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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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das Auge; nicht so in Luxemburg. Die zum Theil in die Felsen gehauenen und
mit Mauern und Bastionen, die noch früheren Jahrhunderten angehören, ver¬
sehenen Werke bieten einen bei weitem großartigeren Anblick, als irgend eine der
mir bekannten Festungen. Nach der Westseite hin, wo die natürliche Festigkeit
dem Platze fehlt, und welche die einzige ist, gegen die eine regelmäßige Belage¬
rung unternommen werden konnte, hat man dnrch verdoppelte Stärke der Be¬
festigungen den Mangel ziemlich erfolgreich ersetzt. Trotz alledem hat Luxemburg
im Fall eines Krieges mit Frankreich gegenwärtig nicht die Wichtigkeit einer
Festung ersten Ranges. Theils liegt es zu entfernt von den großen Linien, die
besonders jetzt, nach dem Bau der Eisenbahnen, die strategischen Operationen
verfolgen werden, theils ist es nicht im Stande, eine mehr als mäßige Besatzung
in seinen Wällen aufzunehmen, deren Casemattiruug, weil sie zum großen Theil
aus den Felsen selbst bestehen, schwierig und deshalb mangelhaft ist. Der Feind
könnte sich, ohne deshalb gefahrvolle Eventualitäten zu laufen, mit einer schwachen
Blokade des Platzes begnügen; denn selbst im Fall eines Unglücks würde weder
die Zahl der Besatzung, noch ihre von der großen OperativnSlinie zu entfernte
Lage ihn mit einer ernstlichen Behinderung seines Rückzuges bedrohen.

Was zu dem gebildeteren Theil der Einwohnerschaft gehört, wohnt fast aus¬
schließlich in der inneren Stadt, während die Vorstädte die arbeitenden Classen
und den kleinen Handwerkerstand in sich schließen. Die Bevölkerung, welche ohne
die zur Zeit meines Aufenthaltes bis auf 6000 Mann verstärkte preußische Gar¬
nison etwa 13000 Seelen beträgt, ist zu fast gleichen Hälften zwischen der Stadt
und den Vorstädten vertheilt; doch waltet in anderer Beziehung ein merkbarer
Unterschied ob. Der Firniß des Franzoseuthums, der dem Verkehr der Gebil¬
deteren anklebt, herrscht in der Stadt ausschließlich vor; man sieht nirgends ein
deutsches Schild an den Kauf- und Waarenläden, obwol der Mehrzahl nach
deutsche Namen, die dem französischen Wesen zum Trotz auf den deutschen Ur¬
sprung hinweisen. Zuweilen figuriren sie allerdings in komischen französischen
Zusammenstellungen, z. B. Nizschke-Namur, Schutze-Masson :c. In den Vor¬
städten dagegen finden sich viele deutsche Aufschriften. Die Bevölkerung des
Theils von Luxemburg, der nach der belgischen Revolution von dem früheren
Großherzogthum abgetrennt wurde, und das bis auf weniger als die Hälfte ver¬
kleinerte jetzige bildet, ist unstreitig überwiegend deutschen Stammes; die Lage
des Landes jedoch auf einer Sprachschcide und seine wechselnden politischen Schick¬
sale, die es seit Jahrhunderten unter die Botmäßigkeit verschiedener fremder
Nationen brachten, haben einen Dialekt erzeugt, der für einen Deutschen, mag
er immerhin unserer gewöhnlichen plattdeutschen Mundarten völlig kundig sein,
fast gänzlich unverständlich ist. Die Stadtbewohner und auch selbst die unteren
Staude sprechen nun zwar hochdeutsch, wenn auch erträglich nur die Gebildeten,
welche Letzteren es übrigens nur im Verkehr mit Deutschen thun, während sie


das Auge; nicht so in Luxemburg. Die zum Theil in die Felsen gehauenen und
mit Mauern und Bastionen, die noch früheren Jahrhunderten angehören, ver¬
sehenen Werke bieten einen bei weitem großartigeren Anblick, als irgend eine der
mir bekannten Festungen. Nach der Westseite hin, wo die natürliche Festigkeit
dem Platze fehlt, und welche die einzige ist, gegen die eine regelmäßige Belage¬
rung unternommen werden konnte, hat man dnrch verdoppelte Stärke der Be¬
festigungen den Mangel ziemlich erfolgreich ersetzt. Trotz alledem hat Luxemburg
im Fall eines Krieges mit Frankreich gegenwärtig nicht die Wichtigkeit einer
Festung ersten Ranges. Theils liegt es zu entfernt von den großen Linien, die
besonders jetzt, nach dem Bau der Eisenbahnen, die strategischen Operationen
verfolgen werden, theils ist es nicht im Stande, eine mehr als mäßige Besatzung
in seinen Wällen aufzunehmen, deren Casemattiruug, weil sie zum großen Theil
aus den Felsen selbst bestehen, schwierig und deshalb mangelhaft ist. Der Feind
könnte sich, ohne deshalb gefahrvolle Eventualitäten zu laufen, mit einer schwachen
Blokade des Platzes begnügen; denn selbst im Fall eines Unglücks würde weder
die Zahl der Besatzung, noch ihre von der großen OperativnSlinie zu entfernte
Lage ihn mit einer ernstlichen Behinderung seines Rückzuges bedrohen.

