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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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nach einem solchen Ausspruche auf natürlichem Wege das Recht erlangt, das
politische Axiom anzusprechen: Für Frankreich gäbe es für alle Ewigkeit keine
andere Regierung mehr, als das Kaiserreich und deu Bonapartismus. Heißt
das nicht ans glänzende Weise die Verirrungen eines Momentes gut macheu,
die deu ehemaligen Präsidenten des Cassatiouöhvfes so weit verblenden konnten,
die Dcchance Louis Napoleon's mit derselben Salbung zu proclamiren, mit
welcher jetzt die Unfehlbarkeit des alleinseligmachenden Kaiserthums verkündet
wird? Der Kaiser also wird keinen Krieg machen, weder dem Westen noch
dem Osten, der Kaiser wird das staatliche Gebäude Frankreichs erst vollenden, um
ihm dann die Krone der Freiheit auf'S strahlende Haupt zu drücke". Bis dahin
mag die müde Freiheit sanft schlummern, diese Ruhe wird ihrer angegriffenen Konsti¬
tution nur zuträglich sein. Die Freiheit hat nach der Staatstheorie unsrer Monarchen
beim Aufbau eines Staatsgebäudes gar nichts zu schaffen, sie ist wie ein neu¬
gieriges Kind, das dem Architekten fortwährend zwischen den Beinen herumläuft
und nur selbst Schaden nehmen kann, ohne zu helfen. Erst wenn das Werk
vollendet und befestigt ist, dann mag sie erwachen und ihre Stimme erheben.
Die Amerikaner, welche mit Hilfe der Freiheit ihre Constitution und ihre Re-
pikblik aufgebaut haben, wissen nicht, was sie gethan, oder vielmehr, sie wissen es
nnr zu gut, sie leben nnn in drückender und langweiliger Monotonie bald ein
Jahrhundert unter denselben Gesehen, in derselben Weise, ohne Abwechselung
und ohne Fortschritt. Wie anders Frankreich! Es hat in derselbe" Zeit das
erste Eude der Bourbonen, den ersten Anfang und das erste Ende der Republik,
den ersten Anfang und das erste Ende Napoleon's des Ersten, den zweiten An¬
fang und das zweite Ende der Bourbonen, den ersten Anfang und das erste Ende
der Orleanisten, den zweiten Anfang und das zweite Ende der Republik, und den
zweiten Anfang der napoleoniden in bunten, interessanten und raschen Bildern
an sich vorüberziehen gesehen. Wie unterhaltend! Und wem danken sie diesen
reichen Wechsel an Schauspielen, wein anders, als dem weisen Grundsatze, daß
jede Regierung immer zuerst an sich und daun an die Freiheit, das heißt an das
Volk und das Land zu denken hat. Nur die zweite Republik hat eine Ausnahme
gemacht, da hat die Regierung weder an sich, uoch an die Freiheit, sie hat gar
nichts gedacht. Auf die Freiheit müssen wir noch eine Weile verzichte", das geht
aus dem feierlichen Versprechen der Thronrede klar genug hervor, unsre Regie¬
rung wird ihr heilsames Werk mit Hilfe anderer Handlanger zu Stande bringen.
Sie hat sich andere Bundesgenossen auserkoren, als die Freiheit mit ihrem un¬
bequemen Gefolge von Journalen, Rennivue", Debatten und Kritiken. Wir haben
verständigere, gefälligere, umsichtigere und ausdauerndere Unterbaumeister. Da
haben Sie zum Beispiel den Clerus -- mit welcher Aufopferung, mit welchem
Eifer nimmt er sich nicht der neue" Zustände an! Kaum trägt mau ihm eine
Arbeit, eine Sendung auf, und er strebt in seiner rastlosen Thätigkeit bereits


nach einem solchen Ausspruche auf natürlichem Wege das Recht erlangt, das
politische Axiom anzusprechen: Für Frankreich gäbe es für alle Ewigkeit keine
andere Regierung mehr, als das Kaiserreich und deu Bonapartismus. Heißt
das nicht ans glänzende Weise die Verirrungen eines Momentes gut macheu,
die deu ehemaligen Präsidenten des Cassatiouöhvfes so weit verblenden konnten,
die Dcchance Louis Napoleon's mit derselben Salbung zu proclamiren, mit
welcher jetzt die Unfehlbarkeit des alleinseligmachenden Kaiserthums verkündet
wird? Der Kaiser also wird keinen Krieg machen, weder dem Westen noch
dem Osten, der Kaiser wird das staatliche Gebäude Frankreichs erst vollenden, um
ihm dann die Krone der Freiheit auf'S strahlende Haupt zu drücke». Bis dahin
mag die müde Freiheit sanft schlummern, diese Ruhe wird ihrer angegriffenen Konsti¬
tution nur zuträglich sein. Die Freiheit hat nach der Staatstheorie unsrer Monarchen
beim Aufbau eines Staatsgebäudes gar nichts zu schaffen, sie ist wie ein neu¬
gieriges Kind, das dem Architekten fortwährend zwischen den Beinen herumläuft
und nur selbst Schaden nehmen kann, ohne zu helfen. Erst wenn das Werk
vollendet und befestigt ist, dann mag sie erwachen und ihre Stimme erheben.
Die Amerikaner, welche mit Hilfe der Freiheit ihre Constitution und ihre Re-
pikblik aufgebaut haben, wissen nicht, was sie gethan, oder vielmehr, sie wissen es
nnr zu gut, sie leben nnn in drückender und langweiliger Monotonie bald ein
Jahrhundert unter denselben Gesehen, in derselben Weise, ohne Abwechselung
und ohne Fortschritt. Wie anders Frankreich! Es hat in derselbe» Zeit das
erste Eude der Bourbonen, den ersten Anfang und das erste Ende der Republik,
den ersten Anfang und das erste Ende Napoleon's des Ersten, den zweiten An¬
fang und das zweite Ende der Bourbonen, den ersten Anfang und das erste Ende
der Orleanisten, den zweiten Anfang und das zweite Ende der Republik, und den
zweiten Anfang der napoleoniden in bunten, interessanten und raschen Bildern
an sich vorüberziehen gesehen. Wie unterhaltend! Und wem danken sie diesen
reichen Wechsel an Schauspielen, wein anders, als dem weisen Grundsatze, daß
jede Regierung immer zuerst an sich und daun an die Freiheit, das heißt an das
Volk und das Land zu denken hat. Nur die zweite Republik hat eine Ausnahme
gemacht, da hat die Regierung weder an sich, uoch an die Freiheit, sie hat gar
nichts gedacht. Auf die Freiheit müssen wir noch eine Weile verzichte», das geht
aus dem feierlichen Versprechen der Thronrede klar genug hervor, unsre Regie¬
rung wird ihr heilsames Werk mit Hilfe anderer Handlanger zu Stande bringen.
Sie hat sich andere Bundesgenossen auserkoren, als die Freiheit mit ihrem un¬
bequemen Gefolge von Journalen, Rennivue», Debatten und Kritiken. Wir haben
verständigere, gefälligere, umsichtigere und ausdauerndere Unterbaumeister. Da
haben Sie zum Beispiel den Clerus — mit welcher Aufopferung, mit welchem
Eifer nimmt er sich nicht der neue» Zustände an! Kaum trägt mau ihm eine
Arbeit, eine Sendung auf, und er strebt in seiner rastlosen Thätigkeit bereits


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/405>, abgerufen am 28.12.2024.