Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ohren dagegen eben so unlieblich, als unverständlich erklang. Der Würdige war
offenbar gut gewählt, um wenn auch keine Empfehlungen, so doch auch keine
für den Vortheil seiner Herrschaft nachtheilige Angaben zu machen.

Das erste Drittel des Weges führt noch dnrch preußisches Gebiet und durch
eine anmuthige Gegend; zur Linken die Mosel in mannigfachen Krümmungen,
rechts ein Höhenzug, der theils in schroffen Abhängen unmittelbar die Straße
begrenzt, theils malerische Thalschluchten eröffnet. Die erste Station liegt auf
der Grenze des Großherzogthums, und während die Pferde gewechselt wurden,
examinirte mich ein übrigens sehr höflicher Gensdarm über meine Legitimation
und allerlei andre Umstände, wie z. B. Zweck der Reise ze. Auch derartige In¬
quisitionen ans der Landesgrenze ist man nicht mehr gewohnt in den deutschen
Bundesstaaten, wo die Nachfrage nach deu Pässen erst in den Gasthöfen anfängt,
mit Ausnahme Berlins, wo man die Reisenden ans den Bahnhöfen abfängt
und die Unglücklichen, welche zu leicht befunden werden, nach dem Pvlizciamt dirigirt.

Von nun an begann der Weg zu steigen und das Land einen andern
Charakter anzunehmen, indem die Straße das Mosclthal verließ. Das luxem¬
burgische Gebiet ist ein Hochplateau von mäßiger Höhe und zum großen Theil
bewaldet. Es bietet nicht diese weiten und schönen Thalgründe, welche die Mosel-
gegend um Trier herum auszeichnen. Schmale und tiefe Einsenkungen, durch
welche kleine Flüsse der Mosel zueilen, unterbrechen zuweilen die im Uebrigen zwar
nicht unschöne, aber doch etwas einförmige Landschaft. Da wir uns schon im
Anfange deö September befanden, siel der letzte Theil der Reise in die zunehmende
Dämmerung, und die Nacht war vollständig eingebrochen, als wir in Luxemburg
anlangten.

Das Erste, was ich von der Stadt wahrnahm, waren die gewaltigen, zum
Theil in die Felsen gehauenen Festungswerke, deren Dimensionen die Dunkelheit
noch vergrößerte. Als wir über den gemauerten Viadukt fuhren, der über das von
der Alsette gebildete Thal hinweg die Außenwerke mit der innern Stadt verbindet,
gewährten zahllose Lichter, die nach beiden Seiten hin aus der Tiefe herauf¬
schimmerten, sie blinkten aus den Fenstern der dort liegenden Vorstädte --
einen phantastisch schönen Eindruck. Sobald wir die Thorwache erreichten, trat
ein preußischer Soldat hervor und richtete an die Mitreisenden nacheinander die
Fragen: "Woher kommen Sie?" "Wo werden Sie wohnen?" "Wie lange
denken Sie hier zu bleiben und zu welchem Zwecke?" die endlich mit der Ab-
forderung des Passes, sofern man einen besaß, und der Mittheilung schlössen,
man werde ihn dnrch die Polizei zurückerhalten. Ich war beinahe geneigt zu
glauben, ich befände mich, einmal in Luxemburg, im Zustande einer halben Ge¬
fangenschaft, statt daß in der Wirklichkeit vielleicht in keinem deutschen Staate die
Polizei dem Fremde" so wenig lästig fällt, als gerade hier. Dies ganze Cere-
moniell, womit man die Reisenden empfängt, ist nichts als eine Seitens des


Ohren dagegen eben so unlieblich, als unverständlich erklang. Der Würdige war
offenbar gut gewählt, um wenn auch keine Empfehlungen, so doch auch keine
für den Vortheil seiner Herrschaft nachtheilige Angaben zu machen.

Das erste Drittel des Weges führt noch dnrch preußisches Gebiet und durch
eine anmuthige Gegend; zur Linken die Mosel in mannigfachen Krümmungen,
rechts ein Höhenzug, der theils in schroffen Abhängen unmittelbar die Straße
begrenzt, theils malerische Thalschluchten eröffnet. Die erste Station liegt auf
der Grenze des Großherzogthums, und während die Pferde gewechselt wurden,
examinirte mich ein übrigens sehr höflicher Gensdarm über meine Legitimation
und allerlei andre Umstände, wie z. B. Zweck der Reise ze. Auch derartige In¬
quisitionen ans der Landesgrenze ist man nicht mehr gewohnt in den deutschen
Bundesstaaten, wo die Nachfrage nach deu Pässen erst in den Gasthöfen anfängt,
mit Ausnahme Berlins, wo man die Reisenden ans den Bahnhöfen abfängt
und die Unglücklichen, welche zu leicht befunden werden, nach dem Pvlizciamt dirigirt.

