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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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durch die §K. 65--68 der Verfassung festgestellten ersten Kammer eine solche zu
setzen, die nnr ans erblichen "ut lebenslängliche" Mitgliedern auf Grund könig¬
licher Ernennung bestehen solle, aus dem doppelten Gesichtspunkt, daß erstens
der obere Zweig der Gesetzgebung dadurch dem Bereich wechselvoller politischer
Kämpfe entrückt, und mit jener Stetigkeit und Unabhängigkeit ausgestattet werde,
die zur Ausübung des ihm zustehenden Berufes nothwendig sei, daß ferner der
Krone damit ein Recht ertheilt werde, das ihr gebühre, und dessen Vorenthaltung
eine Verstimmung der Dynastie gegen die Verfassung erzeugen müsse. Die Urheber
des Antrags machten privatim kein Hehl daraus, daß die persönliche Ansicht des
Königs die Ausmärzung aller Wahlelcmente aus der ersten Kammer nud ihre
alleinige Bildung dnrch die königliche Ernennung als einen unentbehrlichen Damm
der Monarchie betrachte, nud daß die Konstitutionellen daher weise handeln
würden, die Neigung des Monarchen sür die Verfassung durch ein dahin zielendes
Zugeständnis; zu gewinnen und zu befestigen, Mittheilungen, welche ihre volle
Bestätigung durch bekannte Vorgänge erhielten, die im Verlauf der Verhandlungen
der ersten Kammer über den Pairie-Antrag stattfanden. Die von den Bethmauu-
Hollwegiaueru angeführten Gründe gewannen in einigen einflußreichen Mitgliedern
der constitutionellen Fraction der ersten Kanuner eifrige Befürworter, namentlich
i" L. Camphause"; und indem nur eine kleine Zahl der Abgeordnete" dieser
Farbe mit der äußersten Rechten gegen den Antrag stimmte, wurde ihm die Majorität
zu Theil. In der zweiten Kammer, welche das Gros der constitutionellen Partei
in sich schloß, war das Verhältniß gerade umgekehrt; die hervorragendsten Führer,
wie Vinke, Simson, Beseler, und die große Mehrzahl der Linken erklärte sich
gegen den Vorschlag -- wie später gegen die Forderung der Regierung ihr eine
elr-Mk dllmedv für die Einrichtung einer neuen ersten Kammer zu gebe" -- und
die Umbildung mußte vorläufig vertagt werde".

Der Dissens, der sich im Schooße der constitutionellen Partei offenbart hatte,
trug sich ans die sie in der Presse vertretenden Organe über; ein Theil unter¬
stützte eifrig das Aendernngsproject, ein anderer vertheidigte die Beibehaltung
der Bestimmungen der Verfassung. Wenn ich mich recht entsinne, sahe" die
Greuzbote" damals das von den Bethmann-Hollwegiaueru eingeschlagene Ver¬
fahren nicht ungünstig an, jedenfalls hegten sie bei weite", nicht die Bedenken
dagegen, die den Verfasser diesen Zeilen jetzt nicht weniger als damals erfüllen.
Trotzdem glaube ich, daß eine Zeitschrift, die im Ganzen stets milder Politik
der constitutionellen Partei gegangen ist, einer Ansicht Raum geben wird, die
dem großem Theil der letztem zur Richtschnur diente und wahrscheinlich auch
fernerhin dienen wird, und die von den gewichtigsten Gründen unterstützt wird. '

Die Umbildung der ersten Kammer kann man nicht abgesondert von der
allgemeinen politischen Situation Preußens entscheide". Es genügt nicht auf
dem Felde der Theorie den Vorzug eines solchen Oberhauses vor einem andern


durch die §K. 65—68 der Verfassung festgestellten ersten Kammer eine solche zu
setzen, die nnr ans erblichen »ut lebenslängliche» Mitgliedern auf Grund könig¬
licher Ernennung bestehen solle, aus dem doppelten Gesichtspunkt, daß erstens
der obere Zweig der Gesetzgebung dadurch dem Bereich wechselvoller politischer
Kämpfe entrückt, und mit jener Stetigkeit und Unabhängigkeit ausgestattet werde,
die zur Ausübung des ihm zustehenden Berufes nothwendig sei, daß ferner der
Krone damit ein Recht ertheilt werde, das ihr gebühre, und dessen Vorenthaltung
eine Verstimmung der Dynastie gegen die Verfassung erzeugen müsse. Die Urheber
des Antrags machten privatim kein Hehl daraus, daß die persönliche Ansicht des
Königs die Ausmärzung aller Wahlelcmente aus der ersten Kammer nud ihre
alleinige Bildung dnrch die königliche Ernennung als einen unentbehrlichen Damm
der Monarchie betrachte, nud daß die Konstitutionellen daher weise handeln
würden, die Neigung des Monarchen sür die Verfassung durch ein dahin zielendes
Zugeständnis; zu gewinnen und zu befestigen, Mittheilungen, welche ihre volle
Bestätigung durch bekannte Vorgänge erhielten, die im Verlauf der Verhandlungen
der ersten Kammer über den Pairie-Antrag stattfanden. Die von den Bethmauu-
Hollwegiaueru angeführten Gründe gewannen in einigen einflußreichen Mitgliedern
der constitutionellen Fraction der ersten Kanuner eifrige Befürworter, namentlich
i" L. Camphause»; und indem nur eine kleine Zahl der Abgeordnete» dieser
Farbe mit der äußersten Rechten gegen den Antrag stimmte, wurde ihm die Majorität
zu Theil. In der zweiten Kammer, welche das Gros der constitutionellen Partei
in sich schloß, war das Verhältniß gerade umgekehrt; die hervorragendsten Führer,
wie Vinke, Simson, Beseler, und die große Mehrzahl der Linken erklärte sich
gegen den Vorschlag — wie später gegen die Forderung der Regierung ihr eine
elr-Mk dllmedv für die Einrichtung einer neuen ersten Kammer zu gebe» — und
die Umbildung mußte vorläufig vertagt werde».

Der Dissens, der sich im Schooße der constitutionellen Partei offenbart hatte,
trug sich ans die sie in der Presse vertretenden Organe über; ein Theil unter¬
stützte eifrig das Aendernngsproject, ein anderer vertheidigte die Beibehaltung
der Bestimmungen der Verfassung. Wenn ich mich recht entsinne, sahe» die
Greuzbote» damals das von den Bethmann-Hollwegiaueru eingeschlagene Ver¬
fahren nicht ungünstig an, jedenfalls hegten sie bei weite», nicht die Bedenken
dagegen, die den Verfasser diesen Zeilen jetzt nicht weniger als damals erfüllen.
Trotzdem glaube ich, daß eine Zeitschrift, die im Ganzen stets milder Politik
der constitutionellen Partei gegangen ist, einer Ansicht Raum geben wird, die
dem großem Theil der letztem zur Richtschnur diente und wahrscheinlich auch
fernerhin dienen wird, und die von den gewichtigsten Gründen unterstützt wird. '

Die Umbildung der ersten Kammer kann man nicht abgesondert von der
allgemeinen politischen Situation Preußens entscheide». Es genügt nicht auf
dem Felde der Theorie den Vorzug eines solchen Oberhauses vor einem andern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/391>, abgerufen am 24.07.2024.