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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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der Komposition und Zeichnung meines Trachtens unmittelbar sich anreiht, da
weder Giulio Romano, noch die Caracci oder Tintoretto hier mit ihm wetteifern
könnten, so weit sie ihm in Technik überlegen gewesen sein mögen. -- Die Er¬
findung und Zeichnung seiner acht Seligkeiten zum Berliner Campo Santo z. B.
dürste der der Propheten und Sibyllen des Michel Angelo vollkommen ebenbürtig
sein, so weit diese auch in der Ausführung überlegen sind. -- Eben so ist die
Erfindung im Brande von Troja, seine Unterwelt und eine Menge kleinerer
Compositionen in der Glyptothek wol dnrch nichts Aehnliches überboten worden.
Daß seine Kunst in einem großen und starken Herzen wurzelt, fühlt man überall
heraus, es ist etwas Dämonisches in dieser mächtigen Organisation, das an das
Naturell Michel Angelo's und Tintoretto'S erinnert, seine Anschauung hat, wie
die ihre, etwas Urwcllliches, während Overbeck die Welt als .Kloster oder Feg-
feuer anschaut, Schwind als Jahrmarkt, Kaulbach als Schaubühne, so betrachtet
sie Cornelius wie ein Darüberstehender, als Schöpfer und Richter. -- Eben so
verschieden ist seine Art des Schaffens von der anderer Künstler, während z. B.
Kaulbach sagt, was er kann, Overbeck, was er glaubt, Schwind, was ihm einfällt,
sagt Cornelius genau, was er will.

Seine Productivität ist unermeßlich und der jedes Künstlers des Mittelalters an
die Seite zu stellen; man wird einst erstaunen, wenn Alles, was er erfunden und
gezeichnet hat in Glyptothek, Pinakothek und Ludwigskirche, die Zeichnungen zu Faust,
zum Nibelungenlied, zu Dante n. s. w., und endlich das Meisterwerk seines Lebens,
die Kompositionen zum Campo Santo, die meines Erachtens alle seine früheren
Arbeiten hinter sich zurücklassen, obwol er sie erst als hoher Fünfziger begonnen,
gesammelt vor uns liegen werden. --- Diese Schöpferkraft ist um so bewunderungs¬
würdiger, als er eigentlich keine geschickte Hand hat, wie man ans Vergleichung
seiner Entwürfe mit denen Overbeck's, Kaulbach's oder Schwind's sehr leicht scheu
kann, neben denen sein Strich schier zagend aussieht, während sie die Formen
nur niederzuschreiben schienen, aber freilich viel abhängiger von dem einmal Ge¬
schriebenen sind. Unstreitig ist bei ihm der Gedanke das Mächtigste, und je weiter
die Production sich dessen Wirksamkeit entzieht, um so schwächer wird sie, man
wird bei allen seinen Bildern leicht erkennen, daß die Conception ihr stärkster
Theil war, in dem sie unübertrefflich sind; zunächst an sie reiht sich die Zeichnung
des Cvutours, wo er den herrlichsten Sinn sür das Rhythmische der Linien zeigt,
für jene wohlthuende musikalische Harmonie der Theile, die uns an der Antike,
an den Compositionen des Raphael und Michel Angelo, Ghibcrti und Leonardo
so wohl thut, und deren Mangel die naturalistischen Venetianer oder modernen
Franzosen zu monumentaler Kunst oder Darstellung vollendeter Schönheit unfähig
macht. --

Viel schwächer crschciur die Modellirung, die schon nicht mehr im Stande ist,
mit der Energie des Conwurs Schritt zu halten, sondern ihn regelmäßig etwas


der Komposition und Zeichnung meines Trachtens unmittelbar sich anreiht, da
weder Giulio Romano, noch die Caracci oder Tintoretto hier mit ihm wetteifern
könnten, so weit sie ihm in Technik überlegen gewesen sein mögen. — Die Er¬
findung und Zeichnung seiner acht Seligkeiten zum Berliner Campo Santo z. B.
dürste der der Propheten und Sibyllen des Michel Angelo vollkommen ebenbürtig
sein, so weit diese auch in der Ausführung überlegen sind. — Eben so ist die
Erfindung im Brande von Troja, seine Unterwelt und eine Menge kleinerer
Compositionen in der Glyptothek wol dnrch nichts Aehnliches überboten worden.
Daß seine Kunst in einem großen und starken Herzen wurzelt, fühlt man überall
heraus, es ist etwas Dämonisches in dieser mächtigen Organisation, das an das
Naturell Michel Angelo's und Tintoretto'S erinnert, seine Anschauung hat, wie
die ihre, etwas Urwcllliches, während Overbeck die Welt als .Kloster oder Feg-
feuer anschaut, Schwind als Jahrmarkt, Kaulbach als Schaubühne, so betrachtet
sie Cornelius wie ein Darüberstehender, als Schöpfer und Richter. — Eben so
verschieden ist seine Art des Schaffens von der anderer Künstler, während z. B.
Kaulbach sagt, was er kann, Overbeck, was er glaubt, Schwind, was ihm einfällt,
sagt Cornelius genau, was er will.

