber mit der Rege¬
lung aller religiösen Angelegenheiten betraut, und die zwei Commissancn der aus-


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[0456] anfschneidens übrig, das letzte Mittel aller in Ungnade gefallenen oder mit ent¬ ehrender Strafe bedrohten vornehmen Japanesen. Der Sjognn, der den Mikado zum Schattenkaiser gemacht hat, ist aber anch nicht mehr der allmächtige Feldherr, dem sein Degen die factische Ausübung der Regierungsgewalt sichert, sondern er hat sich das durch die Kraft und Tüchtigkeit seiner Vorgänger Eroberte allmählig wieder entschlüpfen lassen und ist gegenwärtig wirklicher Macht fast eben so baar, dem profanen Auge des Publikums eben so verborgen, und in ein eben so unentwirrbares Netz von Herkommen »ut Cere- moniell verstrickt, wie sein nomineller Herr. Denn wir müssen hier bemerken, daß den Japanese» heute noch der Mikado der einzige Kaiser ist, und daß ihnen der Sjogun nicht als beigeordneter weltlicher Kaiser, wie man es in europäischen Büchern ausgedrückt findet, sondern als formell untergeordneter Viceregent gilt. Er hat auch dem Mikado jährlich Huldigung zu leiste», und zwar früher persön¬ lich, jetzt aber durch eine Deputation. Der Sjogu» oder K»do (wie er manchmal gerann wird) restdirt in einem geräumigen Palaste der größte» Stadt des Reiches, Jeddo. Nur äußerst selten verläßt er den Umkreis desselben, den» außer den frühern jährlichen Reisen a» den Hof in Miacv werden anch die dem Sjvgnn obliegenden religiösen Pilger¬ fahrten durch Deputationen verrichtet. Sich mit Regierungsgeschäfte» zu befassen, ist seines Geistes unwürdig; und seine Zeit soll mit solcher Kunst besetzt sein, daß er nicht einmal die nöthige Muse hat, sich mit den Reichsangelegenheiten zu be¬ schäftigen, selbst wenn die Neigung dazu vorhanden wäre. Die Pflichten, welche das Hofceremo»leit dem Sjogun auferlegt, — Beob¬ achtung der Etiquette, das Entgegennehmer von Huldigungen und Geschenke» von denen, welche dazu verpflichtet sind, an gewissen, häusig wiederkehrenden Fest¬ tagen — sind so vielfach, daß sie drei Personen vollauf beschäftige» köunten. Eine Anzahl von Hofleuten, welche die beständige Umgebung des Sjognns bilden, regelt diese wichtigen Ceremonie». Damit aber kein Gefühl von der Erniedri¬ gung in Folge der thatsächlichen Bedeutungslosigkeit dieser Srellung, keine Ahnung, baß er gleich dem Mikado, uur der Schatte» eines Regenten sei, in der kaiser¬ liche» Brust auskomme, oder durch einen ehrgeizige» Günstling hi»el»gepflanzt werde, wird der Sjogun und sein Hof beständig von den zahllosen Spionen deö Staatsraths bewacht, in dessen Besitz sich gegenwärtig die wirkliche Executiv- gcwalt befindet. Nach Siebold besteht dieser Staatsrath aus 13 Personen, nämlich aus fünf Räthen der erste» Klasse, die stets Fürsten sind, und ans acht Räthen zweiter Klasse, die ans den Reihen des Adels gewählt werden. Noch einige andere Minister findet man genannt, sie scheinen aber nicht mit im Staatsrath zu sitze», nämlich die drei geistliche» Richter, allem Anschein nach ^aler, aber mit der Rege¬ lung aller religiösen Angelegenheiten betraut, und die zwei Commissancn der aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/456>, abgerufen am 29.12.2024.