Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ließ. Das türkische Papiergeld stieg wiederum an der Börse, indeß nnr,
um ein desto tieferes Fallen vorgestern und gestern aufs Neue zu erleide".

Auch der türkische auswärtige Minister, Fnad Effendi, traf vor einigen Tagen
Anstalten zur Abreise. Das Gerücht, er gehe nach Wien, wurde alsbald wider¬
rufen, und es hieß alsdann, mau werde ihn nach Paris senden, bis gestern be¬
fand er sich noch hier, und von unterrichteter Seite zweifelt man überhaupt an
seiner Entfernung, deun wen" einer in diesem Augenblick hier immer unentbehrlicher
ist, so ist er es. Eine Charakteristik des Mannes behalte ich mir bis zu meinem
nächsten Briefe vor.


Das hervorragendste Ereigniß der letzte" Zeit ist der
Abschluß der haildelspolitischeu Verträge zwischen Preuße" und Oestreich. Wir
werden später Gelegenheit finde", den Unterschied zwischen Sonst "ut Jetzt in
seinen Hauptzügen zu charakterisire".

Die zweite Kammer hat heute vor vollständig besetzte" Tribune" die Debatte
über die Grundstenerangelegenheit begönne". Es handelt sich i" dem von der
Regierung vorgelegten Gesetzentwurf nicht um eine eigentliche Regulirung der
Grundsteuer nach bestimmten und festen Grundsätze" für die ga"ze Monarchie,
sondern nur um eine Heranziehung und stärkere Belastung der bisher befreiten
oder doch uicht "ach den Grundsätzen der verschiedenen Stencrverfassungen genug
belasteten Grundstücke. Nur in Bezug auf die Städte ist eine Art Regulirung
vorgeschlagen worden. Der zweite Gesetzentwurf handelt von den Entschädigun-
gen, die den Betheiligten gewährt werden sollen.

Die Meinungen über diese Frage gehe" sehr aus el"a"der. Während der
größte Theil der Rechten einer Reg"ur"ng durchaus abgeneigt ist, und für den
Fall, daß sie nicht abgelehnt werden kann, eine Entschädigung im vollen, zwauzig-
fachcn Betrage der Mehrbelastung beansprucht, finden sich im Centrum und in
der Linken ohne Rücksicht auf die verschiedenen Fractivne" i" zahllosen Ab¬
stufungen alle Meinnngönnanccu bis zu der gerade entgegengesetzten Auffassung
vertreten, welche in der Verschiedenheit der Grundsteuer ein vieljähriges Unrecht
erblickt, dessen endliche Beseitigung die erste Nechtsforderung sei. Die Männer,
welche diese Auffassung theile", sind "atürlich vo" der Absicht, eine Entschädigung
zu bewilligen, so weit entfernt, daß sie vielmehr, we"n es möglich wäre, von den
bisher Bevorzugten einen Ersatz für die ans Kosten der übrigen Staatsbürger
genossenen Privilegien fordern möchten. Und das ist auch unläugbar die noth¬
wendige Consequenz jener Ansicht; und wenn man von ihr absieht, so geschieht
es -- nach den Ansichten dieser Männer -- lediglich aus Billigkeitsgründeu,
nicht vom Standpunkte des Rechts aus.

Die Controverse über die Frage, ob die Grundsteuer verändert werde" dürfe,
kehrt natürlich immer wieder zu Untersuchungen über das Wesen der Grundsteuer


ließ. Das türkische Papiergeld stieg wiederum an der Börse, indeß nnr,
um ein desto tieferes Fallen vorgestern und gestern aufs Neue zu erleide».

Auch der türkische auswärtige Minister, Fnad Effendi, traf vor einigen Tagen
Anstalten zur Abreise. Das Gerücht, er gehe nach Wien, wurde alsbald wider¬
rufen, und es hieß alsdann, mau werde ihn nach Paris senden, bis gestern be¬
fand er sich noch hier, und von unterrichteter Seite zweifelt man überhaupt an
seiner Entfernung, deun wen» einer in diesem Augenblick hier immer unentbehrlicher
ist, so ist er es. Eine Charakteristik des Mannes behalte ich mir bis zu meinem
nächsten Briefe vor.


Das hervorragendste Ereigniß der letzte» Zeit ist der
Abschluß der haildelspolitischeu Verträge zwischen Preuße» und Oestreich. Wir
werden später Gelegenheit finde», den Unterschied zwischen Sonst »ut Jetzt in
seinen Hauptzügen zu charakterisire».

