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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Verzweiflung über dieses unerhörte Verfahren ausgestoßen. Herr v. Girardin,
dessen politische Laufbahn wir weit entfernt sind zu billigen, erhob mit nicht ge¬
ung anzuerkennenden Muth hierauf in der "Presse" seine Stimme gegen die
Maßregel und gegen das Gebahren Graner de Cassagnac's im Constitutioncl.
Dieser Mensch, welcher ein neues Gebiet der Schamlosigkeit entdeckt hat, ruft
über die Verhafteten die ganze Strenge des Richterspruchs herab und schwelgt
im Genusse der Denunciationen. Das Beispiel der "Presse" hat andere Blätter,
wie die ^ssemblve Nationale, den Aeels, die Union ermuthigt, und selbst die
Debats wagen einige Worte für ihren verhafteten Mitarbeiter von Tanski. Es
ist kaum glaublich, daß sich Richter finden könnten, welche gegen die Verhafteten,
deren angebliches Vergeh" unter keine Bestimmung des französischen Code fällt,
eine Strafe erkennen sollten.

Der Mailänder Aufstand hat in Frankreich, wie anderswo, im Ganzen ge¬
ringe Sensation gemacht, selbst nicht an den Börsen. Seine völlige Hoffnungs¬
losigkeit fällt zu klar in die Augen, und man muß die Unseligen verdammen, die
ans die Anschürung verblendeter und gewissenloser Parteiführer sich dem sichern
Verderben überliefert haben.


Nach einer in politischer Hinsicht ungewöhnlich stillen
Ferienzeit, hat am zehnten Februar das englische Parlament seine Sitzungen be¬
gonnen, und zwar mit einer Geräuschlosigkeit, die man nach der Bedeutung und
der Stellung, welche die dabei beteiligten Factoren gegenwärtig einnehmen,
fast für wunderbar halten könnte. Der Sturz eines Ministeriums, der den to¬
talen Zerfall der eigenen Partei nach sich zieht, und das Auftreten eines neuen,
in welchem sich, alle Parteitraditionen bei Seite setzend, Staatsmänner vereinigen,
die sich Jahrelang als Gegner bitter bekämpft haben, sind Erscheinungen, die weit genug
aus dem gewöhnlichen Gleise des parlamentarischen Lebens heraustreten, um zu der
Erwartung zu berechtige", daß sich das neue Verhältniß dem Publicum zum
erstenmal nicht ohne einen dramatischen Effect darstellen werde, zumal da die
handelnden Personen zu den glänzendsten Talenten der parlamentarischen Schau¬
bühne Europas gehöre". Aber diese Erwartung ist gänzlich getäuscht worden.
Die Eröffuuugssitzuug war in beide" Häusern ungewöhnlich einfach. Im Ober¬
hause sprach Lord Aberdeen sehr zurückhaltend über die von dem neuen Ministerium
zu befolgende Politik, da die vorbereitete" Gesetze ihrer Natur nach zu¬
nächst dem Unterhause vorgelegt werden müssen, und die parlamentarische Etiquette
in England nicht erlaubt, in dem einen Hanse Fragen zur Sprache zu bringe",
über die in dem andern noch die Verhandlung schwebt. Lord Derby's Drange"
auf nähere Erklärungen setzte er ein absolutes Schweigen entgcge". Im Unterhause
war Lord John Russell allerdings ausführlicher, aber wenn sein parlamentarischer
Speisezettel auch eine recht anständige Auswahl guter und brauchbarer Gerichte


Verzweiflung über dieses unerhörte Verfahren ausgestoßen. Herr v. Girardin,
dessen politische Laufbahn wir weit entfernt sind zu billigen, erhob mit nicht ge¬
ung anzuerkennenden Muth hierauf in der „Presse" seine Stimme gegen die
Maßregel und gegen das Gebahren Graner de Cassagnac's im Constitutioncl.
Dieser Mensch, welcher ein neues Gebiet der Schamlosigkeit entdeckt hat, ruft
über die Verhafteten die ganze Strenge des Richterspruchs herab und schwelgt
im Genusse der Denunciationen. Das Beispiel der „Presse" hat andere Blätter,
wie die ^ssemblve Nationale, den Aeels, die Union ermuthigt, und selbst die
Debats wagen einige Worte für ihren verhafteten Mitarbeiter von Tanski. Es
ist kaum glaublich, daß sich Richter finden könnten, welche gegen die Verhafteten,
deren angebliches Vergeh» unter keine Bestimmung des französischen Code fällt,
eine Strafe erkennen sollten.

Der Mailänder Aufstand hat in Frankreich, wie anderswo, im Ganzen ge¬
ringe Sensation gemacht, selbst nicht an den Börsen. Seine völlige Hoffnungs¬
losigkeit fällt zu klar in die Augen, und man muß die Unseligen verdammen, die
ans die Anschürung verblendeter und gewissenloser Parteiführer sich dem sichern
Verderben überliefert haben.


