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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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zurück. Die eine Partei behauptet, daß diese Steuer fälschlich den Namen einer
Steuer trage, daß sie eine Rente sei, gewissermaßen eine feste Zinssmnme für
ein nie zu kündigendes Capital, welches der Staat einst hypothekarisch ans die
verschiedenen Besitzungen eingetragen habe. Sie bedrücke deshalb die gegenwär¬
tigen Besitzer des Grund und Bodens nicht; denn diese hätten ihre Güter an den
Betrag der kapitalisieren Grundsteuer billiger erkauft, oder sie wäre" ihnen bei
Erbschaftstheilungen n. Dgl. um denselben Betrag billiger berechnet worden. Eine
neue oder höhere Belastung wäre deshalb eine Ungerechtigkeit lediglich gegen die
jetzigen Besitzer, denen sie plötzlich einen Theil ihres Vermögens entzöge; wäh¬
rend der nächste Käufer sich schon dadurch schadlos halte, daß er bei dem Kauf-
preise die erhöhte Steuer in Anschlag bringe, und daS Gut nur uach dem durch
die Steuer verringerten Capitalwerthe annehme. Ebenso wäre eine Ermäßigung
der Grundsteuer el" nnmotivirtes Geschenk für den gegenwärtigen Besitzer, ganz
in derselben Weise, als wenn ihm plötzlich die Zinsen für ein anderes aus das
Gut eiugetrageucs Capital erlasse" oder ermäßigt und dieses selbst als ein nie zu
kündigendes erklärt würde.

Dieser Ansicht von der Neutennatnr der Grundsteuer wird entgegengesetzt,
daß sie in Preußen eben nicht als eine Rente, sondern als eine wirkliche Steuer
auferlegt sei; daß daher der Staat anch das Recht, sie nach den Umständen ab¬
zuändern, nie aufgegeben, dieses Recht vielmehr mehrmals factisch ausgeübt habe.
Namentlich sei es unläugbar, daß in der neuern Gesetzgebung die Ueberzeugung
der Staatsregierung von der Steueruatur der Belastung des Grund und Bodeus
überall klar ausgesprochen sei; in dem Edict von 1810 und seitdem mehrmals sei
in Folge jener Ueberzeugung eine definitive Regulirung der Grundsteuer i" Aus¬
sicht gestellt worden; wenn nichts desto weniger Personen im Vertrauen auf die
Unveränderlichkeit der Grundsteuer Güterkäufe und ähnliche Privatgeschäfte ab¬
geschlossen hätten, so wäre es allerdings möglich, daß sie sich dnrch solche Hand¬
lungen bei einer Regulirung benachtheiligt fühlten; allein die Gesetzgebung könne
nicht durch die Rücksicht gebunden werden, daß Privatpersonen in einer völlig
nnmotivirtcn Illusion gehandelt hätten, am wenigsten, wenn die Acte der Staats¬
regierung seit Decennie" dieser Illusion mit Bestimmtheit und Klarheit entgegen¬
gearbeitet und deu richtigen Standpunkt für Beurtheilung des Sachverhältnisses
wiederholt in Erinnerung gebracht hätten.

Nachdem beide Ansichten seit einer Reihe von Jahren in scharfsinnigen
Schriften von allen Seiten beleuchtet sind, ohne daß eine Einigung der Ansichten
erzielt wurde, darf man wol an einer Ausgleichung der Meinungsverschiedenheit
überhaupt verzweifeln. Es ist -- unsrer Ansicht nach -- vollkommen richtig,
daß die Grundsteuer in Preußen als eine Steuer, nicht als eine Rente auferlegt
wurde; aber die Gesetzgebung ist dieser Ansicht nicht durchweg so tren geblieben,
wie in den letzten vierzig Jahren. Vor dieser Zeit ist vielmehr für verschiedene


Si *

zurück. Die eine Partei behauptet, daß diese Steuer fälschlich den Namen einer
Steuer trage, daß sie eine Rente sei, gewissermaßen eine feste Zinssmnme für
ein nie zu kündigendes Capital, welches der Staat einst hypothekarisch ans die
verschiedenen Besitzungen eingetragen habe. Sie bedrücke deshalb die gegenwär¬
tigen Besitzer des Grund und Bodens nicht; denn diese hätten ihre Güter an den
Betrag der kapitalisieren Grundsteuer billiger erkauft, oder sie wäre» ihnen bei
Erbschaftstheilungen n. Dgl. um denselben Betrag billiger berechnet worden. Eine
neue oder höhere Belastung wäre deshalb eine Ungerechtigkeit lediglich gegen die
jetzigen Besitzer, denen sie plötzlich einen Theil ihres Vermögens entzöge; wäh¬
rend der nächste Käufer sich schon dadurch schadlos halte, daß er bei dem Kauf-
preise die erhöhte Steuer in Anschlag bringe, und daS Gut nur uach dem durch
die Steuer verringerten Capitalwerthe annehme. Ebenso wäre eine Ermäßigung
der Grundsteuer el» nnmotivirtes Geschenk für den gegenwärtigen Besitzer, ganz
in derselben Weise, als wenn ihm plötzlich die Zinsen für ein anderes aus das
Gut eiugetrageucs Capital erlasse» oder ermäßigt und dieses selbst als ein nie zu
kündigendes erklärt würde.

Dieser Ansicht von der Neutennatnr der Grundsteuer wird entgegengesetzt,
daß sie in Preußen eben nicht als eine Rente, sondern als eine wirkliche Steuer
auferlegt sei; daß daher der Staat anch das Recht, sie nach den Umständen ab¬
zuändern, nie aufgegeben, dieses Recht vielmehr mehrmals factisch ausgeübt habe.
Namentlich sei es unläugbar, daß in der neuern Gesetzgebung die Ueberzeugung
der Staatsregierung von der Steueruatur der Belastung des Grund und Bodeus
überall klar ausgesprochen sei; in dem Edict von 1810 und seitdem mehrmals sei
in Folge jener Ueberzeugung eine definitive Regulirung der Grundsteuer i» Aus¬
sicht gestellt worden; wenn nichts desto weniger Personen im Vertrauen auf die
Unveränderlichkeit der Grundsteuer Güterkäufe und ähnliche Privatgeschäfte ab¬
geschlossen hätten, so wäre es allerdings möglich, daß sie sich dnrch solche Hand¬
lungen bei einer Regulirung benachtheiligt fühlten; allein die Gesetzgebung könne
nicht durch die Rücksicht gebunden werden, daß Privatpersonen in einer völlig
nnmotivirtcn Illusion gehandelt hätten, am wenigsten, wenn die Acte der Staats¬
regierung seit Decennie» dieser Illusion mit Bestimmtheit und Klarheit entgegen¬
gearbeitet und deu richtigen Standpunkt für Beurtheilung des Sachverhältnisses
wiederholt in Erinnerung gebracht hätten.

Nachdem beide Ansichten seit einer Reihe von Jahren in scharfsinnigen
Schriften von allen Seiten beleuchtet sind, ohne daß eine Einigung der Ansichten
erzielt wurde, darf man wol an einer Ausgleichung der Meinungsverschiedenheit
überhaupt verzweifeln. Es ist — unsrer Ansicht nach — vollkommen richtig,
daß die Grundsteuer in Preußen als eine Steuer, nicht als eine Rente auferlegt
wurde; aber die Gesetzgebung ist dieser Ansicht nicht durchweg so tren geblieben,
wie in den letzten vierzig Jahren. Vor dieser Zeit ist vielmehr für verschiedene


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[0435] zurück. Die eine Partei behauptet, daß diese Steuer fälschlich den Namen einer Steuer trage, daß sie eine Rente sei, gewissermaßen eine feste Zinssmnme für ein nie zu kündigendes Capital, welches der Staat einst hypothekarisch ans die verschiedenen Besitzungen eingetragen habe. Sie bedrücke deshalb die gegenwär¬ tigen Besitzer des Grund und Bodens nicht; denn diese hätten ihre Güter an den Betrag der kapitalisieren Grundsteuer billiger erkauft, oder sie wäre» ihnen bei Erbschaftstheilungen n. Dgl. um denselben Betrag billiger berechnet worden. Eine neue oder höhere Belastung wäre deshalb eine Ungerechtigkeit lediglich gegen die jetzigen Besitzer, denen sie plötzlich einen Theil ihres Vermögens entzöge; wäh¬ rend der nächste Käufer sich schon dadurch schadlos halte, daß er bei dem Kauf- preise die erhöhte Steuer in Anschlag bringe, und daS Gut nur uach dem durch die Steuer verringerten Capitalwerthe annehme. Ebenso wäre eine Ermäßigung der Grundsteuer el» nnmotivirtes Geschenk für den gegenwärtigen Besitzer, ganz in derselben Weise, als wenn ihm plötzlich die Zinsen für ein anderes aus das Gut eiugetrageucs Capital erlasse» oder ermäßigt und dieses selbst als ein nie zu kündigendes erklärt würde. Dieser Ansicht von der Neutennatnr der Grundsteuer wird entgegengesetzt, daß sie in Preußen eben nicht als eine Rente, sondern als eine wirkliche Steuer auferlegt sei; daß daher der Staat anch das Recht, sie nach den Umständen ab¬ zuändern, nie aufgegeben, dieses Recht vielmehr mehrmals factisch ausgeübt habe. Namentlich sei es unläugbar, daß in der neuern Gesetzgebung die Ueberzeugung der Staatsregierung von der Steueruatur der Belastung des Grund und Bodeus überall klar ausgesprochen sei; in dem Edict von 1810 und seitdem mehrmals sei in Folge jener Ueberzeugung eine definitive Regulirung der Grundsteuer i» Aus¬ sicht gestellt worden; wenn nichts desto weniger Personen im Vertrauen auf die Unveränderlichkeit der Grundsteuer Güterkäufe und ähnliche Privatgeschäfte ab¬ geschlossen hätten, so wäre es allerdings möglich, daß sie sich dnrch solche Hand¬ lungen bei einer Regulirung benachtheiligt fühlten; allein die Gesetzgebung könne nicht durch die Rücksicht gebunden werden, daß Privatpersonen in einer völlig nnmotivirtcn Illusion gehandelt hätten, am wenigsten, wenn die Acte der Staats¬ regierung seit Decennie» dieser Illusion mit Bestimmtheit und Klarheit entgegen¬ gearbeitet und deu richtigen Standpunkt für Beurtheilung des Sachverhältnisses wiederholt in Erinnerung gebracht hätten. Nachdem beide Ansichten seit einer Reihe von Jahren in scharfsinnigen Schriften von allen Seiten beleuchtet sind, ohne daß eine Einigung der Ansichten erzielt wurde, darf man wol an einer Ausgleichung der Meinungsverschiedenheit überhaupt verzweifeln. Es ist — unsrer Ansicht nach — vollkommen richtig, daß die Grundsteuer in Preußen als eine Steuer, nicht als eine Rente auferlegt wurde; aber die Gesetzgebung ist dieser Ansicht nicht durchweg so tren geblieben, wie in den letzten vierzig Jahren. Vor dieser Zeit ist vielmehr für verschiedene Si *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/435>, abgerufen am 24.07.2024.