Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Garnisonscommando eingeführte Etiquette, welche der Bnndesfestnng zu Ehren
besteht, und man kann darauf antworten, was Einem gerade beliebt, da Niemand
auf die so feierlich eingezogenen Erkundigungen einen Werth legt.

Nach einem ziemlich kurzen Wege durch die innere Stadt fuhren wir in den
Hof des Hotels ein, welcher der Zielpunkt der Fahrt unseres Personenwagens
war, und da ich keinen Grund hatte, einen andern Gasthof für besser zu hallen,
so bestellte ich mir in diesem ein Logis. Beinahe hätte ich meinen Entschluß
wieder zurückgenommen, als ich das Zimmer oder vielmehr die Zelle betrat, welche
mir angewiesen wurde. Das äußerst kleine Gemach wurde fast zur Hälfte durch
ein unvernünftig großes Bett eingenommen, auf dessen oberem Ende sich ein so
winziges Kopfkissen befand, daß es sicher keine leichte Aufgabe war, dasselbe die
Nacht hindurch unter dem Kopfe zu behalten. Eben so sparsam war das Bettlaken
zugemessen, das sich in Folge dessen, sobald man sich niederlegte, zusammenrollte und
verschwand. Das ganze Meublement des Zimmers bestand sonst nur ans einer
schweren Nußbaumcvmmode, zwei Strohstühlen und einem roh gezimmerten, mit
Oelfarbe angestrichene,? Tisch, der zugleich als Waschtisch diente. Ich gestehe, daß
diese spartanische Einrichtung meinem Geschmacke nicht im Geringsten entsprach.
Bei den bescheidensten Ansprüchen verlangt man denn doch zum Mindesten ein
Sopha. Ich glaubte anfangs, man hätte mir die schlechteste Kammer im ganzen
Hause gegeben, sah jedoch in der Folge, daß die Einrichtung des Hotels über¬
haupt nicht darauf berechnet war, den Gästen Bequemlichkeiten auf ihren Zimmern
darzubieten. Mau erwartete, daß dieselbe" sich zu ihrem Ausenthalt des großen
Gastzimmers bedienen würden. Hier versammelt sich schon des Morgens Alles
zum Kaffee, und auch im Laufe des Tages verweilt man größtentheils daselbst,
insofern man nicht außerhalb des Hauses ist. In allem Uebrigen war der Gast¬
hof -- der beste in Luxemburg, wie man mir sagte -- zwar einfach, aber gut und
ausnehmend billig; in Betreff der Zimmer jedoch sind die Fortschritte der modernen
Hvtclwirthschaft noch nicht bis nach Luxemburg gedrungen.

Luxemburg ist für den, welcher die Moselgegenden bereist, eines kleinen
Abstechers uicht unwerth. Die gewaltigen und auch durch ihr Aeußeres impo-
nirenden Festungswerke, wie die eigenthümliche, pittoreske Lage der Stadt, hinter¬
lassen dem Besucher einen dauernden Eindruck. Der innere Theil der Letzteren,
welcher zugleich die eigentliche Festung bildet, liegt aus einem Felsen, der ans drei
Seiten durch den tiefen Thalgrund der Alsctte, eines kleinen Flusses, umgeben
wird und nnr nach Westen hin mit dem übrigen Lande in ebener Verbindung
steht. Schroffe Felsenvorsprunge fallen von allen Seiten in das Thal hinab, in
welchem sich um den halben Umfang der Stadt etwa die Vorstädte herumziehen.
Auch diese sind uoch in dem Bereich der mächtigen Außenwerke, die sich bis ans
den querüberliegcnden Rand der Schlucht erstrecken. Die neuere Befestigungs-
kunst mit ihren einförmigen Wällen gewährt meistens nichts Anziehendes für


S1*

Garnisonscommando eingeführte Etiquette, welche der Bnndesfestnng zu Ehren
besteht, und man kann darauf antworten, was Einem gerade beliebt, da Niemand
auf die so feierlich eingezogenen Erkundigungen einen Werth legt.