Nach einer in politischer Hinsicht ungewöhnlich stillen
Ferienzeit, hat am zehnten Februar das englische Parlament seine Sitzungen be¬
gonnen, und zwar mit einer Geräuschlosigkeit, die man nach der Bedeutung und
der Stellung, welche die dabei beteiligten Factoren gegenwärtig einnehmen,
fast für wunderbar halten könnte. Der Sturz eines Ministeriums, der den to¬
talen Zerfall der eigenen Partei nach sich zieht, und das Auftreten eines neuen,
in welchem sich, alle Parteitraditionen bei Seite setzend, Staatsmänner vereinigen,
die sich Jahrelang als Gegner bitter bekämpft haben, sind Erscheinungen, die weit genug
aus dem gewöhnlichen Gleise des parlamentarischen Lebens heraustreten, um zu der
Erwartung zu berechtige», daß sich das neue Verhältniß dem Publicum zum
erstenmal nicht ohne einen dramatischen Effect darstellen werde, zumal da die
handelnden Personen zu den glänzendsten Talenten der parlamentarischen Schau¬
bühne Europas gehöre». Aber diese Erwartung ist gänzlich getäuscht worden.
Die Eröffuuugssitzuug war in beide» Häusern ungewöhnlich einfach. Im Ober¬
hause sprach Lord Aberdeen sehr zurückhaltend über die von dem neuen Ministerium
zu befolgende Politik, da die vorbereitete» Gesetze ihrer Natur nach zu¬
nächst dem Unterhause vorgelegt werden müssen, und die parlamentarische Etiquette
in England nicht erlaubt, in dem einen Hanse Fragen zur Sprache zu bringe»,
über die in dem andern noch die Verhandlung schwebt. Lord Derby's Drange»
auf nähere Erklärungen setzte er ein absolutes Schweigen entgcge». Im Unterhause
war Lord John Russell allerdings ausführlicher, aber wenn sein parlamentarischer
Speisezettel auch eine recht anständige Auswahl guter und brauchbarer Gerichte


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[0358] Verzweiflung über dieses unerhörte Verfahren ausgestoßen. Herr v. Girardin, dessen politische Laufbahn wir weit entfernt sind zu billigen, erhob mit nicht ge¬ ung anzuerkennenden Muth hierauf in der „Presse" seine Stimme gegen die Maßregel und gegen das Gebahren Graner de Cassagnac's im Constitutioncl. Dieser Mensch, welcher ein neues Gebiet der Schamlosigkeit entdeckt hat, ruft über die Verhafteten die ganze Strenge des Richterspruchs herab und schwelgt im Genusse der Denunciationen. Das Beispiel der „Presse" hat andere Blätter, wie die ^ssemblve Nationale, den Aeels, die Union ermuthigt, und selbst die Debats wagen einige Worte für ihren verhafteten Mitarbeiter von Tanski. Es ist kaum glaublich, daß sich Richter finden könnten, welche gegen die Verhafteten, deren angebliches Vergeh» unter keine Bestimmung des französischen Code fällt, eine Strafe erkennen sollten. Der Mailänder Aufstand hat in Frankreich, wie anderswo, im Ganzen ge¬ ringe Sensation gemacht, selbst nicht an den Börsen. Seine völlige Hoffnungs¬ losigkeit fällt zu klar in die Augen, und man muß die Unseligen verdammen, die ans die Anschürung verblendeter und gewissenloser Parteiführer sich dem sichern Verderben überliefert haben. Nach einer in politischer Hinsicht ungewöhnlich stillen Ferienzeit, hat am zehnten Februar das englische Parlament seine Sitzungen be¬ gonnen, und zwar mit einer Geräuschlosigkeit, die man nach der Bedeutung und der Stellung, welche die dabei beteiligten Factoren gegenwärtig einnehmen, fast für wunderbar halten könnte. Der Sturz eines Ministeriums, der den to¬ talen Zerfall der eigenen Partei nach sich zieht, und das Auftreten eines neuen, in welchem sich, alle Parteitraditionen bei Seite setzend, Staatsmänner vereinigen, die sich Jahrelang als Gegner bitter bekämpft haben, sind Erscheinungen, die weit genug aus dem gewöhnlichen Gleise des parlamentarischen Lebens heraustreten, um zu der Erwartung zu berechtige», daß sich das neue Verhältniß dem Publicum zum erstenmal nicht ohne einen dramatischen Effect darstellen werde, zumal da die handelnden Personen zu den glänzendsten Talenten der parlamentarischen Schau¬ bühne Europas gehöre». Aber diese Erwartung ist gänzlich getäuscht worden. Die Eröffuuugssitzuug war in beide» Häusern ungewöhnlich einfach. Im Ober¬ hause sprach Lord Aberdeen sehr zurückhaltend über die von dem neuen Ministerium zu befolgende Politik, da die vorbereitete» Gesetze ihrer Natur nach zu¬ nächst dem Unterhause vorgelegt werden müssen, und die parlamentarische Etiquette in England nicht erlaubt, in dem einen Hanse Fragen zur Sprache zu bringe», über die in dem andern noch die Verhandlung schwebt. Lord Derby's Drange» auf nähere Erklärungen setzte er ein absolutes Schweigen entgcge». Im Unterhause war Lord John Russell allerdings ausführlicher, aber wenn sein parlamentarischer Speisezettel auch eine recht anständige Auswahl guter und brauchbarer Gerichte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/358>, abgerufen am 27.12.2024.