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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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trieb es die Noth in einen japanischen Hafen, so erhielt es sofort Befehl, wieder
abzureisen, und die Nichtbeachtung dieses Befehls war für die Ungehorsamen der
Tod. Eben so traf die Todesstrafe den Japanesen, der mit ihnen verkehrte; Tod
traf den Japanesen, der auf einem Versuch, sein Vaterland zu verlassen, ertappt
wurde, der, nachdem ihm das stürmische Meer in ein fremdes Land verschlagen,
wieder in seine Heimath zurückzukehren wagte. Seit 1640 besteht dieses Interdict,
und mit unerheblichen Ausnahmen ist es noch keiner Nation gelungen, den Bann
zu lösen. Jetzt versucht das jüngste Kind des großen germanischen Vvlkcrstammes
das in Japan, was seinem ältern englischen Bruder ebenfalls durch Waffengewalt
in China gelungen ist, und wir sind vielleicht noch Zeugen des Unterganges eines
Staatswesens, das selbst in dem unvollkommenen Bilde, welches wir uns von
demselben machen können, unser höchstes Interesse erregt.

Bekanntlich haben die Holländer ans Desima, einer kleinen Insel im Hafen
von Nangasaki, eine Faktorei, wo sie in strenger Absperrung und unter ängst¬
licher Aufsicht ihre" Verkehr mit Japan betreiben. Den bei dieser Faktorei an¬
gestellten Aerzten verdanken wir den besten Theil unserer Nachrichten über das
Land, und wir nennen hier den Westphalen Dr, Kämpfer, einen scharfsichtigen
und zuverlässigen Beobachter, den Schweden Thunberg und or. von Siebold,
dessen schönes Kupferwerk uns mit den Landschaften und den Bewohnern des
seltsamen Landes wahrhaft vertraut macht. Der Text ist ein wahrer Schatz vou
Materialien. Außerdem besitzen wir "och die holländischen Werke über Japan
von Döff, Meylan und Fischer, des Russen Golvwnin Bericht über seine mehr¬
jährige Gefangenschaft bei den Japanesen, und einige aus dem Japanesischen
übersetzte Annalen. Die mit der holländischen Faktorei in Verbindung stehenden
Schriftsteller hatten natürlich von Allen die beste Gelegenheit, Beobachtungen zu
machen -- theils dnrch den beständigen Verkehr mit den zahlreichen japanesische"
Dollmetschern, die zwar eidlich verpflichtet sind, Nichts über Japan mitzutheilen,
es aber mit ihrem Eide nichts weniger als genau nehmen, theils dnrch die alle
vier Jahre stattfindende Reise nach Jeddo, um dem Hofe des Sjogun den her¬
kömmlichen Tribut zu überbringen. Sie liefern uns daher anch die schätzbarsten
Beiträge zur Kenntniß vou Japan, und mau kann sich aus ihnen ein leiblich
genaues Bild von den japanesischen Zuständen machen, das wir unseren Lesern
in einer Skizze vorzulegen gedenken.

So anomal erscheinen dem Europäer das japanesische Volk und der japanesische
Staat, daß es ihm schwer wird, sich in seine Eigenthümlichkeiten hineinzufinden.
Die schroffen Gegensätze in dem Charakter des ersteren machen es zu einem
Phänomen unter de" in Weichlichkeit oder Barbarei versunkenen übrigen Volks-
stämmen Asiens, ans die der Japanese anch mit der Verachtung eines Aristokraten
herabsieht. Er ist kriegerisch und doch nicht ervbernugösüchtig, so kriechend gehor¬
sam gegen die Obrigkeit wie ein Spießbürger von Naugting, und doch ebenso


trieb es die Noth in einen japanischen Hafen, so erhielt es sofort Befehl, wieder
abzureisen, und die Nichtbeachtung dieses Befehls war für die Ungehorsamen der
Tod. Eben so traf die Todesstrafe den Japanesen, der mit ihnen verkehrte; Tod
traf den Japanesen, der auf einem Versuch, sein Vaterland zu verlassen, ertappt
wurde, der, nachdem ihm das stürmische Meer in ein fremdes Land verschlagen,
wieder in seine Heimath zurückzukehren wagte. Seit 1640 besteht dieses Interdict,
und mit unerheblichen Ausnahmen ist es noch keiner Nation gelungen, den Bann
zu lösen. Jetzt versucht das jüngste Kind des großen germanischen Vvlkcrstammes
das in Japan, was seinem ältern englischen Bruder ebenfalls durch Waffengewalt
in China gelungen ist, und wir sind vielleicht noch Zeugen des Unterganges eines
Staatswesens, das selbst in dem unvollkommenen Bilde, welches wir uns von
demselben machen können, unser höchstes Interesse erregt.

Bekanntlich haben die Holländer ans Desima, einer kleinen Insel im Hafen
von Nangasaki, eine Faktorei, wo sie in strenger Absperrung und unter ängst¬
licher Aufsicht ihre» Verkehr mit Japan betreiben. Den bei dieser Faktorei an¬
gestellten Aerzten verdanken wir den besten Theil unserer Nachrichten über das
Land, und wir nennen hier den Westphalen Dr, Kämpfer, einen scharfsichtigen
und zuverlässigen Beobachter, den Schweden Thunberg und or. von Siebold,
dessen schönes Kupferwerk uns mit den Landschaften und den Bewohnern des
seltsamen Landes wahrhaft vertraut macht. Der Text ist ein wahrer Schatz vou
Materialien. Außerdem besitzen wir »och die holländischen Werke über Japan
von Döff, Meylan und Fischer, des Russen Golvwnin Bericht über seine mehr¬
jährige Gefangenschaft bei den Japanesen, und einige aus dem Japanesischen
übersetzte Annalen. Die mit der holländischen Faktorei in Verbindung stehenden
Schriftsteller hatten natürlich von Allen die beste Gelegenheit, Beobachtungen zu
machen — theils dnrch den beständigen Verkehr mit den zahlreichen japanesische»
Dollmetschern, die zwar eidlich verpflichtet sind, Nichts über Japan mitzutheilen,
es aber mit ihrem Eide nichts weniger als genau nehmen, theils dnrch die alle
vier Jahre stattfindende Reise nach Jeddo, um dem Hofe des Sjogun den her¬
kömmlichen Tribut zu überbringen. Sie liefern uns daher anch die schätzbarsten
Beiträge zur Kenntniß vou Japan, und mau kann sich aus ihnen ein leiblich
genaues Bild von den japanesischen Zuständen machen, das wir unseren Lesern
in einer Skizze vorzulegen gedenken.

So anomal erscheinen dem Europäer das japanesische Volk und der japanesische
Staat, daß es ihm schwer wird, sich in seine Eigenthümlichkeiten hineinzufinden.
Die schroffen Gegensätze in dem Charakter des ersteren machen es zu einem
Phänomen unter de» in Weichlichkeit oder Barbarei versunkenen übrigen Volks-
stämmen Asiens, ans die der Japanese anch mit der Verachtung eines Aristokraten
herabsieht. Er ist kriegerisch und doch nicht ervbernugösüchtig, so kriechend gehor¬
sam gegen die Obrigkeit wie ein Spießbürger von Naugting, und doch ebenso


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/450>, abgerufen am 28.12.2024.