Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Aufmerksamkeit ans den sonderbaren Satz: "Wenn das Volk mir Pflichten
auferlegte, würde ich sie zu erfüllen wissen. Jules Favre gewissermaßen
ehrenhafte Buße für seine Rede vom 13. thuend verlangt, daß der Brief und
die Adresse, welche ihn begleitet, in die Hände des Justizministers niedergelegt
werden, damit er die Schritte thue, die er für zweckdienlich erachte.
Herr Duclerc sagt, daß die Regierung genau die Ränke der Bonapartisten kenne,
aber sie wolle keine Uebereilung und wünschte, daß die Verhandlung auf morgen
vertagt werde. "Auf morgen, rief Herr Element Thomas, morgen, wo denken
Sie hin? Auf morgen vertagen heißt Schlacht für heute!"

Die Versammlung ist einen Augenblick bewegt, das Volk versammelt sich
anf's Neue um den Pallast Bourbon. Die Volksvertreter werden draußen mit
Hohngeschrei empfangen. Der Ruf: Es lebe der Kaiser! Nieder mit Thiers!
Nieder mit den Volksvertretern! tönt unaufhörlich vor ihren Ohren, der Ausdruck
der Gesichter scheint sehr düster. In dem Augenblicke, wo der Präsident der
Nationalversammlung sich weigerte, die Adresse an die Wähler zu lesen, warf ihm
ein Mann in einer Blouse ein Zettelchen von der Znschancrbühne herab: "wenn
Sie nicht das Denkschreibcn Louis Bonaparte's an seine Wähler lesen," lautete
dasselbe, "erkläre ich Sie als Vaterlandsverräther." Dieser Zettel war "August
Blum, ehemaliger Zögling der polytechnischen Schule" unterfertigt. So viel
Frechheit, dachte man, wäre kaum erklärlich, wenn sie sich nicht auf bedeutende
Volkskräfte stützen könnte. Man bestärkt sich in diesem Verdachte, indem man
erfährt, daß Blum gegenwärtig Abgeordneter der Männer bei den Konferenzen
im Luxembourg sei, und daß man ihn für einen der vorzüglichsten Agenten Louis
Blanc's halte. Man erfährt auch, daß sehr zahlreiche Rotten, die im Tnilerien-
garten sich herumtreiben, davon sprechen, Louis Bonaparte zum Consul zu pro-
clamiren. Das Gewitter droht in der Luft, man hat das Vorgefühl einer bal¬
digen Jnsurrection.

Die Jmpopularität von Element Thomas, jene des Vvllziehungsausschnsses
vermehrend, läßt die Schale noch einmal zu Gunsten Louis Bonaparte's sinken.
Am Is. Mai als Retter begrüßt, fiel Herr Element Thomas gleich am andern
Tage bei der Rechten in Ungnade, weil er, wie wir gesehen haben, eine Petition
der Ofstciere der Nationalgarde einbrachte, welche verlangte, daß man keine Re-
motion mache. Die Nationalgarde selbst, welche weniger republikanisch geworden,
als die Officiere, welche sie im Augenblicke der ersten Begeisterung gewählt,
wünschte einen andern Chef. In einer durch den Antrag zweier bonapartistischer
Volksvertreter, Napoleon's Bild auf dem Kreuze der Ehrenlegion wieder her¬
zustellen, hervorgerufenen Verhandlung hatte Element Thomas das öffentliche
Gefühl beleidigt, indem er "diese Symbole kaiserlicher Auszeichnungen,
diese Kinderspiele der Eitelkeit" angriff. Diese Ausdrücke, welche die
Opposition des Staatsrathes im Jahre 1802 der Errichtung der Ehrenlegion


die Aufmerksamkeit ans den sonderbaren Satz: „Wenn das Volk mir Pflichten
auferlegte, würde ich sie zu erfüllen wissen. Jules Favre gewissermaßen
ehrenhafte Buße für seine Rede vom 13. thuend verlangt, daß der Brief und
die Adresse, welche ihn begleitet, in die Hände des Justizministers niedergelegt
werden, damit er die Schritte thue, die er für zweckdienlich erachte.
Herr Duclerc sagt, daß die Regierung genau die Ränke der Bonapartisten kenne,
aber sie wolle keine Uebereilung und wünschte, daß die Verhandlung auf morgen
vertagt werde. „Auf morgen, rief Herr Element Thomas, morgen, wo denken
Sie hin? Auf morgen vertagen heißt Schlacht für heute!"

