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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ten Landtags, auf der mehrere Korporationen, sowie deutsche Bundesfürsten für
ihre preußischen Gntcrcvmplexe dnrch Stellvertretung eine Stimme führten,
was in der neu beabsichtigten Kammer nicht thunlich erscheint -- in der
außerdem nicht Alle das Vermögen besaßen, das mit der Pairie verbunden sein
sollte, zählte nur 80 Mitglieder, und die Regierung hatte damals möglichst
Alles herbeigezogen, um dieser Versammlung das erforderliche Gewicht der untern
Curie gegenüber zu geben. Man mag daraus entnehmen, daß Preußen in der
That nicht mehr zu erblichen Pairs geeignete Grundbesitzer zählt, als die gegen¬
wärtigen Bestimmungen der Verfassung der Krone gestatten zu berufen.

Hiernach reducirt sich die Frage darauf, ob eine, ebenso von den Parlciströ-
mungen, wie von dem Einfluß des Gouvernements unabhängige erste Kammer
dadurch gebildet wird, daß mau statt der jetzigen, allerdings etwas complicirten
Einrichtung, einfach der Krone die Befugniß ertheilt, erbliche und lebenslängliche
Mitglieder, ohne jede andere Beschränkung der Zahl, als die sie selbst auferlegt, zu
ernennen. Die Vertheidiger dieses Vorschlags heben hauptsächlich hervor, daß die
90 Abgeordneten der Höchstbestenerten fast nur Vertreter des ritterschaftlichen Grund¬
besitzes, mit einem Wort des Jnnkerthnms, sein würden. Zugegeben, daß dies
richtig sein mag, so werden die lebenslänglichen fast ausschließlich Vertreter der
Bureaukratie sein, aus deren Reihen sie die Regierung größtentheils entnehmen
wird. Dabei liegt die Gefahr nahe, daß bei der Leichtigkeit der Creirung lebens¬
länglicher Mitglieder und bei der Versuchung, augenblickliche Schwierigkeiten in
der ersten Kammer durch deren Ernennung zu überwinden, bald die Institution
mehr den Charakter eines bürokratischen Senats, als einer aristokratisch-erblichen
Pairie erhalten dürfte. Unabhängigkeit nach oben würde man gewiß vergebens
in einer solchen Versammlung suchen; denn die erblichen Pairs -- mau weiß ja,
wer es schon einmal war, und wer es wieder sein würde -- unterscheiden sich in ihrer
politischen Gesinnung zu vier Fünfteln in Nichts von der Masse des Junkerthums,
außer vielleicht durch eine größere Hofmäßigkeit, und der preußische Beamtenstand
hat durch die Ereignisse der letzten Jahre, so wie durch die neuen Diöciplinar-
gesetze jene unabhängige Stellung, die ihn früher auszeichnete, eingebüßt. Sicherlich
hat die constitutionelle Entwickelung Preußens von der jetzigen ersten Kammer
nur Hindernisse zu erwarten, sicherlich aber hätte sie von der beabsichtigten nicht
geringere Hindernisse zu fürchten. Der einzige Unterschied wäre, daß die jetzige
hie und da geneigt sein würde, ein specielles Standesinteresse anch gegen die
Regierung geltend zu machen, daß die beabsichtigte der Regierung aber unbedingt
zur Verfügung stände. Da scheint es denn doch, daß die constitutionelle Sache
in Preußen noch eher Nutzen von einem solchen Zwiespalt ziehen könnte, als
von einem 'Jactor der Gesetzgebung, der nicht blos reactionär, sondern auch der
stets getreue Ausdruck des gouvernementalen Willens ist.

Käme jedoch nichts Weiteres in Betracht, als ob die jetzige Kammer --


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ten Landtags, auf der mehrere Korporationen, sowie deutsche Bundesfürsten für
ihre preußischen Gntcrcvmplexe dnrch Stellvertretung eine Stimme führten,
was in der neu beabsichtigten Kammer nicht thunlich erscheint — in der
außerdem nicht Alle das Vermögen besaßen, das mit der Pairie verbunden sein
sollte, zählte nur 80 Mitglieder, und die Regierung hatte damals möglichst
Alles herbeigezogen, um dieser Versammlung das erforderliche Gewicht der untern
Curie gegenüber zu geben. Man mag daraus entnehmen, daß Preußen in der
That nicht mehr zu erblichen Pairs geeignete Grundbesitzer zählt, als die gegen¬
wärtigen Bestimmungen der Verfassung der Krone gestatten zu berufen.