Seine Productivität ist unermeßlich und der jedes Künstlers des Mittelalters an
die Seite zu stellen; man wird einst erstaunen, wenn Alles, was er erfunden und
gezeichnet hat in Glyptothek, Pinakothek und Ludwigskirche, die Zeichnungen zu Faust,
zum Nibelungenlied, zu Dante n. s. w., und endlich das Meisterwerk seines Lebens,
die Kompositionen zum Campo Santo, die meines Erachtens alle seine früheren
Arbeiten hinter sich zurücklassen, obwol er sie erst als hoher Fünfziger begonnen,
gesammelt vor uns liegen werden. -— Diese Schöpferkraft ist um so bewunderungs¬
würdiger, als er eigentlich keine geschickte Hand hat, wie man ans Vergleichung
seiner Entwürfe mit denen Overbeck's, Kaulbach's oder Schwind's sehr leicht scheu
kann, neben denen sein Strich schier zagend aussieht, während sie die Formen
nur niederzuschreiben schienen, aber freilich viel abhängiger von dem einmal Ge¬
schriebenen sind. Unstreitig ist bei ihm der Gedanke das Mächtigste, und je weiter
die Production sich dessen Wirksamkeit entzieht, um so schwächer wird sie, man
wird bei allen seinen Bildern leicht erkennen, daß die Conception ihr stärkster
Theil war, in dem sie unübertrefflich sind; zunächst an sie reiht sich die Zeichnung
des Cvutours, wo er den herrlichsten Sinn sür das Rhythmische der Linien zeigt,
für jene wohlthuende musikalische Harmonie der Theile, die uns an der Antike,
an den Compositionen des Raphael und Michel Angelo, Ghibcrti und Leonardo
so wohl thut, und deren Mangel die naturalistischen Venetianer oder modernen
Franzosen zu monumentaler Kunst oder Darstellung vollendeter Schönheit unfähig
macht. —

Viel schwächer crschciur die Modellirung, die schon nicht mehr im Stande ist,
mit der Energie des Conwurs Schritt zu halten, sondern ihn regelmäßig etwas


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[0380] der Komposition und Zeichnung meines Trachtens unmittelbar sich anreiht, da weder Giulio Romano, noch die Caracci oder Tintoretto hier mit ihm wetteifern könnten, so weit sie ihm in Technik überlegen gewesen sein mögen. — Die Er¬ findung und Zeichnung seiner acht Seligkeiten zum Berliner Campo Santo z. B. dürste der der Propheten und Sibyllen des Michel Angelo vollkommen ebenbürtig sein, so weit diese auch in der Ausführung überlegen sind. — Eben so ist die Erfindung im Brande von Troja, seine Unterwelt und eine Menge kleinerer Compositionen in der Glyptothek wol dnrch nichts Aehnliches überboten worden. Daß seine Kunst in einem großen und starken Herzen wurzelt, fühlt man überall heraus, es ist etwas Dämonisches in dieser mächtigen Organisation, das an das Naturell Michel Angelo's und Tintoretto'S erinnert, seine Anschauung hat, wie die ihre, etwas Urwcllliches, während Overbeck die Welt als .Kloster oder Feg- feuer anschaut, Schwind als Jahrmarkt, Kaulbach als Schaubühne, so betrachtet sie Cornelius wie ein Darüberstehender, als Schöpfer und Richter. — Eben so verschieden ist seine Art des Schaffens von der anderer Künstler, während z. B. Kaulbach sagt, was er kann, Overbeck, was er glaubt, Schwind, was ihm einfällt, sagt Cornelius genau, was er will. Seine Productivität ist unermeßlich und der jedes Künstlers des Mittelalters an die Seite zu stellen; man wird einst erstaunen, wenn Alles, was er erfunden und gezeichnet hat in Glyptothek, Pinakothek und Ludwigskirche, die Zeichnungen zu Faust, zum Nibelungenlied, zu Dante n. s. w., und endlich das Meisterwerk seines Lebens, die Kompositionen zum Campo Santo, die meines Erachtens alle seine früheren Arbeiten hinter sich zurücklassen, obwol er sie erst als hoher Fünfziger begonnen, gesammelt vor uns liegen werden. -— Diese Schöpferkraft ist um so bewunderungs¬ würdiger, als er eigentlich keine geschickte Hand hat, wie man ans Vergleichung seiner Entwürfe mit denen Overbeck's, Kaulbach's oder Schwind's sehr leicht scheu kann, neben denen sein Strich schier zagend aussieht, während sie die Formen nur niederzuschreiben schienen, aber freilich viel abhängiger von dem einmal Ge¬ schriebenen sind. Unstreitig ist bei ihm der Gedanke das Mächtigste, und je weiter die Production sich dessen Wirksamkeit entzieht, um so schwächer wird sie, man wird bei allen seinen Bildern leicht erkennen, daß die Conception ihr stärkster Theil war, in dem sie unübertrefflich sind; zunächst an sie reiht sich die Zeichnung des Cvutours, wo er den herrlichsten Sinn sür das Rhythmische der Linien zeigt, für jene wohlthuende musikalische Harmonie der Theile, die uns an der Antike, an den Compositionen des Raphael und Michel Angelo, Ghibcrti und Leonardo so wohl thut, und deren Mangel die naturalistischen Venetianer oder modernen Franzosen zu monumentaler Kunst oder Darstellung vollendeter Schönheit unfähig macht. — Viel schwächer crschciur die Modellirung, die schon nicht mehr im Stande ist, mit der Energie des Conwurs Schritt zu halten, sondern ihn regelmäßig etwas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/380>, abgerufen am 24.07.2024.