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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Bestimmteste in ihren Formen ausprägen, daß schier jeder Stein ein selbstständiges
Interesse hat, da mich einem das neue München mit seinen eklektischen Versuchen
in der Architektur, die selten sehr gelungen genannt werden können, überflüßig
und unberechtigt vorkommen. So gestehe ich gern, daß z.B. die Ludwigsstraße für
mich zu den langweiligsten gehört, die unsre moderne Baukunst in's Leben rief.
Indeß waren bei dem traurigen Zustande der Architektur am Anfange dieses
Jahrhunderts viele mißglückte Experimente unvermeidlich, ehe man es wieder zu
guten Kunstwerken bringen, den Punkt erkennen konnte, wo etwa beim Alten
am Zweckmäßigsten anzuknüpfen sein möchte, um einen unsrer Technik, unserm
Material und unsren Bedürfnissen entsprechenden Styl zu finden, oder nur über¬
haupt erst Auge und Geschmack zu bilden, -- die selbst zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts noch viel besser beschaffe" waren, als bei Beginn des gegen¬
wärtigen. -- ,

Man wird dieselbe Erfahrung, wie in München, so ziemlich in allen übrigen
Städten machen, weder Berlin noch Paris, am allerwenigste!! Wien, London
und Petersburg haben in dieser Beziehung etwas voraus, -- wenn ich also die
hiesigen Productionen nicht mir Lob überschütte, so geschieht dies wenigstens gewiß
nicht aus zu großer Eingenommenheit für anderwärts Entstandenes. --

Einer der in die Angen springendsten Fehler dieser modernen Münchner Ge¬
bäude der ersten Epoche scheint mir ihre übermäßige Größe, die manchmal dem
Zweck geradezu widerspricht, wie z. B. bei der Bibliothek, eine übergroße
Menge Unterhaltungskosten verlangt, Heizung n. s. w. enorm verthenert, zunächst aber
verhinderte den Fanden jene Feinheit der Verhältnisse, jene energische Profilirung,
an der es ihnen vorzugsweise fehlt, den Reichthum von Verzierungen, die Liebe und
Sorgfalt in der Ausführung des künstlerischen Details zu geben, die für jedes
Bauwerk unerläßlich sind, wenn eS erwärmen soll, da alle Mittel durch die ungc-
gchencru Massen des Mauerwerks verschlungen wurden. Dieses System ver¬
hinderte auch überdies lange Zeit die Ausbildung geschickter Arbeiter, die man
erst jcjzt nach und nach mühsam bekommt. -- Gewisse Architekten wollen ihre
Concurrenten wo möglich dnrch die großen Proportionen ihrer Arbeit todtschla-
gen, weil ihnen das unstreitig leichter wird, als sich dnrch Neuheit oder Voll¬
endung und Durchbildung hervorzuthun. -- Als die gelungensten Gebäude der
erwähnten ersten Perioden in München wird man wol Klenze's Glyptothek und
Pinakothek ansehen müssen, besonders die erstere, die auch jei.;t uoch immer den
angenehmsten Eindruck macht, während bei der andern die augenscheinliche Be-
nichnng des Bramante öfters blos zur Magerkeit dieses Meisters führt, ohne
die Feinheit seiner Verhältnisse zu erreichen, -- so wie anch bei ihr über Nanm-
verschwendnng zu klagen ist. Immerhin gehört sie doch in ihrer innern Einrich¬
tung zu den zweckmäßigsten Galerien, die ich kenne, und ist z. B. dem Schinkel-
schen Museum in Berlin in dieser Beziehung allerdings vorzuziehen, obwol sie


Bestimmteste in ihren Formen ausprägen, daß schier jeder Stein ein selbstständiges
Interesse hat, da mich einem das neue München mit seinen eklektischen Versuchen
in der Architektur, die selten sehr gelungen genannt werden können, überflüßig
und unberechtigt vorkommen. So gestehe ich gern, daß z.B. die Ludwigsstraße für
mich zu den langweiligsten gehört, die unsre moderne Baukunst in's Leben rief.
Indeß waren bei dem traurigen Zustande der Architektur am Anfange dieses
Jahrhunderts viele mißglückte Experimente unvermeidlich, ehe man es wieder zu
guten Kunstwerken bringen, den Punkt erkennen konnte, wo etwa beim Alten
am Zweckmäßigsten anzuknüpfen sein möchte, um einen unsrer Technik, unserm
Material und unsren Bedürfnissen entsprechenden Styl zu finden, oder nur über¬
haupt erst Auge und Geschmack zu bilden, — die selbst zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts noch viel besser beschaffe» waren, als bei Beginn des gegen¬
wärtigen. — ,

Man wird dieselbe Erfahrung, wie in München, so ziemlich in allen übrigen
Städten machen, weder Berlin noch Paris, am allerwenigste!! Wien, London
und Petersburg haben in dieser Beziehung etwas voraus, — wenn ich also die
hiesigen Productionen nicht mir Lob überschütte, so geschieht dies wenigstens gewiß
nicht aus zu großer Eingenommenheit für anderwärts Entstandenes. —

Einer der in die Angen springendsten Fehler dieser modernen Münchner Ge¬
bäude der ersten Epoche scheint mir ihre übermäßige Größe, die manchmal dem
Zweck geradezu widerspricht, wie z. B. bei der Bibliothek, eine übergroße
Menge Unterhaltungskosten verlangt, Heizung n. s. w. enorm verthenert, zunächst aber
verhinderte den Fanden jene Feinheit der Verhältnisse, jene energische Profilirung,
an der es ihnen vorzugsweise fehlt, den Reichthum von Verzierungen, die Liebe und
Sorgfalt in der Ausführung des künstlerischen Details zu geben, die für jedes
Bauwerk unerläßlich sind, wenn eS erwärmen soll, da alle Mittel durch die ungc-
gchencru Massen des Mauerwerks verschlungen wurden. Dieses System ver¬
hinderte auch überdies lange Zeit die Ausbildung geschickter Arbeiter, die man
erst jcjzt nach und nach mühsam bekommt. — Gewisse Architekten wollen ihre
Concurrenten wo möglich dnrch die großen Proportionen ihrer Arbeit todtschla-
gen, weil ihnen das unstreitig leichter wird, als sich dnrch Neuheit oder Voll¬
endung und Durchbildung hervorzuthun. — Als die gelungensten Gebäude der
erwähnten ersten Perioden in München wird man wol Klenze's Glyptothek und
Pinakothek ansehen müssen, besonders die erstere, die auch jei.;t uoch immer den
angenehmsten Eindruck macht, während bei der andern die augenscheinliche Be-
nichnng des Bramante öfters blos zur Magerkeit dieses Meisters führt, ohne
die Feinheit seiner Verhältnisse zu erreichen, — so wie anch bei ihr über Nanm-
verschwendnng zu klagen ist. Immerhin gehört sie doch in ihrer innern Einrich¬
tung zu den zweckmäßigsten Galerien, die ich kenne, und ist z. B. dem Schinkel-
schen Museum in Berlin in dieser Beziehung allerdings vorzuziehen, obwol sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/330>, abgerufen am 28.12.2024.