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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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so findet man dort dagegen noch immer fast alle großem Erzeugnisse unsrer
monumentalen Malerei vereinigt, wenigstens alles Material beisammen, um die
Entwickelung derselben ans das Genaueste zu studiren. --

ES ist billig, zuerst des Maunes dankbar zu gedenken, dessen beharrlicher,
vom seltensten Verständniß getragener Liebe und Aufopferung das deutsche Volk
so kostbaren Besitz verdankt; denn ohne die großmüthige, und läugnen wir es
nicht, damals höchst gewagt erscheinende Förderung König Ludwig's, wären die
fast unbekannten jungen Männer, die Zufall und dunkle Ahnung in Rom zu¬
sammengeführt: die Cornelius, Overbeck, Schmorr, Heß schwerlich sobald zur
angemessenen Aeußerung ihrer Kräfte gekommen, wenn ihnen der freigebige Fürst
nicht Raum und Mittel verschafft hätte, die Schwingen ihres Genies zu ent¬
falten. -- So lange man daher Pericles, Mäcen und Carl August von Weimar
mit Hochachtung nennt, so lange wird man auch mit Verehrung König Ludwig
zu den mächtigsten Förderern deutscher Cultur und deutschen Ruhmes zählen müssen.
Phidias, Horaz, Goethe und Schiller befanden sich wohl schon auf der Höhe
ihres Talents und Rufes, als es ihren Beschützern einfiel, sich für sie zu interessiren,
die letztgenannten Künstler aber waren junge, ziemlich unbekannte, und noch
mehr unverstandene Leute, als der damalige Kronprinz v. Bayern mit scharfen
Blicken ihre Begabung und die Fvlgewichtigkeit derselben für ein ganzes Zeit¬
alter erkennend, sie mit seiner Macht und allen seinen Mitteln anf's Freigebigste
unterstützte, um ihnen den so kostspieligen Raum zur Aeußerung ihres Talents
zu verschaffen. --

Wie alles Menschliche, so sind auch die von diesem Fürsten hervorgerufenen
Schöpfungen vielfach unvollkommen geblieben, Manches ist ganz mißglückt; doch
was ihm in der Architektur nur erst spät, in der Sculptur uur mittelbar hervor¬
zurufen gelang, das hatten seine Maler gleich von Haus ans: selbstständige Ge¬
danken in selbstständiger künstlerischer Sprache, eine keiner andern Nation und
Schule entlehnte hochpoetische Weltanschauung und einen eigenthümlichen durch
und durch deutschen Styl.

Er ist das Erste, was Einem bei Betrachtung der Münchner Werke in die
Augen springt; sucht man nun die einzelnen Charakterzüge desselben zusammen,
so findet sich zunächst eine entschiedene Accentnirung der Zeichnung gegen die
Farbe, eine außerordentliche Sorgfalt und Liebe für das schöne rhythmische Ver¬
hältniß der Linien, eine oft etwas zu kleinliche Durcharbeitung des Contours,
die ihn zwar sehr lebendig macht, aber der Schönheit und Jugendlichkeit der
Form Eintrag thut. -- Die Modellirung sowol als der Zusammenhang der
Figuren sind nicht selten der Schönheit der Linie aufgeopfert, besonders ist erstere
gewöhnlich sehr vernachlässigt, dagegen die Erhöhung, Vereinfachung und Reini¬
gung der Form von allem Zufälligen consequent durchgearbeitet. Bei keinem
Münchner Werke wird es daher vorkommen, daß ein Bündel Lumpen für eine


Grcnzbotc". I. 1863. 47

so findet man dort dagegen noch immer fast alle großem Erzeugnisse unsrer
monumentalen Malerei vereinigt, wenigstens alles Material beisammen, um die
Entwickelung derselben ans das Genaueste zu studiren. —

ES ist billig, zuerst des Maunes dankbar zu gedenken, dessen beharrlicher,
vom seltensten Verständniß getragener Liebe und Aufopferung das deutsche Volk
so kostbaren Besitz verdankt; denn ohne die großmüthige, und läugnen wir es
nicht, damals höchst gewagt erscheinende Förderung König Ludwig's, wären die
fast unbekannten jungen Männer, die Zufall und dunkle Ahnung in Rom zu¬
sammengeführt: die Cornelius, Overbeck, Schmorr, Heß schwerlich sobald zur
angemessenen Aeußerung ihrer Kräfte gekommen, wenn ihnen der freigebige Fürst
nicht Raum und Mittel verschafft hätte, die Schwingen ihres Genies zu ent¬
falten. — So lange man daher Pericles, Mäcen und Carl August von Weimar
mit Hochachtung nennt, so lange wird man auch mit Verehrung König Ludwig
zu den mächtigsten Förderern deutscher Cultur und deutschen Ruhmes zählen müssen.
Phidias, Horaz, Goethe und Schiller befanden sich wohl schon auf der Höhe
ihres Talents und Rufes, als es ihren Beschützern einfiel, sich für sie zu interessiren,
die letztgenannten Künstler aber waren junge, ziemlich unbekannte, und noch
mehr unverstandene Leute, als der damalige Kronprinz v. Bayern mit scharfen
Blicken ihre Begabung und die Fvlgewichtigkeit derselben für ein ganzes Zeit¬
alter erkennend, sie mit seiner Macht und allen seinen Mitteln anf's Freigebigste
unterstützte, um ihnen den so kostspieligen Raum zur Aeußerung ihres Talents
zu verschaffen. —

Wie alles Menschliche, so sind auch die von diesem Fürsten hervorgerufenen
Schöpfungen vielfach unvollkommen geblieben, Manches ist ganz mißglückt; doch
was ihm in der Architektur nur erst spät, in der Sculptur uur mittelbar hervor¬
zurufen gelang, das hatten seine Maler gleich von Haus ans: selbstständige Ge¬
danken in selbstständiger künstlerischer Sprache, eine keiner andern Nation und
Schule entlehnte hochpoetische Weltanschauung und einen eigenthümlichen durch
und durch deutschen Styl.

Er ist das Erste, was Einem bei Betrachtung der Münchner Werke in die
Augen springt; sucht man nun die einzelnen Charakterzüge desselben zusammen,
so findet sich zunächst eine entschiedene Accentnirung der Zeichnung gegen die
Farbe, eine außerordentliche Sorgfalt und Liebe für das schöne rhythmische Ver¬
hältniß der Linien, eine oft etwas zu kleinliche Durcharbeitung des Contours,
die ihn zwar sehr lebendig macht, aber der Schönheit und Jugendlichkeit der
Form Eintrag thut. — Die Modellirung sowol als der Zusammenhang der
Figuren sind nicht selten der Schönheit der Linie aufgeopfert, besonders ist erstere
gewöhnlich sehr vernachlässigt, dagegen die Erhöhung, Vereinfachung und Reini¬
gung der Form von allem Zufälligen consequent durchgearbeitet. Bei keinem
Münchner Werke wird es daher vorkommen, daß ein Bündel Lumpen für eine


Grcnzbotc». I. 1863. 47
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/377>, abgerufen am 28.12.2024.