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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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dadurch um die Hälfte schlechter, so daß die leere Halle jetzt aussieht, als könnte
und wollte die ganze dahinterliegende Stadt durch dies unschöne Thor, in dem
die zwei magern Feldherren Schildwache stehn, davon laufen. --

München war schon voll von Gebäuden, eine bedeutende Masse mit wahrhaft
edlem Enthusiasmus vom König gebotener Mittel verwendet und verschwendet,
ohne daß man Resultate erhalten hätte, die zur Größe der Mittel in irgend
einem Verhältnisse gestanden wären. -- Man wußte uun erst, was nicht ging.
Mittlerweile war auch die von Ohlmüller angefangene gothische Kirche in derAu fertig
geworden, der mau die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß sie einen an¬
genehmen und fesselnden Eindruck macht, wenn es dem Schiff auch an Tiefe
gebricht und die Art, wie der Thurm sich an die Kirche schließt, schwerlich glücklich
genannt werden kann. Sie war aber doch ein entschiedener Fortschritt gegen das
Bisherige; ja in ihrer Anwendung der Glasmalerei sogar einer gegen die alte
Kunst; denn obwol mau in der Schönheit der Gesammr-Farbenwirkung noch
weit hinter der letztern zurückblieb, so übertraf man sie doch in der Feststellung
großer historischer Kompositionen, die hier, v. Fischer, Rüben u. A. gezeichnet
und in der königl. Anstalt gemalt, der letzter" einen wohlbegründeten Nus ver¬
schafften. --

Auf die Aukirche folgte die Vollendung der byzantinischen Basilica von Zieh"
land; in ihrer Art vielleicht das am meisten Harmonische und Bcfriedigcilde, was
die Münchner Architekten bisher geleistet, wenn man von der wenig bedeutenden
Fa<,',abe absieht. Diese beiden verhältnismäßig glücklichen Erfolge reizten zu vielen neuen
Versuchen, und führten auf die Vereinigung der gothischen mit den byzantinischen
Formen, wie man sie etwa im lombardischen und theilweise auch im florentini-
schen Styl wieder findet, besonders in der Backstein-Architektur, wie sie ersterer
verwendet, wovon man in Bologna, Florenz und Verona so herrliche Muster
trifft; man hat dadurch recht glückliche, verheißende Resultate auch in München
gewonnen, zu welchen ich speciell mehrere Privathäuser, den Augsburger Bahn¬
hof u. f. w. vou Mezgcr, Bnrklein u. A. in. rechne. -- Es ist darin bereits dem ersten
Erfordernis) jedes Kunstwerks genügt -- nicht langweilig zu sein, und man kann
muthig auf dem betretenen Wege zur Bildung eines modernen Baustyls vorwärts
gehen. -

Viele audere Unternehmungen des Königs Ludwig, die Walhalla, das AnS-
stellungsgebäude, das Siegeöthvr, die bayerische Nuhmöhallc u. s. w. sind seither auch
fertig geworden, machen aber das Mißliche und Unnatürliche in der Wahl beliebiger
fremder Formen bei Gebäuden von so bestimmter nationaler Bedeutung nur um
so auffälliger. Was soll uus eine Walhalla in Form eines griechischen Tempels?
Der bloße Name und die Sache stehen schon im schreienden Widerspruch. Oder
eine bayerische Rnhmcshalle nach Art derer von Pästum? Haben das bayerische
Bier und die Nosen von Pästum irgend etwas mit einander gemein? -- Was


dadurch um die Hälfte schlechter, so daß die leere Halle jetzt aussieht, als könnte
und wollte die ganze dahinterliegende Stadt durch dies unschöne Thor, in dem
die zwei magern Feldherren Schildwache stehn, davon laufen. —

München war schon voll von Gebäuden, eine bedeutende Masse mit wahrhaft
edlem Enthusiasmus vom König gebotener Mittel verwendet und verschwendet,
ohne daß man Resultate erhalten hätte, die zur Größe der Mittel in irgend
einem Verhältnisse gestanden wären. — Man wußte uun erst, was nicht ging.
Mittlerweile war auch die von Ohlmüller angefangene gothische Kirche in derAu fertig
geworden, der mau die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß sie einen an¬
genehmen und fesselnden Eindruck macht, wenn es dem Schiff auch an Tiefe
gebricht und die Art, wie der Thurm sich an die Kirche schließt, schwerlich glücklich
genannt werden kann. Sie war aber doch ein entschiedener Fortschritt gegen das
Bisherige; ja in ihrer Anwendung der Glasmalerei sogar einer gegen die alte
Kunst; denn obwol mau in der Schönheit der Gesammr-Farbenwirkung noch
weit hinter der letztern zurückblieb, so übertraf man sie doch in der Feststellung
großer historischer Kompositionen, die hier, v. Fischer, Rüben u. A. gezeichnet
und in der königl. Anstalt gemalt, der letzter» einen wohlbegründeten Nus ver¬
schafften. —

Auf die Aukirche folgte die Vollendung der byzantinischen Basilica von Zieh«
land; in ihrer Art vielleicht das am meisten Harmonische und Bcfriedigcilde, was
die Münchner Architekten bisher geleistet, wenn man von der wenig bedeutenden
Fa<,',abe absieht. Diese beiden verhältnismäßig glücklichen Erfolge reizten zu vielen neuen
Versuchen, und führten auf die Vereinigung der gothischen mit den byzantinischen
Formen, wie man sie etwa im lombardischen und theilweise auch im florentini-
schen Styl wieder findet, besonders in der Backstein-Architektur, wie sie ersterer
verwendet, wovon man in Bologna, Florenz und Verona so herrliche Muster
trifft; man hat dadurch recht glückliche, verheißende Resultate auch in München
gewonnen, zu welchen ich speciell mehrere Privathäuser, den Augsburger Bahn¬
hof u. f. w. vou Mezgcr, Bnrklein u. A. in. rechne. — Es ist darin bereits dem ersten
Erfordernis) jedes Kunstwerks genügt — nicht langweilig zu sein, und man kann
muthig auf dem betretenen Wege zur Bildung eines modernen Baustyls vorwärts
gehen. -

Viele audere Unternehmungen des Königs Ludwig, die Walhalla, das AnS-
stellungsgebäude, das Siegeöthvr, die bayerische Nuhmöhallc u. s. w. sind seither auch
fertig geworden, machen aber das Mißliche und Unnatürliche in der Wahl beliebiger
fremder Formen bei Gebäuden von so bestimmter nationaler Bedeutung nur um
so auffälliger. Was soll uus eine Walhalla in Form eines griechischen Tempels?
Der bloße Name und die Sache stehen schon im schreienden Widerspruch. Oder
eine bayerische Rnhmcshalle nach Art derer von Pästum? Haben das bayerische
Bier und die Nosen von Pästum irgend etwas mit einander gemein? — Was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/332>, abgerufen am 29.12.2024.