Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.im Volke einige Theilnahme für diese abgelebte Institution zu erregen. Nicht Grenzl'oder. I.
im Volke einige Theilnahme für diese abgelebte Institution zu erregen. Nicht Grenzl'oder. I.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186229"/> <p xml:id="ID_1089" prev="#ID_1088" next="#ID_1090"> im Volke einige Theilnahme für diese abgelebte Institution zu erregen. Nicht<lb/> ^ wie früher — durch königlichen Befehl auf Grund der anerkannten Verfassung<lb/> des Landes einberufen, sondern durch ein Ministerialrescript ans mehrjähriger Grabes¬<lb/> ruhe aufgestört und keck in die lebendige Welt hineinversetzt, gleich bei der Neactivirung<lb/> vielfach in ihrer rechtlichen Existenz angefochten und nur von einer winzigen Minorität<lb/> beschickt, haben die Landtage eigentlich ein klägliches Dasein geführt; eS hastete<lb/> an ihnen ein Makel der Lächerlichkeit, den die Anhänger des ständischen Systems<lb/> mit Verdruß empfanden. Es genügte deshalb nicht, ihnen eine rechtliche Grund¬<lb/> lage wiederzugeben; es bedürfte noch anderer künstlicher Mittel, die Aufmerk¬<lb/> samkeit ans eine Institution zu lenken, die man mit Fug und Neckt als für<lb/> immer abgethan betrachtet hatte. Ein solches Mittel hätte die zweijährige Ein-<lb/> berufung der Kammern gewährt. Nicht bloß, weil die Landtage, sobald sie jähr¬<lb/> lich mit den Kammern alternirt hätten, ein gewisses Maaß von Beachtung<lb/> gefunden haben würden, sondern hauptsächlich, weil dann die Octroyirnngen<lb/> noch häufiger geworden und die Wirksamkeit der Kammern auf die traurige<lb/> Aufgabe beschränkt worden wäre, die auf Grund deö Gutachtens der Landtage<lb/> octroyirteu Gesetze nachträglich zu genehmigen, d. h. zu thun, was zu unter-<lb/> lassen immer mißlich ist. Wenn die Kammern sich selbst dazu verurtheilt hätten,<lb/> rrwrttaräe apres cliusr zu sein, so hätte vielleicht der Weizen der Landtage<lb/> geblüht. Das Ministerium that Alle«, die Bedeutung dieser Frage zu verwischen;<lb/> nur Zweckmäßigkeitsgründe, der Wunsch, die Abgeordneten nicht zu häufig ihrem<lb/> Berufe zu entziehen, hätten die Vorlage veranlaßt. Vielleicht hat gerade diese<lb/> Art der Motivirung, ans der man schließen konnte, daß das Ministerium ans<lb/> die Annahme deS Gesetzeutwnrss keinen besondern Werth legte, eine Majorität<lb/> gegen die Vorlage zu Staude gebracht. Doch haben anch einige Mitglieder der<lb/> äußersten Rechten durch lehre Abstimmung gegen die Vorlage die Hoffnung erregt,<lb/> daß bei mehreren Mitgliedern dieser äußersten Fraction mehr qesnnder Sinn<lb/> für Recht und Freiheit vorhanden sein dürste, als bei den faulen Centrums-<lb/> natnren. Namentlich hat Graf v. Limburg-Styrum, der sich der Versammlung<lb/> als einen Erz-Reactionair präsentirte, so viel gefunden Sinn und vernünftige<lb/> historische Auffassung an den Tag gelegt, daß man seine Freude daran haben<lb/> konnte. Die Männer der äußersten Rechten zeichnen sich noch dadurch aus, daß<lb/> sie voll festen Vertrauens darauf, die nächste Sündfluth werde erst nach ihnen<lb/> kommen, auf die Zukunft nicht die mindeste Rücksicht nehmen, daß sie jede Hin-<lb/> weisung darauf alö eine verdrießliche Störung ihrer gegenwärtigen Behaglichkeit<lb/> oder gar als eine Thorheit mit Murren und Spektakel aufnehmen; Graf v. Lim-<lb/> burg erhob sich weit über diesen beschränkten und selbstsüchtigen Standpunkt.<lb/> Er hat aus den Ereignissen des Jahres 18i8 die Ueberzeugung gewonnen und<lb/> sprach sie bestimmt aus, daß die Berliner Märzunruhe» nur deshalb den Cha¬<lb/> rakter einer Revolution annahmen, weil in allen Klassen der Gesellschaft Un-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'oder. I.</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
