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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Wenn also der Kaiser wirklich im Ernste sprach, als er Frankreich versicherte,
daß er seine Heirath blos als Privatangelegenheit betrachte, muß zugegeben wer¬
ben, daß er allerdings kein schlechtes Privatgeschäft gemacht habe. Der heftige
und thatenliebende Charakter seiner Gemahlin kann ihm nicht unangenehm sein,
denn er ist nicht der Mann, der auf diesem Wege leicht zu besiegen ist. Ihre
Liebenswürdigkeit und freimüthige Mitteilsamkeit aber muß von großem Werthe
für ihn sein und ein Trost für das traurige Bewußtsein, das er mit sich herum¬
tragen mag. Ein wahrer Freund oder eine ganz aufrichtige Freundin muß für
Louis Napoleon, der vielleicht mit Recht so wenig Gewicht ans die Freundschaft
legt, die er bisher eingeflößt oder zu erfahre" Gelegenheit hatte, ein Schal) sein,
den er nicht eifersüchtig genug bewachen kaun, und seine freigcmüthliche Glück¬
seligkeit ist uur um so begreiflicher. Die Heldinnen der hohen Phantasie sind,
wie sich denken läßt, ganz unglücklich über den plötzlichen Fall ihres Sterns. Die
Damen Howard, Contades, die schöne Manara und die reizende N--in sind
geschworene Feindinnen der neuen Kaiserin, die Prinzessin Mathilde wol auch
aus andern Rücksichten. Es steht Miß Howard auch gar nicht übel an, sich als
die eigentliche Josephine zu proclamiren und die Gräfin Tschä blos als Maria
Louise Napoleon'S III. gelten zu lassen; das ist eine verzeihliche Rache gekränkter
weiblicher Eitelkeit. Auch die zurückgesetzte Engländerin hatte, wie jener Kutscher,
gewünscht, wenigstens einer königlichen Prinzessin weichen zu müssen. Die Spa¬
nierin hat sich jedenfalls diplomatischer benommen, als ihre Nebenbuhlerinnen,
oder hat sie ihre Tugend vor Schlingen bewahrt, die ihr ans die perfideste Weise
gelegt waren. In Compiegne war, so zu sage", eine ganze weibliche Verschwö¬
rung los, um die Gräfin Tschä in den Fall zu setzen, uuter gleichen Bedingun¬
gen mit ihren Nebenbuhlerinnen um die Krone zu ringen. Diese Intriguen,
welche den Kaiser und seine jetzige Gemahlin umsponnen hielten, beweisen übri¬
gens, daß die Heirath schon lange gefürchtet war, und daß diese denn doch nicht
so ganz Folge eines plötzlich gefaßten Entschlusses gewesen. Louis Napoleon
mag seine jetzige Lebensgefährtin schon lange geprüft und zu würdigen gelernt
haben, und es ist nur ein -> i>mi>v5 der frivolen Pariser Gesellschaft, in
dem w>" iiwi, einer Schauspielerin, von der in diesen Blättern schon die Rede
gewesen, in dem "H.j'avtüg su,!<; Iiü aurai" rvsisl."" von Fräulein Constance
die richtige Auffassung dieses Ereignisses sehen zu wollen. Eine Spanierin, die
eine intime Freundin der Herzogin von Alba --- der Schwester der Kaiserin --
ist, schrieb sogar hierher, daß man sich in Madrid sage, Madame Montijo, Mutter,
habe schon im November erzählt, der Präsident hätte ihrer Tochter vom
Staatsstreiche geschrieben und ihr deu Antrag gemacht, sein gutes oder böses
Geschick zu theilen. Fräulein Montijo soll geantwortet haben, daß sie sich nicht
gewachsen fühle, eine Kaiserkrone zu tragen, und daß sie zu wenig Vermögen be¬
sitze, Louis Napoleon im Falle des Mißlingens zu entschädigen. Dies mag nun


Wenn also der Kaiser wirklich im Ernste sprach, als er Frankreich versicherte,
daß er seine Heirath blos als Privatangelegenheit betrachte, muß zugegeben wer¬
ben, daß er allerdings kein schlechtes Privatgeschäft gemacht habe. Der heftige
und thatenliebende Charakter seiner Gemahlin kann ihm nicht unangenehm sein,
denn er ist nicht der Mann, der auf diesem Wege leicht zu besiegen ist. Ihre
Liebenswürdigkeit und freimüthige Mitteilsamkeit aber muß von großem Werthe
für ihn sein und ein Trost für das traurige Bewußtsein, das er mit sich herum¬
tragen mag. Ein wahrer Freund oder eine ganz aufrichtige Freundin muß für
Louis Napoleon, der vielleicht mit Recht so wenig Gewicht ans die Freundschaft
legt, die er bisher eingeflößt oder zu erfahre» Gelegenheit hatte, ein Schal) sein,
den er nicht eifersüchtig genug bewachen kaun, und seine freigcmüthliche Glück¬
seligkeit ist uur um so begreiflicher. Die Heldinnen der hohen Phantasie sind,
wie sich denken läßt, ganz unglücklich über den plötzlichen Fall ihres Sterns. Die
Damen Howard, Contades, die schöne Manara und die reizende N—in sind
geschworene Feindinnen der neuen Kaiserin, die Prinzessin Mathilde wol auch
aus andern Rücksichten. Es steht Miß Howard auch gar nicht übel an, sich als
die eigentliche Josephine zu proclamiren und die Gräfin Tschä blos als Maria
Louise Napoleon'S III. gelten zu lassen; das ist eine verzeihliche Rache gekränkter
weiblicher Eitelkeit. Auch die zurückgesetzte Engländerin hatte, wie jener Kutscher,