Nach einem ziemlich kurzen Wege durch die innere Stadt fuhren wir in den
Hof des Hotels ein, welcher der Zielpunkt der Fahrt unseres Personenwagens
war, und da ich keinen Grund hatte, einen andern Gasthof für besser zu hallen,
so bestellte ich mir in diesem ein Logis. Beinahe hätte ich meinen Entschluß
wieder zurückgenommen, als ich das Zimmer oder vielmehr die Zelle betrat, welche
mir angewiesen wurde. Das äußerst kleine Gemach wurde fast zur Hälfte durch
ein unvernünftig großes Bett eingenommen, auf dessen oberem Ende sich ein so
winziges Kopfkissen befand, daß es sicher keine leichte Aufgabe war, dasselbe die
Nacht hindurch unter dem Kopfe zu behalten. Eben so sparsam war das Bettlaken
zugemessen, das sich in Folge dessen, sobald man sich niederlegte, zusammenrollte und
verschwand. Das ganze Meublement des Zimmers bestand sonst nur ans einer
schweren Nußbaumcvmmode, zwei Strohstühlen und einem roh gezimmerten, mit
Oelfarbe angestrichene,? Tisch, der zugleich als Waschtisch diente. Ich gestehe, daß
diese spartanische Einrichtung meinem Geschmacke nicht im Geringsten entsprach.
Bei den bescheidensten Ansprüchen verlangt man denn doch zum Mindesten ein
Sopha. Ich glaubte anfangs, man hätte mir die schlechteste Kammer im ganzen
Hause gegeben, sah jedoch in der Folge, daß die Einrichtung des Hotels über¬
haupt nicht darauf berechnet war, den Gästen Bequemlichkeiten auf ihren Zimmern
darzubieten. Mau erwartete, daß dieselbe» sich zu ihrem Ausenthalt des großen
Gastzimmers bedienen würden. Hier versammelt sich schon des Morgens Alles
zum Kaffee, und auch im Laufe des Tages verweilt man größtentheils daselbst,
insofern man nicht außerhalb des Hauses ist. In allem Uebrigen war der Gast¬
hof — der beste in Luxemburg, wie man mir sagte — zwar einfach, aber gut und
ausnehmend billig; in Betreff der Zimmer jedoch sind die Fortschritte der modernen
Hvtclwirthschaft noch nicht bis nach Luxemburg gedrungen.

Luxemburg ist für den, welcher die Moselgegenden bereist, eines kleinen
Abstechers uicht unwerth. Die gewaltigen und auch durch ihr Aeußeres impo-
nirenden Festungswerke, wie die eigenthümliche, pittoreske Lage der Stadt, hinter¬
lassen dem Besucher einen dauernden Eindruck. Der innere Theil der Letzteren,
welcher zugleich die eigentliche Festung bildet, liegt aus einem Felsen, der ans drei
Seiten durch den tiefen Thalgrund der Alsctte, eines kleinen Flusses, umgeben
wird und nnr nach Westen hin mit dem übrigen Lande in ebener Verbindung
steht. Schroffe Felsenvorsprunge fallen von allen Seiten in das Thal hinab, in
welchem sich um den halben Umfang der Stadt etwa die Vorstädte herumziehen.
Auch diese sind uoch in dem Bereich der mächtigen Außenwerke, die sich bis ans
den querüberliegcnden Rand der Schlucht erstrecken. Die neuere Befestigungs-
kunst mit ihren einförmigen Wällen gewährt meistens nichts Anziehendes für


