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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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hofften sie sogar mit Grund, daß er sich zum Christenthum" bekehren, und dasselbe
zur Herrschaft im Lande bringen werde. Als daher Jejassama sich gegen Hidejori
empörte, traten die japanischen Christen ans die Seite des letzteren, und die
Jesuiten ermunterten sie in ihrem Widerstand. Jejassama aber trug den Sieg
davon, und als nach Hidejvri's vollständiger Niederlage die Christen die Waffen
noch nicht niederlegten, wendete sich der ganze Zorn des Usurpators gegen sie.
Ihre Verfolgung endigte erst unter seinem Nachfolger nach einem neuen Aufstand
mit dem Blutbade von Simabara 1638, der gänzlichen Ausrottung aller Christen,
der Vertreibung aller Portugiesen, und der gänzlichen Absperrung Japans vom
Auslande, die seitdem Staatsgesetz ist. Nur die Holländer durften unter großen
Beschränkungen bleiben , weil ihre Artillerie den Untergang der japanischen Christen
ans Simabara entschieden hatte. Jejassama setzte als Sjogmi die Politik Taiko's
fort; er brach die Macht der einheimischen Fürsten vollständig, beraubte viele
ihrer Besitzungen und verschenkte dieselben an seine Anhänger und jüngeren Söhne,
und versetzte den Mikado in den Zustand vollständiger Bedeutungslosigkeit und
Ohnmacht, der noch jetzt fortbesteht. Seine Nachkommen sind gegenwärtig noch
im Besitz der Sjogunwnrde.

Wir mußten dieses Stuck japanesischer Geschichte hier einschalten, um die
allmählige Einschränkung der Macht des Mikado und sein Verhältniß zum Sjo-
gun begreiflich zu machen.

Der Mikado, der Abkömmling der Heidengötter der Japanesen, die Jncar-
nation der die Welt regierenden Sonnengöttin, würde nach japnnesischcr Staats¬
praxis sich herabwürdigen, wen" er sich uur im Mindesten um irdische Angelegen¬
heiten bekümmern wollte. Er wird daher über keine politische Maßregel zu
Rathe gezogen und er verrichtet keine SouverainetätShaudluug, die nicht religiöser
Art ist. Er versetzt große Männer nach ihrem Tode unter die Götter, aber der
Sjogun überhebt ihn der Mühe, die dieser Ehre Würdigen selbst auszusuchen.
Er verleiht die Aemter seines Hofes, eine echte geistliche Hierarchie, die wegen
ihres nomineller Ranges und ihrer Heiligkeit für die Fürsten des Reichs, für die
Minister des Sjvguu's und für den Sjogun selbst ein Gegenstand des Ehrgeizes
sind. Er bestimmt die Tage, an welchem gewisse bewegliche religiöse Feste gefeiert
werden sollen, und entscheidet streitige Glaubensfragen, wie er z. B. durch sein
inappelables Urtheil festgestellt hat, daß die Teufel nicht nur von grüner, sondern
auch von weißer, schwarzer und rother Farbe sind. Außerdem verrichtet er all¬
täglich eine RegicrungShandlnng, in der er in Folge seiner theilweisen Identifi¬
cation mit der Sonnengöttin ebenso sehr als der Schutzgott, wie als der
Beherrscher von Japan sich darstellt. Er sitzt alltäglich eine gewisse Anzahl
Stunden ans seinem Throne, und zwar unbeweglich, damit er nicht etwa durch
Verwenden seines Kopfes über den Theil des Landes, wo er hinsieht oder von
dem er wegblickt, ein Unglück bringe; durch diese Unbeweglichkeit erhält er die


hofften sie sogar mit Grund, daß er sich zum Christenthum« bekehren, und dasselbe
zur Herrschaft im Lande bringen werde. Als daher Jejassama sich gegen Hidejori
empörte, traten die japanischen Christen ans die Seite des letzteren, und die
Jesuiten ermunterten sie in ihrem Widerstand. Jejassama aber trug den Sieg
davon, und als nach Hidejvri's vollständiger Niederlage die Christen die Waffen
noch nicht niederlegten, wendete sich der ganze Zorn des Usurpators gegen sie.
Ihre Verfolgung endigte erst unter seinem Nachfolger nach einem neuen Aufstand
mit dem Blutbade von Simabara 1638, der gänzlichen Ausrottung aller Christen,
der Vertreibung aller Portugiesen, und der gänzlichen Absperrung Japans vom
Auslande, die seitdem Staatsgesetz ist. Nur die Holländer durften unter großen
Beschränkungen bleiben , weil ihre Artillerie den Untergang der japanischen Christen
ans Simabara entschieden hatte. Jejassama setzte als Sjogmi die Politik Taiko's
fort; er brach die Macht der einheimischen Fürsten vollständig, beraubte viele
ihrer Besitzungen und verschenkte dieselben an seine Anhänger und jüngeren Söhne,
und versetzte den Mikado in den Zustand vollständiger Bedeutungslosigkeit und
Ohnmacht, der noch jetzt fortbesteht. Seine Nachkommen sind gegenwärtig noch
im Besitz der Sjogunwnrde.

Wir mußten dieses Stuck japanesischer Geschichte hier einschalten, um die
allmählige Einschränkung der Macht des Mikado und sein Verhältniß zum Sjo-
gun begreiflich zu machen.

Der Mikado, der Abkömmling der Heidengötter der Japanesen, die Jncar-
nation der die Welt regierenden Sonnengöttin, würde nach japnnesischcr Staats¬
praxis sich herabwürdigen, wen» er sich uur im Mindesten um irdische Angelegen¬
heiten bekümmern wollte. Er wird daher über keine politische Maßregel zu
Rathe gezogen und er verrichtet keine SouverainetätShaudluug, die nicht religiöser
Art ist. Er versetzt große Männer nach ihrem Tode unter die Götter, aber der
Sjogun überhebt ihn der Mühe, die dieser Ehre Würdigen selbst auszusuchen.
Er verleiht die Aemter seines Hofes, eine echte geistliche Hierarchie, die wegen
ihres nomineller Ranges und ihrer Heiligkeit für die Fürsten des Reichs, für die
Minister des Sjvguu's und für den Sjogun selbst ein Gegenstand des Ehrgeizes
sind. Er bestimmt die Tage, an welchem gewisse bewegliche religiöse Feste gefeiert
werden sollen, und entscheidet streitige Glaubensfragen, wie er z. B. durch sein
inappelables Urtheil festgestellt hat, daß die Teufel nicht nur von grüner, sondern
auch von weißer, schwarzer und rother Farbe sind. Außerdem verrichtet er all¬
täglich eine RegicrungShandlnng, in der er in Folge seiner theilweisen Identifi¬
cation mit der Sonnengöttin ebenso sehr als der Schutzgott, wie als der
Beherrscher von Japan sich darstellt. Er sitzt alltäglich eine gewisse Anzahl
Stunden ans seinem Throne, und zwar unbeweglich, damit er nicht etwa durch
Verwenden seines Kopfes über den Theil des Landes, wo er hinsieht oder von
dem er wegblickt, ein Unglück bringe; durch diese Unbeweglichkeit erhält er die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/453>, abgerufen am 24.07.2024.