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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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von Huissier's übte die unerbittlichste Prüfung der Balltracht an den Herren. --
Die Einladungskarten zeigten die vorschriftmäßige Uniform oder das Costüman; --
eine Anzahl rebellischer schwarzer Kleider wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit zu¬
rückgewiesen, manche, nachdem sie sich schon glücklich im Gedränge bei mehreren Posten
vvrbeigeschlichen hatten, verfielen am Eingange des Heiligthums den unbeugsamen
Wächtern des Gesetzes. Ja die Kritik dehnte sich auch auf Diejenigen aus, die
durch eine heuchlerische Manipulation ihrem Ballfrack das schlecht verstellte Ausehn
eines Costnmkleides zu geben versucht hatten, und umsonst strebten Einige dieser
letztern durch zum Theil ziemlich heftige Beweisführungen sich den Einlaß zu er¬
streiten. Im Innern wogte bald eine unzählbare Menge, trotz der sehr großen
Räumlichkeiten waren K000 Gäste doch zu viel, und nicht wenig zerquetschte Toiletten
und einige wenigstens gequetschte Damen fielen dem Feste zum Opfer. Um 10
Uhr erschienen die Majestäten, die zuvor die der Kaiserin gemachte Aufwartung
des diplomatischen Corps in den Tuilerien entgegengenommen hatten; die Kaise¬
rin in glänzender und geschmackvoller Toilette sah auffallend bleich aus, das Ge¬
ficht ihres Gemahls war belebter, als gewöhnlich, und bekundete die heiterste
Stimmung. Nach dem Souper um 1 Uhr zog sich das hohe Ehepaar zurück;
der Ausgang des Festes war uicht weniger drangvoll, wie sein Beginnen. Stun¬
denlang mußten Viele im Ballschmuck im Hofe auf ihre Wagen warten, falls sie
sich nicht entschlossen, dieselben zu Fuß aus der Wagcmnasse herauszusuchen. Kurz
dieser Ball, welcher den Herrn Senatoren 300,000 Franks kostet -- durchschnittlich
jedem fast einen vollen Monatsgehalt -- hat gewiß unendlich mehr Aerger, Ent¬
täuschung und Verdruß, als Vergnügen unter seinen Theilnehmern verbreitet.

Dieser rosenfarbige Hochzeitshumor unserer Regierung ist aber schnell ver¬
schwunden, und vergangenen Sonntag wurden im Interesse des Gleichgewichts
zwischen Gnade und Strenge zur Neutralisirung der Amnestien ziemlich zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen. Diesmal galt es den Legitimsten und den Korre¬
spondenten aller Farben, aber nicht aller Nationen, denn die Engländer sind selbst
unserer allmächtigen Polizei nicht leicht erreichbar. Herr Manpas kennt die ver¬
alteten, aber nichts destoweniger tiefwurzelnden Vorurtheile unserer Nachbarn
jenseits des Canals in Betreff der individuellen Freiheit, und mit jener Leichtig¬
keit, mit welcher die Franzosen sich in fremde Sitten fügen, ließ man die englischen
Berichterstatter ungeschoren, obgleich man weiß, daß sie an Heftigkeit und Rück¬
sichtslosigkeit allen andern Journalisten bei Weitem voraus sind. Die Legitimisten,
welche einer fortwährenden Verschwörung gegen die Regierung beschuldigt werden
sollten, wurden schon am nächsten Tage in Freiheit gesetzt, und man behielt blos
einige junge Schriftsteller zurück, welche durch ihre ehemalige Mitarbeiterschaft
am Corsaire in den Verdacht gekommen waren, die Verfasser der vielen Quatrains
und schlechten Witzworte zu sein, welche man in letzter Zeit gegen unsere Kaiserin
in Umlauf gebracht. Wir glauben kaum, daß die Regierung irgend Etwas heraus-


it*

von Huissier's übte die unerbittlichste Prüfung der Balltracht an den Herren. —
Die Einladungskarten zeigten die vorschriftmäßige Uniform oder das Costüman; —
eine Anzahl rebellischer schwarzer Kleider wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit zu¬
rückgewiesen, manche, nachdem sie sich schon glücklich im Gedränge bei mehreren Posten
vvrbeigeschlichen hatten, verfielen am Eingange des Heiligthums den unbeugsamen
Wächtern des Gesetzes. Ja die Kritik dehnte sich auch auf Diejenigen aus, die
durch eine heuchlerische Manipulation ihrem Ballfrack das schlecht verstellte Ausehn
eines Costnmkleides zu geben versucht hatten, und umsonst strebten Einige dieser
letztern durch zum Theil ziemlich heftige Beweisführungen sich den Einlaß zu er¬
streiten. Im Innern wogte bald eine unzählbare Menge, trotz der sehr großen
Räumlichkeiten waren K000 Gäste doch zu viel, und nicht wenig zerquetschte Toiletten
und einige wenigstens gequetschte Damen fielen dem Feste zum Opfer. Um 10
Uhr erschienen die Majestäten, die zuvor die der Kaiserin gemachte Aufwartung
des diplomatischen Corps in den Tuilerien entgegengenommen hatten; die Kaise¬
rin in glänzender und geschmackvoller Toilette sah auffallend bleich aus, das Ge¬
ficht ihres Gemahls war belebter, als gewöhnlich, und bekundete die heiterste
Stimmung. Nach dem Souper um 1 Uhr zog sich das hohe Ehepaar zurück;
der Ausgang des Festes war uicht weniger drangvoll, wie sein Beginnen. Stun¬
denlang mußten Viele im Ballschmuck im Hofe auf ihre Wagen warten, falls sie
sich nicht entschlossen, dieselben zu Fuß aus der Wagcmnasse herauszusuchen. Kurz
dieser Ball, welcher den Herrn Senatoren 300,000 Franks kostet — durchschnittlich
jedem fast einen vollen Monatsgehalt — hat gewiß unendlich mehr Aerger, Ent¬
täuschung und Verdruß, als Vergnügen unter seinen Theilnehmern verbreitet.

Dieser rosenfarbige Hochzeitshumor unserer Regierung ist aber schnell ver¬
schwunden, und vergangenen Sonntag wurden im Interesse des Gleichgewichts
zwischen Gnade und Strenge zur Neutralisirung der Amnestien ziemlich zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen. Diesmal galt es den Legitimsten und den Korre¬
spondenten aller Farben, aber nicht aller Nationen, denn die Engländer sind selbst
unserer allmächtigen Polizei nicht leicht erreichbar. Herr Manpas kennt die ver¬
alteten, aber nichts destoweniger tiefwurzelnden Vorurtheile unserer Nachbarn
jenseits des Canals in Betreff der individuellen Freiheit, und mit jener Leichtig¬
keit, mit welcher die Franzosen sich in fremde Sitten fügen, ließ man die englischen
Berichterstatter ungeschoren, obgleich man weiß, daß sie an Heftigkeit und Rück¬
sichtslosigkeit allen andern Journalisten bei Weitem voraus sind. Die Legitimisten,
welche einer fortwährenden Verschwörung gegen die Regierung beschuldigt werden
sollten, wurden schon am nächsten Tage in Freiheit gesetzt, und man behielt blos
einige junge Schriftsteller zurück, welche durch ihre ehemalige Mitarbeiterschaft
am Corsaire in den Verdacht gekommen waren, die Verfasser der vielen Quatrains
und schlechten Witzworte zu sein, welche man in letzter Zeit gegen unsere Kaiserin
in Umlauf gebracht. Wir glauben kaum, daß die Regierung irgend Etwas heraus-


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[0355] von Huissier's übte die unerbittlichste Prüfung der Balltracht an den Herren. — Die Einladungskarten zeigten die vorschriftmäßige Uniform oder das Costüman; — eine Anzahl rebellischer schwarzer Kleider wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit zu¬ rückgewiesen, manche, nachdem sie sich schon glücklich im Gedränge bei mehreren Posten vvrbeigeschlichen hatten, verfielen am Eingange des Heiligthums den unbeugsamen Wächtern des Gesetzes. Ja die Kritik dehnte sich auch auf Diejenigen aus, die durch eine heuchlerische Manipulation ihrem Ballfrack das schlecht verstellte Ausehn eines Costnmkleides zu geben versucht hatten, und umsonst strebten Einige dieser letztern durch zum Theil ziemlich heftige Beweisführungen sich den Einlaß zu er¬ streiten. Im Innern wogte bald eine unzählbare Menge, trotz der sehr großen Räumlichkeiten waren K000 Gäste doch zu viel, und nicht wenig zerquetschte Toiletten und einige wenigstens gequetschte Damen fielen dem Feste zum Opfer. Um 10 Uhr erschienen die Majestäten, die zuvor die der Kaiserin gemachte Aufwartung des diplomatischen Corps in den Tuilerien entgegengenommen hatten; die Kaise¬ rin in glänzender und geschmackvoller Toilette sah auffallend bleich aus, das Ge¬ ficht ihres Gemahls war belebter, als gewöhnlich, und bekundete die heiterste Stimmung. Nach dem Souper um 1 Uhr zog sich das hohe Ehepaar zurück; der Ausgang des Festes war uicht weniger drangvoll, wie sein Beginnen. Stun¬ denlang mußten Viele im Ballschmuck im Hofe auf ihre Wagen warten, falls sie sich nicht entschlossen, dieselben zu Fuß aus der Wagcmnasse herauszusuchen. Kurz dieser Ball, welcher den Herrn Senatoren 300,000 Franks kostet — durchschnittlich jedem fast einen vollen Monatsgehalt — hat gewiß unendlich mehr Aerger, Ent¬ täuschung und Verdruß, als Vergnügen unter seinen Theilnehmern verbreitet. Dieser rosenfarbige Hochzeitshumor unserer Regierung ist aber schnell ver¬ schwunden, und vergangenen Sonntag wurden im Interesse des Gleichgewichts zwischen Gnade und Strenge zur Neutralisirung der Amnestien ziemlich zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Diesmal galt es den Legitimsten und den Korre¬ spondenten aller Farben, aber nicht aller Nationen, denn die Engländer sind selbst unserer allmächtigen Polizei nicht leicht erreichbar. Herr Manpas kennt die ver¬ alteten, aber nichts destoweniger tiefwurzelnden Vorurtheile unserer Nachbarn jenseits des Canals in Betreff der individuellen Freiheit, und mit jener Leichtig¬ keit, mit welcher die Franzosen sich in fremde Sitten fügen, ließ man die englischen Berichterstatter ungeschoren, obgleich man weiß, daß sie an Heftigkeit und Rück¬ sichtslosigkeit allen andern Journalisten bei Weitem voraus sind. Die Legitimisten, welche einer fortwährenden Verschwörung gegen die Regierung beschuldigt werden sollten, wurden schon am nächsten Tage in Freiheit gesetzt, und man behielt blos einige junge Schriftsteller zurück, welche durch ihre ehemalige Mitarbeiterschaft am Corsaire in den Verdacht gekommen waren, die Verfasser der vielen Quatrains und schlechten Witzworte zu sein, welche man in letzter Zeit gegen unsere Kaiserin in Umlauf gebracht. Wir glauben kaum, daß die Regierung irgend Etwas heraus- it*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/355>, abgerufen am 28.12.2024.