Von nun an begann der Weg zu steigen und das Land einen andern
Charakter anzunehmen, indem die Straße das Mosclthal verließ. Das luxem¬
burgische Gebiet ist ein Hochplateau von mäßiger Höhe und zum großen Theil
bewaldet. Es bietet nicht diese weiten und schönen Thalgründe, welche die Mosel-
gegend um Trier herum auszeichnen. Schmale und tiefe Einsenkungen, durch
welche kleine Flüsse der Mosel zueilen, unterbrechen zuweilen die im Uebrigen zwar
nicht unschöne, aber doch etwas einförmige Landschaft. Da wir uns schon im
Anfange deö September befanden, siel der letzte Theil der Reise in die zunehmende
Dämmerung, und die Nacht war vollständig eingebrochen, als wir in Luxemburg
anlangten.

Das Erste, was ich von der Stadt wahrnahm, waren die gewaltigen, zum
Theil in die Felsen gehauenen Festungswerke, deren Dimensionen die Dunkelheit
noch vergrößerte. Als wir über den gemauerten Viadukt fuhren, der über das von
der Alsette gebildete Thal hinweg die Außenwerke mit der innern Stadt verbindet,
gewährten zahllose Lichter, die nach beiden Seiten hin aus der Tiefe herauf¬
schimmerten, sie blinkten aus den Fenstern der dort liegenden Vorstädte —
einen phantastisch schönen Eindruck. Sobald wir die Thorwache erreichten, trat
ein preußischer Soldat hervor und richtete an die Mitreisenden nacheinander die
Fragen: „Woher kommen Sie?" „Wo werden Sie wohnen?" „Wie lange
denken Sie hier zu bleiben und zu welchem Zwecke?" die endlich mit der Ab-
forderung des Passes, sofern man einen besaß, und der Mittheilung schlössen,
man werde ihn dnrch die Polizei zurückerhalten. Ich war beinahe geneigt zu
glauben, ich befände mich, einmal in Luxemburg, im Zustande einer halben Ge¬
fangenschaft, statt daß in der Wirklichkeit vielleicht in keinem deutschen Staate die
Polizei dem Fremde» so wenig lästig fällt, als gerade hier. Dies ganze Cere-
moniell, womit man die Reisenden empfängt, ist nichts als eine Seitens des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186286"/>
          <p xml:id="ID_1257" prev="#ID_1256"> Ohren dagegen eben so unlieblich, als unverständlich erklang. Der Würdige war<lb/>
offenbar gut gewählt, um wenn auch keine Empfehlungen, so doch auch keine<lb/>
für den Vortheil seiner Herrschaft nachtheilige Angaben zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1258"> Das erste Drittel des Weges führt noch dnrch preußisches Gebiet und durch<lb/>
eine anmuthige Gegend; zur Linken die Mosel in mannigfachen Krümmungen,<lb/>
rechts ein Höhenzug, der theils in schroffen Abhängen unmittelbar die Straße<lb/>
begrenzt, theils malerische Thalschluchten eröffnet. Die erste Station liegt auf<lb/>
der Grenze des Großherzogthums, und während die Pferde gewechselt wurden,<lb/>
examinirte mich ein übrigens sehr höflicher Gensdarm über meine Legitimation<lb/>
und allerlei andre Umstände, wie z. B. Zweck der Reise ze. Auch derartige In¬<lb/>
quisitionen ans der Landesgrenze ist man nicht mehr gewohnt in den deutschen<lb/>
Bundesstaaten, wo die Nachfrage nach deu Pässen erst in den Gasthöfen anfängt,<lb/>
mit Ausnahme Berlins, wo man die Reisenden ans den Bahnhöfen abfängt<lb/>
und die Unglücklichen, welche zu leicht befunden werden, nach dem Pvlizciamt dirigirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1259"> Von nun an begann der Weg zu steigen und das Land einen andern<lb/>
Charakter anzunehmen, indem die Straße das Mosclthal verließ. Das luxem¬<lb/>
burgische Gebiet ist ein Hochplateau von mäßiger Höhe und zum großen Theil<lb/>
bewaldet. Es bietet nicht diese weiten und schönen Thalgründe, welche die Mosel-<lb/>
gegend um Trier herum auszeichnen. Schmale und tiefe Einsenkungen, durch<lb/>
welche kleine Flüsse der Mosel zueilen, unterbrechen zuweilen die im Uebrigen zwar<lb/>
nicht unschöne, aber doch etwas einförmige Landschaft. Da wir uns schon im<lb/>
Anfange deö September befanden, siel der letzte Theil der Reise in die zunehmende<lb/>
Dämmerung, und die Nacht war vollständig eingebrochen, als wir in Luxemburg<lb/>
anlangten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1260" next="#ID_1261"> Das Erste, was ich von der Stadt wahrnahm, waren die gewaltigen, zum<lb/>
Theil in die Felsen gehauenen Festungswerke, deren Dimensionen die Dunkelheit<lb/>
noch vergrößerte. Als wir über den gemauerten Viadukt fuhren, der über das von<lb/>
der Alsette gebildete Thal hinweg die Außenwerke mit der innern Stadt verbindet,<lb/>
gewährten zahllose Lichter, die nach beiden Seiten hin aus der Tiefe herauf¬<lb/>
schimmerten, sie blinkten aus den Fenstern der dort liegenden Vorstädte &#x2014;<lb/>
einen phantastisch schönen Eindruck. Sobald wir die Thorwache erreichten, trat<lb/>
ein preußischer Soldat hervor und richtete an die Mitreisenden nacheinander die<lb/>
Fragen: &#x201E;Woher kommen Sie?" &#x201E;Wo werden Sie wohnen?" &#x201E;Wie lange<lb/>
denken Sie hier zu bleiben und zu welchem Zwecke?" die endlich mit der Ab-<lb/>
forderung des Passes, sofern man einen besaß, und der Mittheilung schlössen,<lb/>
man werde ihn dnrch die Polizei zurückerhalten. Ich war beinahe geneigt zu<lb/>
glauben, ich befände mich, einmal in Luxemburg, im Zustande einer halben Ge¬<lb/>
fangenschaft, statt daß in der Wirklichkeit vielleicht in keinem deutschen Staate die<lb/>
Polizei dem Fremde» so wenig lästig fällt, als gerade hier. Dies ganze Cere-<lb/>
moniell, womit man die Reisenden empfängt, ist nichts als eine Seitens des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0410] Ohren dagegen eben so unlieblich, als unverständlich erklang. Der Würdige war offenbar gut gewählt, um wenn auch keine Empfehlungen, so doch auch keine für den Vortheil seiner Herrschaft nachtheilige Angaben zu machen. Das erste Drittel des Weges führt noch dnrch preußisches Gebiet und durch eine anmuthige Gegend; zur Linken die Mosel in mannigfachen Krümmungen, rechts ein Höhenzug, der theils in schroffen Abhängen unmittelbar die Straße begrenzt, theils malerische Thalschluchten eröffnet. Die erste Station liegt auf der Grenze des Großherzogthums, und während die Pferde gewechselt wurden, examinirte mich ein übrigens sehr höflicher Gensdarm über meine Legitimation und allerlei andre Umstände, wie z. B. Zweck der Reise ze. Auch derartige In¬ quisitionen ans der Landesgrenze ist man nicht mehr gewohnt in den deutschen Bundesstaaten, wo die Nachfrage nach deu Pässen erst in den Gasthöfen anfängt, mit Ausnahme Berlins, wo man die Reisenden ans den Bahnhöfen abfängt und die Unglücklichen, welche zu leicht befunden werden, nach dem Pvlizciamt dirigirt. Von nun an begann der Weg zu steigen und das Land einen andern Charakter anzunehmen, indem die Straße das Mosclthal verließ. Das luxem¬ burgische Gebiet ist ein Hochplateau von mäßiger Höhe und zum großen Theil bewaldet. Es bietet nicht diese weiten und schönen Thalgründe, welche die Mosel- gegend um Trier herum auszeichnen. Schmale und tiefe Einsenkungen, durch welche kleine Flüsse der Mosel zueilen, unterbrechen zuweilen die im Uebrigen zwar nicht unschöne, aber doch etwas einförmige Landschaft. Da wir uns schon im Anfange deö September befanden, siel der letzte Theil der Reise in die zunehmende Dämmerung, und die Nacht war vollständig eingebrochen, als wir in Luxemburg anlangten. Das Erste, was ich von der Stadt wahrnahm, waren die gewaltigen, zum Theil in die Felsen gehauenen Festungswerke, deren Dimensionen die Dunkelheit noch vergrößerte. Als wir über den gemauerten Viadukt fuhren, der über das von der Alsette gebildete Thal hinweg die Außenwerke mit der innern Stadt verbindet, gewährten zahllose Lichter, die nach beiden Seiten hin aus der Tiefe herauf¬ schimmerten, sie blinkten aus den Fenstern der dort liegenden Vorstädte — einen phantastisch schönen Eindruck. Sobald wir die Thorwache erreichten, trat ein preußischer Soldat hervor und richtete an die Mitreisenden nacheinander die Fragen: „Woher kommen Sie?" „Wo werden Sie wohnen?" „Wie lange denken Sie hier zu bleiben und zu welchem Zwecke?" die endlich mit der Ab- forderung des Passes, sofern man einen besaß, und der Mittheilung schlössen, man werde ihn dnrch die Polizei zurückerhalten. Ich war beinahe geneigt zu glauben, ich befände mich, einmal in Luxemburg, im Zustande einer halben Ge¬ fangenschaft, statt daß in der Wirklichkeit vielleicht in keinem deutschen Staate die Polizei dem Fremde» so wenig lästig fällt, als gerade hier. Dies ganze Cere- moniell, womit man die Reisenden empfängt, ist nichts als eine Seitens des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/410
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/410>, abgerufen am 28.12.2024.