Hiernach reducirt sich die Frage darauf, ob eine, ebenso von den Parlciströ-
mungen, wie von dem Einfluß des Gouvernements unabhängige erste Kammer
dadurch gebildet wird, daß mau statt der jetzigen, allerdings etwas complicirten
Einrichtung, einfach der Krone die Befugniß ertheilt, erbliche und lebenslängliche
Mitglieder, ohne jede andere Beschränkung der Zahl, als die sie selbst auferlegt, zu
ernennen. Die Vertheidiger dieses Vorschlags heben hauptsächlich hervor, daß die
90 Abgeordneten der Höchstbestenerten fast nur Vertreter des ritterschaftlichen Grund¬
besitzes, mit einem Wort des Jnnkerthnms, sein würden. Zugegeben, daß dies
richtig sein mag, so werden die lebenslänglichen fast ausschließlich Vertreter der
Bureaukratie sein, aus deren Reihen sie die Regierung größtentheils entnehmen
wird. Dabei liegt die Gefahr nahe, daß bei der Leichtigkeit der Creirung lebens¬
länglicher Mitglieder und bei der Versuchung, augenblickliche Schwierigkeiten in
der ersten Kammer durch deren Ernennung zu überwinden, bald die Institution
mehr den Charakter eines bürokratischen Senats, als einer aristokratisch-erblichen
Pairie erhalten dürfte. Unabhängigkeit nach oben würde man gewiß vergebens
in einer solchen Versammlung suchen; denn die erblichen Pairs — mau weiß ja,
wer es schon einmal war, und wer es wieder sein würde — unterscheiden sich in ihrer
politischen Gesinnung zu vier Fünfteln in Nichts von der Masse des Junkerthums,
außer vielleicht durch eine größere Hofmäßigkeit, und der preußische Beamtenstand
hat durch die Ereignisse der letzten Jahre, so wie durch die neuen Diöciplinar-
gesetze jene unabhängige Stellung, die ihn früher auszeichnete, eingebüßt. Sicherlich
hat die constitutionelle Entwickelung Preußens von der jetzigen ersten Kammer
nur Hindernisse zu erwarten, sicherlich aber hätte sie von der beabsichtigten nicht
geringere Hindernisse zu fürchten. Der einzige Unterschied wäre, daß die jetzige
hie und da geneigt sein würde, ein specielles Standesinteresse anch gegen die
Regierung geltend zu machen, daß die beabsichtigte der Regierung aber unbedingt
zur Verfügung stände. Da scheint es denn doch, daß die constitutionelle Sache
in Preußen noch eher Nutzen von einem solchen Zwiespalt ziehen könnte, als
von einem 'Jactor der Gesetzgebung, der nicht blos reactionär, sondern auch der
stets getreue Ausdruck des gouvernementalen Willens ist.

Käme jedoch nichts Weiteres in Betracht, als ob die jetzige Kammer —


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[0393] ten Landtags, auf der mehrere Korporationen, sowie deutsche Bundesfürsten für ihre preußischen Gntcrcvmplexe dnrch Stellvertretung eine Stimme führten, was in der neu beabsichtigten Kammer nicht thunlich erscheint — in der außerdem nicht Alle das Vermögen besaßen, das mit der Pairie verbunden sein sollte, zählte nur 80 Mitglieder, und die Regierung hatte damals möglichst Alles herbeigezogen, um dieser Versammlung das erforderliche Gewicht der untern Curie gegenüber zu geben. Man mag daraus entnehmen, daß Preußen in der That nicht mehr zu erblichen Pairs geeignete Grundbesitzer zählt, als die gegen¬ wärtigen Bestimmungen der Verfassung der Krone gestatten zu berufen. Hiernach reducirt sich die Frage darauf, ob eine, ebenso von den Parlciströ- mungen, wie von dem Einfluß des Gouvernements unabhängige erste Kammer dadurch gebildet wird, daß mau statt der jetzigen, allerdings etwas complicirten Einrichtung, einfach der Krone die Befugniß ertheilt, erbliche und lebenslängliche Mitglieder, ohne jede andere Beschränkung der Zahl, als die sie selbst auferlegt, zu ernennen. Die Vertheidiger dieses Vorschlags heben hauptsächlich hervor, daß die 90 Abgeordneten der Höchstbestenerten fast nur Vertreter des ritterschaftlichen Grund¬ besitzes, mit einem Wort des Jnnkerthnms, sein würden. Zugegeben, daß dies richtig sein mag, so werden die lebenslänglichen fast ausschließlich Vertreter der Bureaukratie sein, aus deren Reihen sie die Regierung größtentheils entnehmen wird. Dabei liegt die Gefahr nahe, daß bei der Leichtigkeit der Creirung lebens¬ länglicher Mitglieder und bei der Versuchung, augenblickliche Schwierigkeiten in der ersten Kammer durch deren Ernennung zu überwinden, bald die Institution mehr den Charakter eines bürokratischen Senats, als einer aristokratisch-erblichen Pairie erhalten dürfte. Unabhängigkeit nach oben würde man gewiß vergebens in einer solchen Versammlung suchen; denn die erblichen Pairs — mau weiß ja, wer es schon einmal war, und wer es wieder sein würde — unterscheiden sich in ihrer politischen Gesinnung zu vier Fünfteln in Nichts von der Masse des Junkerthums, außer vielleicht durch eine größere Hofmäßigkeit, und der preußische Beamtenstand hat durch die Ereignisse der letzten Jahre, so wie durch die neuen Diöciplinar- gesetze jene unabhängige Stellung, die ihn früher auszeichnete, eingebüßt. Sicherlich hat die constitutionelle Entwickelung Preußens von der jetzigen ersten Kammer nur Hindernisse zu erwarten, sicherlich aber hätte sie von der beabsichtigten nicht geringere Hindernisse zu fürchten. Der einzige Unterschied wäre, daß die jetzige hie und da geneigt sein würde, ein specielles Standesinteresse anch gegen die Regierung geltend zu machen, daß die beabsichtigte der Regierung aber unbedingt zur Verfügung stände. Da scheint es denn doch, daß die constitutionelle Sache in Preußen noch eher Nutzen von einem solchen Zwiespalt ziehen könnte, als von einem 'Jactor der Gesetzgebung, der nicht blos reactionär, sondern auch der stets getreue Ausdruck des gouvernementalen Willens ist. Käme jedoch nichts Weiteres in Betracht, als ob die jetzige Kammer — Grcnzlwteii. 1, 18!!3. /,9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/393>, abgerufen am 29.12.2024.