Die Versammlung ist einen Augenblick bewegt, das Volk versammelt sich
anf's Neue um den Pallast Bourbon. Die Volksvertreter werden draußen mit
Hohngeschrei empfangen. Der Ruf: Es lebe der Kaiser! Nieder mit Thiers!
Nieder mit den Volksvertretern! tönt unaufhörlich vor ihren Ohren, der Ausdruck
der Gesichter scheint sehr düster. In dem Augenblicke, wo der Präsident der
Nationalversammlung sich weigerte, die Adresse an die Wähler zu lesen, warf ihm
ein Mann in einer Blouse ein Zettelchen von der Znschancrbühne herab: „wenn
Sie nicht das Denkschreibcn Louis Bonaparte's an seine Wähler lesen," lautete
dasselbe, „erkläre ich Sie als Vaterlandsverräther." Dieser Zettel war „August
Blum, ehemaliger Zögling der polytechnischen Schule" unterfertigt. So viel
Frechheit, dachte man, wäre kaum erklärlich, wenn sie sich nicht auf bedeutende
Volkskräfte stützen könnte. Man bestärkt sich in diesem Verdachte, indem man
erfährt, daß Blum gegenwärtig Abgeordneter der Männer bei den Konferenzen
im Luxembourg sei, und daß man ihn für einen der vorzüglichsten Agenten Louis
Blanc's halte. Man erfährt auch, daß sehr zahlreiche Rotten, die im Tnilerien-
garten sich herumtreiben, davon sprechen, Louis Bonaparte zum Consul zu pro-
clamiren. Das Gewitter droht in der Luft, man hat das Vorgefühl einer bal¬
digen Jnsurrection.

Die Jmpopularität von Element Thomas, jene des Vvllziehungsausschnsses
vermehrend, läßt die Schale noch einmal zu Gunsten Louis Bonaparte's sinken.
Am Is. Mai als Retter begrüßt, fiel Herr Element Thomas gleich am andern
Tage bei der Rechten in Ungnade, weil er, wie wir gesehen haben, eine Petition
der Ofstciere der Nationalgarde einbrachte, welche verlangte, daß man keine Re-
motion mache. Die Nationalgarde selbst, welche weniger republikanisch geworden,
als die Officiere, welche sie im Augenblicke der ersten Begeisterung gewählt,
wünschte einen andern Chef. In einer durch den Antrag zweier bonapartistischer
Volksvertreter, Napoleon's Bild auf dem Kreuze der Ehrenlegion wieder her¬
zustellen, hervorgerufenen Verhandlung hatte Element Thomas das öffentliche
Gefühl beleidigt, indem er „diese Symbole kaiserlicher Auszeichnungen,
diese Kinderspiele der Eitelkeit" angriff. Diese Ausdrücke, welche die
Opposition des Staatsrathes im Jahre 1802 der Errichtung der Ehrenlegion