Die zweite Kammer hat heute vor vollständig besetzte» Tribune» die Debatte
über die Grundstenerangelegenheit begönne». Es handelt sich i» dem von der
Regierung vorgelegten Gesetzentwurf nicht um eine eigentliche Regulirung der
Grundsteuer nach bestimmten und festen Grundsätze» für die ga»ze Monarchie,
sondern nur um eine Heranziehung und stärkere Belastung der bisher befreiten
oder doch uicht »ach den Grundsätzen der verschiedenen Stencrverfassungen genug
belasteten Grundstücke. Nur in Bezug auf die Städte ist eine Art Regulirung
vorgeschlagen worden. Der zweite Gesetzentwurf handelt von den Entschädigun-
gen, die den Betheiligten gewährt werden sollen.

Die Meinungen über diese Frage gehe» sehr aus el»a»der. Während der
größte Theil der Rechten einer Reg»ur»ng durchaus abgeneigt ist, und für den
Fall, daß sie nicht abgelehnt werden kann, eine Entschädigung im vollen, zwauzig-
fachcn Betrage der Mehrbelastung beansprucht, finden sich im Centrum und in
der Linken ohne Rücksicht auf die verschiedenen Fractivne» i» zahllosen Ab¬
stufungen alle Meinnngönnanccu bis zu der gerade entgegengesetzten Auffassung
vertreten, welche in der Verschiedenheit der Grundsteuer ein vieljähriges Unrecht
erblickt, dessen endliche Beseitigung die erste Nechtsforderung sei. Die Männer,
welche diese Auffassung theile», sind »atürlich vo» der Absicht, eine Entschädigung
zu bewilligen, so weit entfernt, daß sie vielmehr, we»n es möglich wäre, von den
bisher Bevorzugten einen Ersatz für die ans Kosten der übrigen Staatsbürger
genossenen Privilegien fordern möchten. Und das ist auch unläugbar die noth¬
wendige Consequenz jener Ansicht; und wenn man von ihr absieht, so geschieht
es — nach den Ansichten dieser Männer — lediglich aus Billigkeitsgründeu,
nicht vom Standpunkte des Rechts aus.