S1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186287"/>
          <p xml:id="ID_1261" prev="#ID_1260"> Garnisonscommando eingeführte Etiquette, welche der Bnndesfestnng zu Ehren<lb/>
besteht, und man kann darauf antworten, was Einem gerade beliebt, da Niemand<lb/>
auf die so feierlich eingezogenen Erkundigungen einen Werth legt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1262"> Nach einem ziemlich kurzen Wege durch die innere Stadt fuhren wir in den<lb/>
Hof des Hotels ein, welcher der Zielpunkt der Fahrt unseres Personenwagens<lb/>
war, und da ich keinen Grund hatte, einen andern Gasthof für besser zu hallen,<lb/>
so bestellte ich mir in diesem ein Logis. Beinahe hätte ich meinen Entschluß<lb/>
wieder zurückgenommen, als ich das Zimmer oder vielmehr die Zelle betrat, welche<lb/>
mir angewiesen wurde. Das äußerst kleine Gemach wurde fast zur Hälfte durch<lb/>
ein unvernünftig großes Bett eingenommen, auf dessen oberem Ende sich ein so<lb/>
winziges Kopfkissen befand, daß es sicher keine leichte Aufgabe war, dasselbe die<lb/>
Nacht hindurch unter dem Kopfe zu behalten. Eben so sparsam war das Bettlaken<lb/>
zugemessen, das sich in Folge dessen, sobald man sich niederlegte, zusammenrollte und<lb/>
verschwand. Das ganze Meublement des Zimmers bestand sonst nur ans einer<lb/>
schweren Nußbaumcvmmode, zwei Strohstühlen und einem roh gezimmerten, mit<lb/>
Oelfarbe angestrichene,? Tisch, der zugleich als Waschtisch diente. Ich gestehe, daß<lb/>
diese spartanische Einrichtung meinem Geschmacke nicht im Geringsten entsprach.<lb/>
Bei den bescheidensten Ansprüchen verlangt man denn doch zum Mindesten ein<lb/>
Sopha. Ich glaubte anfangs, man hätte mir die schlechteste Kammer im ganzen<lb/>
Hause gegeben, sah jedoch in der Folge, daß die Einrichtung des Hotels über¬<lb/>
haupt nicht darauf berechnet war, den Gästen Bequemlichkeiten auf ihren Zimmern<lb/>
darzubieten. Mau erwartete, daß dieselbe» sich zu ihrem Ausenthalt des großen<lb/>
Gastzimmers bedienen würden. Hier versammelt sich schon des Morgens Alles<lb/>
zum Kaffee, und auch im Laufe des Tages verweilt man größtentheils daselbst,<lb/>
insofern man nicht außerhalb des Hauses ist. In allem Uebrigen war der Gast¬<lb/>
hof &#x2014; der beste in Luxemburg, wie man mir sagte &#x2014; zwar einfach, aber gut und<lb/>
ausnehmend billig; in Betreff der Zimmer jedoch sind die Fortschritte der modernen<lb/>
Hvtclwirthschaft noch nicht bis nach Luxemburg gedrungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1263" next="#ID_1264"> Luxemburg ist für den, welcher die Moselgegenden bereist, eines kleinen<lb/>
Abstechers uicht unwerth. Die gewaltigen und auch durch ihr Aeußeres impo-<lb/>
nirenden Festungswerke, wie die eigenthümliche, pittoreske Lage der Stadt, hinter¬<lb/>
lassen dem Besucher einen dauernden Eindruck. Der innere Theil der Letzteren,<lb/>
welcher zugleich die eigentliche Festung bildet, liegt aus einem Felsen, der ans drei<lb/>
Seiten durch den tiefen Thalgrund der Alsctte, eines kleinen Flusses, umgeben<lb/>
wird und nnr nach Westen hin mit dem übrigen Lande in ebener Verbindung<lb/>
steht. Schroffe Felsenvorsprunge fallen von allen Seiten in das Thal hinab, in<lb/>
welchem sich um den halben Umfang der Stadt etwa die Vorstädte herumziehen.<lb/>
Auch diese sind uoch in dem Bereich der mächtigen Außenwerke, die sich bis ans<lb/>
den querüberliegcnden Rand der Schlucht erstrecken. Die neuere Befestigungs-<lb/>
kunst mit ihren einförmigen Wällen gewährt meistens nichts Anziehendes für</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> S1*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0411] Garnisonscommando eingeführte Etiquette, welche der Bnndesfestnng zu Ehren besteht, und man kann darauf antworten, was Einem gerade beliebt, da Niemand auf die so feierlich eingezogenen Erkundigungen einen Werth legt. Nach einem ziemlich kurzen Wege durch die innere Stadt fuhren wir in den Hof des Hotels ein, welcher der Zielpunkt der Fahrt unseres Personenwagens war, und da ich keinen Grund hatte, einen andern Gasthof für besser zu hallen, so bestellte ich mir in diesem ein Logis. Beinahe hätte ich meinen Entschluß wieder zurückgenommen, als ich das Zimmer oder vielmehr die Zelle betrat, welche mir angewiesen wurde. Das äußerst kleine Gemach wurde fast zur Hälfte durch ein unvernünftig großes Bett eingenommen, auf dessen oberem Ende sich ein so winziges Kopfkissen befand, daß es sicher keine leichte Aufgabe war, dasselbe die Nacht hindurch unter dem Kopfe zu behalten. Eben so sparsam war das Bettlaken zugemessen, das sich in Folge dessen, sobald man sich niederlegte, zusammenrollte und verschwand. Das ganze Meublement des Zimmers bestand sonst nur ans einer schweren Nußbaumcvmmode, zwei Strohstühlen und einem roh gezimmerten, mit Oelfarbe angestrichene,? Tisch, der zugleich als Waschtisch diente. Ich gestehe, daß diese spartanische Einrichtung meinem Geschmacke nicht im Geringsten entsprach. Bei den bescheidensten Ansprüchen verlangt man denn doch zum Mindesten ein Sopha. Ich glaubte anfangs, man hätte mir die schlechteste Kammer im ganzen Hause gegeben, sah jedoch in der Folge, daß die Einrichtung des Hotels über¬ haupt nicht darauf berechnet war, den Gästen Bequemlichkeiten auf ihren Zimmern darzubieten. Mau erwartete, daß dieselbe» sich zu ihrem Ausenthalt des großen Gastzimmers bedienen würden. Hier versammelt sich schon des Morgens Alles zum Kaffee, und auch im Laufe des Tages verweilt man größtentheils daselbst, insofern man nicht außerhalb des Hauses ist. In allem Uebrigen war der Gast¬ hof — der beste in Luxemburg, wie man mir sagte — zwar einfach, aber gut und ausnehmend billig; in Betreff der Zimmer jedoch sind die Fortschritte der modernen Hvtclwirthschaft noch nicht bis nach Luxemburg gedrungen. Luxemburg ist für den, welcher die Moselgegenden bereist, eines kleinen Abstechers uicht unwerth. Die gewaltigen und auch durch ihr Aeußeres impo- nirenden Festungswerke, wie die eigenthümliche, pittoreske Lage der Stadt, hinter¬ lassen dem Besucher einen dauernden Eindruck. Der innere Theil der Letzteren, welcher zugleich die eigentliche Festung bildet, liegt aus einem Felsen, der ans drei Seiten durch den tiefen Thalgrund der Alsctte, eines kleinen Flusses, umgeben wird und nnr nach Westen hin mit dem übrigen Lande in ebener Verbindung steht. Schroffe Felsenvorsprunge fallen von allen Seiten in das Thal hinab, in welchem sich um den halben Umfang der Stadt etwa die Vorstädte herumziehen. Auch diese sind uoch in dem Bereich der mächtigen Außenwerke, die sich bis ans den querüberliegcnden Rand der Schlucht erstrecken. Die neuere Befestigungs- kunst mit ihren einförmigen Wällen gewährt meistens nichts Anziehendes für S1*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/411
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/411>, abgerufen am 24.07.2024.