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186304"/>
          <p xml:id="ID_1322" prev="#ID_1321"> die Aufmerksamkeit ans den sonderbaren Satz: &#x201E;Wenn das Volk mir Pflichten<lb/>
auferlegte, würde ich sie zu erfüllen wissen. Jules Favre gewissermaßen<lb/>
ehrenhafte Buße für seine Rede vom 13. thuend verlangt, daß der Brief und<lb/>
die Adresse, welche ihn begleitet, in die Hände des Justizministers niedergelegt<lb/>
werden, damit er die Schritte thue, die er für zweckdienlich erachte.<lb/>
Herr Duclerc sagt, daß die Regierung genau die Ränke der Bonapartisten kenne,<lb/>
aber sie wolle keine Uebereilung und wünschte, daß die Verhandlung auf morgen<lb/>
vertagt werde. &#x201E;Auf morgen, rief Herr Element Thomas, morgen, wo denken<lb/>
Sie hin? Auf morgen vertagen heißt Schlacht für heute!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1323"> Die Versammlung ist einen Augenblick bewegt, das Volk versammelt sich<lb/>
anf's Neue um den Pallast Bourbon. Die Volksvertreter werden draußen mit<lb/>
Hohngeschrei empfangen. Der Ruf: Es lebe der Kaiser! Nieder mit Thiers!<lb/>
Nieder mit den Volksvertretern! tönt unaufhörlich vor ihren Ohren, der Ausdruck<lb/>
der Gesichter scheint sehr düster. In dem Augenblicke, wo der Präsident der<lb/>
Nationalversammlung sich weigerte, die Adresse an die Wähler zu lesen, warf ihm<lb/>
ein Mann in einer Blouse ein Zettelchen von der Znschancrbühne herab: &#x201E;wenn<lb/>
Sie nicht das Denkschreibcn Louis Bonaparte's an seine Wähler lesen," lautete<lb/>
dasselbe, &#x201E;erkläre ich Sie als Vaterlandsverräther." Dieser Zettel war &#x201E;August<lb/>
Blum, ehemaliger Zögling der polytechnischen Schule" unterfertigt. So viel<lb/>
Frechheit, dachte man, wäre kaum erklärlich, wenn sie sich nicht auf bedeutende<lb/>
Volkskräfte stützen könnte. Man bestärkt sich in diesem Verdachte, indem man<lb/>
erfährt, daß Blum gegenwärtig Abgeordneter der Männer bei den Konferenzen<lb/>
im Luxembourg sei, und daß man ihn für einen der vorzüglichsten Agenten Louis<lb/>
Blanc's halte. Man erfährt auch, daß sehr zahlreiche Rotten, die im Tnilerien-<lb/>
garten sich herumtreiben, davon sprechen, Louis Bonaparte zum Consul zu pro-<lb/>
clamiren. Das Gewitter droht in der Luft, man hat das Vorgefühl einer bal¬<lb/>
digen Jnsurrection.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1324" next="#ID_1325"> Die Jmpopularität von Element Thomas, jene des Vvllziehungsausschnsses<lb/>
vermehrend, läßt die Schale noch einmal zu Gunsten Louis Bonaparte's sinken.<lb/>
Am Is. Mai als Retter begrüßt, fiel Herr Element Thomas gleich am andern<lb/>
Tage bei der Rechten in Ungnade, weil er, wie wir gesehen haben, eine Petition<lb/>
der Ofstciere der Nationalgarde einbrachte, welche verlangte, daß man keine Re-<lb/>
motion mache. Die Nationalgarde selbst, welche weniger republikanisch geworden,<lb/>
als die Officiere, welche sie im Augenblicke der ersten Begeisterung gewählt,<lb/>
wünschte einen andern Chef. In einer durch den Antrag zweier bonapartistischer<lb/>
Volksvertreter, Napoleon's Bild auf dem Kreuze der Ehrenlegion wieder her¬<lb/>
zustellen, hervorgerufenen Verhandlung hatte Element Thomas das öffentliche<lb/>
Gefühl beleidigt, indem er &#x201E;diese Symbole kaiserlicher Auszeichnungen,<lb/>
diese Kinderspiele der Eitelkeit" angriff. Diese Ausdrücke, welche die<lb/>
Opposition des Staatsrathes im Jahre 1802 der Errichtung der Ehrenlegion</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0428] die Aufmerksamkeit ans den sonderbaren Satz: „Wenn das Volk mir Pflichten auferlegte, würde ich sie zu erfüllen wissen. Jules Favre gewissermaßen ehrenhafte Buße für seine Rede vom 13. thuend verlangt, daß der Brief und die Adresse, welche ihn begleitet, in die Hände des Justizministers niedergelegt werden, damit er die Schritte thue, die er für zweckdienlich erachte. Herr Duclerc sagt, daß die Regierung genau die Ränke der Bonapartisten kenne, aber sie wolle keine Uebereilung und wünschte, daß die Verhandlung auf morgen vertagt werde. „Auf morgen, rief Herr Element Thomas, morgen, wo denken Sie hin? Auf morgen vertagen heißt Schlacht für heute!" Die Versammlung ist einen Augenblick bewegt, das Volk versammelt sich anf's Neue um den Pallast Bourbon. Die Volksvertreter werden draußen mit Hohngeschrei empfangen. Der Ruf: Es lebe der Kaiser! Nieder mit Thiers! Nieder mit den Volksvertretern! tönt unaufhörlich vor ihren Ohren, der Ausdruck der Gesichter scheint sehr düster. In dem Augenblicke, wo der Präsident der Nationalversammlung sich weigerte, die Adresse an die Wähler zu lesen, warf ihm ein Mann in einer Blouse ein Zettelchen von der Znschancrbühne herab: „wenn Sie nicht das Denkschreibcn Louis Bonaparte's an seine Wähler lesen," lautete dasselbe, „erkläre ich Sie als Vaterlandsverräther." Dieser Zettel war „August Blum, ehemaliger Zögling der polytechnischen Schule" unterfertigt. So viel Frechheit, dachte man, wäre kaum erklärlich, wenn sie sich nicht auf bedeutende Volkskräfte stützen könnte. Man bestärkt sich in diesem Verdachte, indem man erfährt, daß Blum gegenwärtig Abgeordneter der Männer bei den Konferenzen im Luxembourg sei, und daß man ihn für einen der vorzüglichsten Agenten Louis Blanc's halte. Man erfährt auch, daß sehr zahlreiche Rotten, die im Tnilerien- garten sich herumtreiben, davon sprechen, Louis Bonaparte zum Consul zu pro- clamiren. Das Gewitter droht in der Luft, man hat das Vorgefühl einer bal¬ digen Jnsurrection. Die Jmpopularität von Element Thomas, jene des Vvllziehungsausschnsses vermehrend, läßt die Schale noch einmal zu Gunsten Louis Bonaparte's sinken. Am Is. Mai als Retter begrüßt, fiel Herr Element Thomas gleich am andern Tage bei der Rechten in Ungnade, weil er, wie wir gesehen haben, eine Petition der Ofstciere der Nationalgarde einbrachte, welche verlangte, daß man keine Re- motion mache. Die Nationalgarde selbst, welche weniger republikanisch geworden, als die Officiere, welche sie im Augenblicke der ersten Begeisterung gewählt, wünschte einen andern Chef. In einer durch den Antrag zweier bonapartistischer Volksvertreter, Napoleon's Bild auf dem Kreuze der Ehrenlegion wieder her¬ zustellen, hervorgerufenen Verhandlung hatte Element Thomas das öffentliche Gefühl beleidigt, indem er „diese Symbole kaiserlicher Auszeichnungen, diese Kinderspiele der Eitelkeit" angriff. Diese Ausdrücke, welche die Opposition des Staatsrathes im Jahre 1802 der Errichtung der Ehrenlegion

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/428
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/428>, abgerufen am 24.07.2024.