gewünscht, wenigstens einer königlichen Prinzessin weichen zu müssen. Die Spa¬
nierin hat sich jedenfalls diplomatischer benommen, als ihre Nebenbuhlerinnen,
oder hat sie ihre Tugend vor Schlingen bewahrt, die ihr ans die perfideste Weise
gelegt waren. In Compiegne war, so zu sage», eine ganze weibliche Verschwö¬
rung los, um die Gräfin Tschä in den Fall zu setzen, uuter gleichen Bedingun¬
gen mit ihren Nebenbuhlerinnen um die Krone zu ringen. Diese Intriguen,
welche den Kaiser und seine jetzige Gemahlin umsponnen hielten, beweisen übri¬
gens, daß die Heirath schon lange gefürchtet war, und daß diese denn doch nicht
so ganz Folge eines plötzlich gefaßten Entschlusses gewesen. Louis Napoleon
mag seine jetzige Lebensgefährtin schon lange geprüft und zu würdigen gelernt
haben, und es ist nur ein -> i>mi>v5 der frivolen Pariser Gesellschaft, in
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die richtige Auffassung dieses Ereignisses sehen zu wollen. Eine Spanierin, die
eine intime Freundin der Herzogin von Alba -— der Schwester der Kaiserin —
ist, schrieb sogar hierher, daß man sich in Madrid sage, Madame Montijo, Mutter,
habe schon im November erzählt, der Präsident hätte ihrer Tochter vom
Staatsstreiche geschrieben und ihr deu Antrag gemacht, sein gutes oder böses
Geschick zu theilen. Fräulein Montijo soll geantwortet haben, daß sie sich nicht
gewachsen fühle, eine Kaiserkrone zu tragen, und daß sie zu wenig Vermögen be¬
sitze, Louis Napoleon im Falle des Mißlingens zu entschädigen. Dies mag nun


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[0318] Wenn also der Kaiser wirklich im Ernste sprach, als er Frankreich versicherte, daß er seine Heirath blos als Privatangelegenheit betrachte, muß zugegeben wer¬ ben, daß er allerdings kein schlechtes Privatgeschäft gemacht habe. Der heftige und thatenliebende Charakter seiner Gemahlin kann ihm nicht unangenehm sein, denn er ist nicht der Mann, der auf diesem Wege leicht zu besiegen ist. Ihre Liebenswürdigkeit und freimüthige Mitteilsamkeit aber muß von großem Werthe für ihn sein und ein Trost für das traurige Bewußtsein, das er mit sich herum¬ tragen mag. Ein wahrer Freund oder eine ganz aufrichtige Freundin muß für Louis Napoleon, der vielleicht mit Recht so wenig Gewicht ans die Freundschaft legt, die er bisher eingeflößt oder zu erfahre» Gelegenheit hatte, ein Schal) sein, den er nicht eifersüchtig genug bewachen kaun, und seine freigcmüthliche Glück¬ seligkeit ist uur um so begreiflicher. Die Heldinnen der hohen Phantasie sind, wie sich denken läßt, ganz unglücklich über den plötzlichen Fall ihres Sterns. Die Damen Howard, Contades, die schöne Manara und die reizende N—in sind geschworene Feindinnen der neuen Kaiserin, die Prinzessin Mathilde wol auch aus andern Rücksichten. Es steht Miß Howard auch gar nicht übel an, sich als die eigentliche Josephine zu proclamiren und die Gräfin Tschä blos als Maria Louise Napoleon'S III. gelten zu lassen; das ist eine verzeihliche Rache gekränkter weiblicher Eitelkeit. Auch die zurückgesetzte Engländerin hatte, wie jener Kutscher, gewünscht, wenigstens einer königlichen Prinzessin weichen zu müssen. Die Spa¬ nierin hat sich jedenfalls diplomatischer benommen, als ihre Nebenbuhlerinnen, oder hat sie ihre Tugend vor Schlingen bewahrt, die ihr ans die perfideste Weise gelegt waren. In Compiegne war, so zu sage», eine ganze weibliche Verschwö¬ rung los, um die Gräfin Tschä in den Fall zu setzen, uuter gleichen Bedingun¬ gen mit ihren Nebenbuhlerinnen um die Krone zu ringen. Diese Intriguen, welche den Kaiser und seine jetzige Gemahlin umsponnen hielten, beweisen übri¬ gens, daß die Heirath schon lange gefürchtet war, und daß diese denn doch nicht so ganz Folge eines plötzlich gefaßten Entschlusses gewesen. Louis Napoleon mag seine jetzige Lebensgefährtin schon lange geprüft und zu würdigen gelernt haben, und es ist nur ein -> i>mi>v5 der frivolen Pariser Gesellschaft, in dem w>» iiwi, einer Schauspielerin, von der in diesen Blättern schon die Rede gewesen, in dem „H.j'avtüg su,!<; Iiü aurai« rvsisl.»" von Fräulein Constance die richtige Auffassung dieses Ereignisses sehen zu wollen. Eine Spanierin, die eine intime Freundin der Herzogin von Alba -— der Schwester der Kaiserin — ist, schrieb sogar hierher, daß man sich in Madrid sage, Madame Montijo, Mutter, habe schon im November erzählt, der Präsident hätte ihrer Tochter vom Staatsstreiche geschrieben und ihr deu Antrag gemacht, sein gutes oder böses Geschick zu theilen. Fräulein Montijo soll geantwortet haben, daß sie sich nicht gewachsen fühle, eine Kaiserkrone zu tragen, und daß sie zu wenig Vermögen be¬ sitze, Louis Napoleon im Falle des Mißlingens zu entschädigen. Dies mag nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/318>, abgerufen am 24.07.2024.