Die Controverse über die Frage, ob die Grundsteuer verändert werde» dürfe,
kehrt natürlich immer wieder zu Untersuchungen über das Wesen der Grundsteuer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186310"/>
            <p xml:id="ID_1351" prev="#ID_1350"> ließ. Das türkische Papiergeld stieg wiederum an der Börse, indeß nnr,<lb/>
um ein desto tieferes Fallen vorgestern und gestern aufs Neue zu erleide».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1352"> Auch der türkische auswärtige Minister, Fnad Effendi, traf vor einigen Tagen<lb/>
Anstalten zur Abreise. Das Gerücht, er gehe nach Wien, wurde alsbald wider¬<lb/>
rufen, und es hieß alsdann, mau werde ihn nach Paris senden, bis gestern be¬<lb/>
fand er sich noch hier, und von unterrichteter Seite zweifelt man überhaupt an<lb/>
seiner Entfernung, deun wen» einer in diesem Augenblick hier immer unentbehrlicher<lb/>
ist, so ist er es. Eine Charakteristik des Mannes behalte ich mir bis zu meinem<lb/>
nächsten Briefe vor.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> </head>
            <p xml:id="ID_1353"> Das hervorragendste Ereigniß der letzte» Zeit ist der<lb/>
Abschluß der haildelspolitischeu Verträge zwischen Preuße» und Oestreich. Wir<lb/>
werden später Gelegenheit finde», den Unterschied zwischen Sonst »ut Jetzt in<lb/>
seinen Hauptzügen zu charakterisire».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1354"> Die zweite Kammer hat heute vor vollständig besetzte» Tribune» die Debatte<lb/>
über die Grundstenerangelegenheit begönne». Es handelt sich i» dem von der<lb/>
Regierung vorgelegten Gesetzentwurf nicht um eine eigentliche Regulirung der<lb/>
Grundsteuer nach bestimmten und festen Grundsätze» für die ga»ze Monarchie,<lb/>
sondern nur um eine Heranziehung und stärkere Belastung der bisher befreiten<lb/>
oder doch uicht »ach den Grundsätzen der verschiedenen Stencrverfassungen genug<lb/>
belasteten Grundstücke. Nur in Bezug auf die Städte ist eine Art Regulirung<lb/>
vorgeschlagen worden. Der zweite Gesetzentwurf handelt von den Entschädigun-<lb/>
gen, die den Betheiligten gewährt werden sollen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1355"> Die Meinungen über diese Frage gehe» sehr aus el»a»der. Während der<lb/>
größte Theil der Rechten einer Reg»ur»ng durchaus abgeneigt ist, und für den<lb/>
Fall, daß sie nicht abgelehnt werden kann, eine Entschädigung im vollen, zwauzig-<lb/>
fachcn Betrage der Mehrbelastung beansprucht, finden sich im Centrum und in<lb/>
der Linken ohne Rücksicht auf die verschiedenen Fractivne» i» zahllosen Ab¬<lb/>
stufungen alle Meinnngönnanccu bis zu der gerade entgegengesetzten Auffassung<lb/>
vertreten, welche in der Verschiedenheit der Grundsteuer ein vieljähriges Unrecht<lb/>
erblickt, dessen endliche Beseitigung die erste Nechtsforderung sei. Die Männer,<lb/>
welche diese Auffassung theile», sind »atürlich vo» der Absicht, eine Entschädigung<lb/>
zu bewilligen, so weit entfernt, daß sie vielmehr, we»n es möglich wäre, von den<lb/>
bisher Bevorzugten einen Ersatz für die ans Kosten der übrigen Staatsbürger<lb/>
genossenen Privilegien fordern möchten. Und das ist auch unläugbar die noth¬<lb/>
wendige Consequenz jener Ansicht; und wenn man von ihr absieht, so geschieht<lb/>
es &#x2014; nach den Ansichten dieser Männer &#x2014; lediglich aus Billigkeitsgründeu,<lb/>
nicht vom Standpunkte des Rechts aus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Die Controverse über die Frage, ob die Grundsteuer verändert werde» dürfe,<lb/>
kehrt natürlich immer wieder zu Untersuchungen über das Wesen der Grundsteuer</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0434] ließ. Das türkische Papiergeld stieg wiederum an der Börse, indeß nnr, um ein desto tieferes Fallen vorgestern und gestern aufs Neue zu erleide». Auch der türkische auswärtige Minister, Fnad Effendi, traf vor einigen Tagen Anstalten zur Abreise. Das Gerücht, er gehe nach Wien, wurde alsbald wider¬ rufen, und es hieß alsdann, mau werde ihn nach Paris senden, bis gestern be¬ fand er sich noch hier, und von unterrichteter Seite zweifelt man überhaupt an seiner Entfernung, deun wen» einer in diesem Augenblick hier immer unentbehrlicher ist, so ist er es. Eine Charakteristik des Mannes behalte ich mir bis zu meinem nächsten Briefe vor. Das hervorragendste Ereigniß der letzte» Zeit ist der Abschluß der haildelspolitischeu Verträge zwischen Preuße» und Oestreich. Wir werden später Gelegenheit finde», den Unterschied zwischen Sonst »ut Jetzt in seinen Hauptzügen zu charakterisire». Die zweite Kammer hat heute vor vollständig besetzte» Tribune» die Debatte über die Grundstenerangelegenheit begönne». Es handelt sich i» dem von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf nicht um eine eigentliche Regulirung der Grundsteuer nach bestimmten und festen Grundsätze» für die ga»ze Monarchie, sondern nur um eine Heranziehung und stärkere Belastung der bisher befreiten oder doch uicht »ach den Grundsätzen der verschiedenen Stencrverfassungen genug belasteten Grundstücke. Nur in Bezug auf die Städte ist eine Art Regulirung vorgeschlagen worden. Der zweite Gesetzentwurf handelt von den Entschädigun- gen, die den Betheiligten gewährt werden sollen. Die Meinungen über diese Frage gehe» sehr aus el»a»der. Während der größte Theil der Rechten einer Reg»ur»ng durchaus abgeneigt ist, und für den Fall, daß sie nicht abgelehnt werden kann, eine Entschädigung im vollen, zwauzig- fachcn Betrage der Mehrbelastung beansprucht, finden sich im Centrum und in der Linken ohne Rücksicht auf die verschiedenen Fractivne» i» zahllosen Ab¬ stufungen alle Meinnngönnanccu bis zu der gerade entgegengesetzten Auffassung vertreten, welche in der Verschiedenheit der Grundsteuer ein vieljähriges Unrecht erblickt, dessen endliche Beseitigung die erste Nechtsforderung sei. Die Männer, welche diese Auffassung theile», sind »atürlich vo» der Absicht, eine Entschädigung zu bewilligen, so weit entfernt, daß sie vielmehr, we»n es möglich wäre, von den bisher Bevorzugten einen Ersatz für die ans Kosten der übrigen Staatsbürger genossenen Privilegien fordern möchten. Und das ist auch unläugbar die noth¬ wendige Consequenz jener Ansicht; und wenn man von ihr absieht, so geschieht es — nach den Ansichten dieser Männer — lediglich aus Billigkeitsgründeu, nicht vom Standpunkte des Rechts aus. Die Controverse über die Frage, ob die Grundsteuer verändert werde» dürfe, kehrt natürlich immer wieder zu Untersuchungen über das Wesen der Grundsteuer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/434
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/434>, abgerufen am 24.07.2024.