Was zu dem gebildeteren Theil der Einwohnerschaft gehört, wohnt fast aus¬
schließlich in der inneren Stadt, während die Vorstädte die arbeitenden Classen
und den kleinen Handwerkerstand in sich schließen. Die Bevölkerung, welche ohne
die zur Zeit meines Aufenthaltes bis auf 6000 Mann verstärkte preußische Gar¬
nison etwa 13000 Seelen beträgt, ist zu fast gleichen Hälften zwischen der Stadt
und den Vorstädten vertheilt; doch waltet in anderer Beziehung ein merkbarer
Unterschied ob. Der Firniß des Franzoseuthums, der dem Verkehr der Gebil¬
deteren anklebt, herrscht in der Stadt ausschließlich vor; man sieht nirgends ein
deutsches Schild an den Kauf- und Waarenläden, obwol der Mehrzahl nach
deutsche Namen, die dem französischen Wesen zum Trotz auf den deutschen Ur¬
sprung hinweisen. Zuweilen figuriren sie allerdings in komischen französischen
Zusammenstellungen, z. B. Nizschke-Namur, Schutze-Masson :c. In den Vor¬
städten dagegen finden sich viele deutsche Aufschriften. Die Bevölkerung des
Theils von Luxemburg, der nach der belgischen Revolution von dem früheren
Großherzogthum abgetrennt wurde, und das bis auf weniger als die Hälfte ver¬
kleinerte jetzige bildet, ist unstreitig überwiegend deutschen Stammes; die Lage
des Landes jedoch auf einer Sprachschcide und seine wechselnden politischen Schick¬
sale, die es seit Jahrhunderten unter die Botmäßigkeit verschiedener fremder
Nationen brachten, haben einen Dialekt erzeugt, der für einen Deutschen, mag
er immerhin unserer gewöhnlichen plattdeutschen Mundarten völlig kundig sein,
fast gänzlich unverständlich ist. Die Stadtbewohner und auch selbst die unteren
Staude sprechen nun zwar hochdeutsch, wenn auch erträglich nur die Gebildeten,
welche Letzteren es übrigens nur im Verkehr mit Deutschen thun, während sie


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[0412] das Auge; nicht so in Luxemburg. Die zum Theil in die Felsen gehauenen und mit Mauern und Bastionen, die noch früheren Jahrhunderten angehören, ver¬ sehenen Werke bieten einen bei weitem großartigeren Anblick, als irgend eine der mir bekannten Festungen. Nach der Westseite hin, wo die natürliche Festigkeit dem Platze fehlt, und welche die einzige ist, gegen die eine regelmäßige Belage¬ rung unternommen werden konnte, hat man dnrch verdoppelte Stärke der Be¬ festigungen den Mangel ziemlich erfolgreich ersetzt. Trotz alledem hat Luxemburg im Fall eines Krieges mit Frankreich gegenwärtig nicht die Wichtigkeit einer Festung ersten Ranges. Theils liegt es zu entfernt von den großen Linien, die besonders jetzt, nach dem Bau der Eisenbahnen, die strategischen Operationen verfolgen werden, theils ist es nicht im Stande, eine mehr als mäßige Besatzung in seinen Wällen aufzunehmen, deren Casemattiruug, weil sie zum großen Theil aus den Felsen selbst bestehen, schwierig und deshalb mangelhaft ist. Der Feind könnte sich, ohne deshalb gefahrvolle Eventualitäten zu laufen, mit einer schwachen Blokade des Platzes begnügen; denn selbst im Fall eines Unglücks würde weder die Zahl der Besatzung, noch ihre von der großen OperativnSlinie zu entfernte Lage ihn mit einer ernstlichen Behinderung seines Rückzuges bedrohen. Was zu dem gebildeteren Theil der Einwohnerschaft gehört, wohnt fast aus¬ schließlich in der inneren Stadt, während die Vorstädte die arbeitenden Classen und den kleinen Handwerkerstand in sich schließen. Die Bevölkerung, welche ohne die zur Zeit meines Aufenthaltes bis auf 6000 Mann verstärkte preußische Gar¬ nison etwa 13000 Seelen beträgt, ist zu fast gleichen Hälften zwischen der Stadt und den Vorstädten vertheilt; doch waltet in anderer Beziehung ein merkbarer Unterschied ob. Der Firniß des Franzoseuthums, der dem Verkehr der Gebil¬ deteren anklebt, herrscht in der Stadt ausschließlich vor; man sieht nirgends ein deutsches Schild an den Kauf- und Waarenläden, obwol der Mehrzahl nach deutsche Namen, die dem französischen Wesen zum Trotz auf den deutschen Ur¬ sprung hinweisen. Zuweilen figuriren sie allerdings in komischen französischen Zusammenstellungen, z. B. Nizschke-Namur, Schutze-Masson :c. In den Vor¬ städten dagegen finden sich viele deutsche Aufschriften. Die Bevölkerung des Theils von Luxemburg, der nach der belgischen Revolution von dem früheren Großherzogthum abgetrennt wurde, und das bis auf weniger als die Hälfte ver¬ kleinerte jetzige bildet, ist unstreitig überwiegend deutschen Stammes; die Lage des Landes jedoch auf einer Sprachschcide und seine wechselnden politischen Schick¬ sale, die es seit Jahrhunderten unter die Botmäßigkeit verschiedener fremder Nationen brachten, haben einen Dialekt erzeugt, der für einen Deutschen, mag er immerhin unserer gewöhnlichen plattdeutschen Mundarten völlig kundig sein, fast gänzlich unverständlich ist. Die Stadtbewohner und auch selbst die unteren Staude sprechen nun zwar hochdeutsch, wenn auch erträglich nur die Gebildeten, welche Letzteren es übrigens nur im Verkehr mit Deutschen thun, während sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/412>, abgerufen am 24.07.2024.