im Volke einige Theilnahme für diese abgelebte Institution zu erregen. Nicht
^ wie früher — durch königlichen Befehl auf Grund der anerkannten Verfassung
des Landes einberufen, sondern durch ein Ministerialrescript ans mehrjähriger Grabes¬
ruhe aufgestört und keck in die lebendige Welt hineinversetzt, gleich bei der Neactivirung
vielfach in ihrer rechtlichen Existenz angefochten und nur von einer winzigen Minorität
beschickt, haben die Landtage eigentlich ein klägliches Dasein geführt; eS hastete
an ihnen ein Makel der Lächerlichkeit, den die Anhänger des ständischen Systems
mit Verdruß empfanden. Es genügte deshalb nicht, ihnen eine rechtliche Grund¬
lage wiederzugeben; es bedürfte noch anderer künstlicher Mittel, die Aufmerk¬
samkeit ans eine Institution zu lenken, die man mit Fug und Neckt als für
immer abgethan betrachtet hatte. Ein solches Mittel hätte die zweijährige Ein-
berufung der Kammern gewährt. Nicht bloß, weil die Landtage, sobald sie jähr¬
lich mit den Kammern alternirt hätten, ein gewisses Maaß von Beachtung
gefunden haben würden, sondern hauptsächlich, weil dann die Octroyirnngen
noch häufiger geworden und die Wirksamkeit der Kammern auf die traurige
Aufgabe beschränkt worden wäre, die auf Grund deö Gutachtens der Landtage
octroyirteu Gesetze nachträglich zu genehmigen, d. h. zu thun, was zu unter-
lassen immer mißlich ist. Wenn die Kammern sich selbst dazu verurtheilt hätten,
rrwrttaräe apres cliusr zu sein, so hätte vielleicht der Weizen der Landtage
geblüht. Das Ministerium that Alle«, die Bedeutung dieser Frage zu verwischen;
nur Zweckmäßigkeitsgründe, der Wunsch, die Abgeordneten nicht zu häufig ihrem
Berufe zu entziehen, hätten die Vorlage veranlaßt. Vielleicht hat gerade diese
Art der Motivirung, ans der man schließen konnte, daß das Ministerium ans
die Annahme deS Gesetzeutwnrss keinen besondern Werth legte, eine Majorität
gegen die Vorlage zu Staude gebracht. Doch haben anch einige Mitglieder der
äußersten Rechten durch lehre Abstimmung gegen die Vorlage die Hoffnung erregt,
daß bei mehreren Mitgliedern dieser äußersten Fraction mehr qesnnder Sinn
für Recht und Freiheit vorhanden sein dürste, als bei den faulen Centrums-
natnren. Namentlich hat Graf v. Limburg-Styrum, der sich der Versammlung
als einen Erz-Reactionair präsentirte, so viel gefunden Sinn und vernünftige
historische Auffassung an den Tag gelegt, daß man seine Freude daran haben
konnte. Die Männer der äußersten Rechten zeichnen sich noch dadurch aus, daß
sie voll festen Vertrauens darauf, die nächste Sündfluth werde erst nach ihnen
kommen, auf die Zukunft nicht die mindeste Rücksicht nehmen, daß sie jede Hin-
weisung darauf alö eine verdrießliche Störung ihrer gegenwärtigen Behaglichkeit
oder gar als eine Thorheit mit Murren und Spektakel aufnehmen; Graf v. Lim-
burg erhob sich weit über diesen beschränkten und selbstsüchtigen Standpunkt.
Er hat aus den Ereignissen des Jahres 18i8 die Ueberzeugung gewonnen und
sprach sie bestimmt aus, daß die Berliner Märzunruhe» nur deshalb den Cha¬
rakter einer Revolution annahmen, weil in allen Klassen der Gesellschaft Un-
Grenzl'oder. I.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |