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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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leicht erregbares, gutmüthiges Naturel haben. Sie ist nicht blos an Jahren
jung, sie ist es anch innerlich, liebt das Vergnügen, ist ihren Freunden ergeben
und betet ihr Vaterland an. Sie ist Enthusiastin für eine gefaßte Idee und hält
mit Ausdauer daran fest. Sie handelt, wenn einmal entschlossen, mit Feuer und
in naiver Rücksichtslosigkeit auf das Urtheil ihrer Umgebung. Sie hat alle
Eigenschaften, die man in einer so hohen Stellung voraussetzt; sie ist uneigen¬
nützig, einfach und bescheiden, hält viel auf ihre Würde. Sie ist nicht frei von
Excentricitäten, aber sie ist gut u"d bei näherer Bekanntschaft gewinnend. Dabei
ziemlich aufwallend und nicht immer ohne energische Ausbrüche ihres südlichen
Temperaments. In Spanien hat sie im Allgemeinen ein gutes Andenken zurück¬
gelassen, man liebt ihren romanteöken Charakter. Sie hat sich dnrch alterte Züge
vortheilhaft bekannt gemacht. So beschämte sie eines Tages eine ganze Schaar junger
Männer, welche unthätig zusahen, wie zwei Pferde mit einem Wagen, in welchem
Frauen saßen, durchrannten, indem sie ihrem Pferde die Sporen gab, der Kalesche
voreilte, vom Sattel sprang und die erschreckten Pferde zum Stehen brachte.

Ich muß bemerken, daß diese Details aus dem Munde eines heftigen Geg¬
ners der gegenwärtigen Negierung kommen und daher nicht höfische Schmeichelei
eines Beteiligten sind. Sie begreifen, daß mit solchen Eigenschaften ans ein
Volk, wie das französische, leicht guter Eindruck erzielt werden kann, wenn sich
nur anch eine gute Gelegenheit findet. Bisher ist die junge Kaiserin noch unter
dem Einflüsse dessen, was über sie ausgesprengt wird, Niemand kennt sie, und
man ist nach den früheren Verbindungen der allerhöchsten Coterie allerdings be¬
rechtigt, Manches zu glauben, was man sonst schon aus Zartgefühl für das weib¬
liche Geschlecht von vornherein zurückweisen möchte. Ihre äußerliche Erscheinung
ist sehr einnehmend. Eine schöne üppige Gestalt von würdiger Haltung, ge¬
schaffen für majestätische Bewegungen, während das Gesicht eher einen gutmüthigen,
geistreichen weiblichen Charakter verräth, als jene männliche Entschlossenheit, die
man ihr zumuthet. Nur die dunklen Brauen über den dunkelblauen Angen deuten
etwas Energie an. Ihre Stirn ist weiß, glatt und' von angenehmer Form. Die
Nase schön gebant, aber ohne große Bedeutung. Der Mund nicht zu klein, um
schone weiße Zähne häufig sehen zu lassen. Die Lippen reizend, aber nicht
sinnlich. Wangen und Kinn rund, voll, aber von vieler Feinheit. Das schone,
etwas in's Röthliche spielende, blonde Haar erhöht die Schönheit der einzelnen
Züge und giebt dem Gesichte eine anmuthige, aber seltsame Fassung. Gut¬
müthige, naive Heiterkeit mag wol die Stimmung sein, die am häufigsten über
dieses schöne Antlitz gefahren sein mochte, ehe eine Krone anf diesem Köpfchen
lag, das eher gemacht schien, von Blumen bekränzt zu sein. Die kleine Hand
und der kleine Fuß siud Vorzüge, welche bei einer Spanierin nicht erst erwähnt
werden müssen, das sind Schönheiten, welche in den Signalements der spanischen
Polizei stets gedruckt stehen mögen.


leicht erregbares, gutmüthiges Naturel haben. Sie ist nicht blos an Jahren
jung, sie ist es anch innerlich, liebt das Vergnügen, ist ihren Freunden ergeben
und betet ihr Vaterland an. Sie ist Enthusiastin für eine gefaßte Idee und hält
mit Ausdauer daran fest. Sie handelt, wenn einmal entschlossen, mit Feuer und
in naiver Rücksichtslosigkeit auf das Urtheil ihrer Umgebung. Sie hat alle
Eigenschaften, die man in einer so hohen Stellung voraussetzt; sie ist uneigen¬
nützig, einfach und bescheiden, hält viel auf ihre Würde. Sie ist nicht frei von
Excentricitäten, aber sie ist gut u»d bei näherer Bekanntschaft gewinnend. Dabei
ziemlich aufwallend und nicht immer ohne energische Ausbrüche ihres südlichen
Temperaments. In Spanien hat sie im Allgemeinen ein gutes Andenken zurück¬
gelassen, man liebt ihren romanteöken Charakter. Sie hat sich dnrch alterte Züge
vortheilhaft bekannt gemacht. So beschämte sie eines Tages eine ganze Schaar junger
Männer, welche unthätig zusahen, wie zwei Pferde mit einem Wagen, in welchem
Frauen saßen, durchrannten, indem sie ihrem Pferde die Sporen gab, der Kalesche
voreilte, vom Sattel sprang und die erschreckten Pferde zum Stehen brachte.

Ich muß bemerken, daß diese Details aus dem Munde eines heftigen Geg¬
ners der gegenwärtigen Negierung kommen und daher nicht höfische Schmeichelei
eines Beteiligten sind. Sie begreifen, daß mit solchen Eigenschaften ans ein
Volk, wie das französische, leicht guter Eindruck erzielt werden kann, wenn sich
nur anch eine gute Gelegenheit findet. Bisher ist die junge Kaiserin noch unter
dem Einflüsse dessen, was über sie ausgesprengt wird, Niemand kennt sie, und
man ist nach den früheren Verbindungen der allerhöchsten Coterie allerdings be¬
rechtigt, Manches zu glauben, was man sonst schon aus Zartgefühl für das weib¬
liche Geschlecht von vornherein zurückweisen möchte. Ihre äußerliche Erscheinung
ist sehr einnehmend. Eine schöne üppige Gestalt von würdiger Haltung, ge¬
schaffen für majestätische Bewegungen, während das Gesicht eher einen gutmüthigen,
geistreichen weiblichen Charakter verräth, als jene männliche Entschlossenheit, die
man ihr zumuthet. Nur die dunklen Brauen über den dunkelblauen Angen deuten
etwas Energie an. Ihre Stirn ist weiß, glatt und' von angenehmer Form. Die
Nase schön gebant, aber ohne große Bedeutung. Der Mund nicht zu klein, um
schone weiße Zähne häufig sehen zu lassen. Die Lippen reizend, aber nicht
sinnlich. Wangen und Kinn rund, voll, aber von vieler Feinheit. Das schone,
etwas in's Röthliche spielende, blonde Haar erhöht die Schönheit der einzelnen
Züge und giebt dem Gesichte eine anmuthige, aber seltsame Fassung. Gut¬
müthige, naive Heiterkeit mag wol die Stimmung sein, die am häufigsten über
dieses schöne Antlitz gefahren sein mochte, ehe eine Krone anf diesem Köpfchen
lag, das eher gemacht schien, von Blumen bekränzt zu sein. Die kleine Hand
und der kleine Fuß siud Vorzüge, welche bei einer Spanierin nicht erst erwähnt
werden müssen, das sind Schönheiten, welche in den Signalements der spanischen
Polizei stets gedruckt stehen mögen.


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[0317] leicht erregbares, gutmüthiges Naturel haben. Sie ist nicht blos an Jahren jung, sie ist es anch innerlich, liebt das Vergnügen, ist ihren Freunden ergeben und betet ihr Vaterland an. Sie ist Enthusiastin für eine gefaßte Idee und hält mit Ausdauer daran fest. Sie handelt, wenn einmal entschlossen, mit Feuer und in naiver Rücksichtslosigkeit auf das Urtheil ihrer Umgebung. Sie hat alle Eigenschaften, die man in einer so hohen Stellung voraussetzt; sie ist uneigen¬ nützig, einfach und bescheiden, hält viel auf ihre Würde. Sie ist nicht frei von Excentricitäten, aber sie ist gut u»d bei näherer Bekanntschaft gewinnend. Dabei ziemlich aufwallend und nicht immer ohne energische Ausbrüche ihres südlichen Temperaments. In Spanien hat sie im Allgemeinen ein gutes Andenken zurück¬ gelassen, man liebt ihren romanteöken Charakter. Sie hat sich dnrch alterte Züge vortheilhaft bekannt gemacht. So beschämte sie eines Tages eine ganze Schaar junger Männer, welche unthätig zusahen, wie zwei Pferde mit einem Wagen, in welchem Frauen saßen, durchrannten, indem sie ihrem Pferde die Sporen gab, der Kalesche voreilte, vom Sattel sprang und die erschreckten Pferde zum Stehen brachte. Ich muß bemerken, daß diese Details aus dem Munde eines heftigen Geg¬ ners der gegenwärtigen Negierung kommen und daher nicht höfische Schmeichelei eines Beteiligten sind. Sie begreifen, daß mit solchen Eigenschaften ans ein Volk, wie das französische, leicht guter Eindruck erzielt werden kann, wenn sich nur anch eine gute Gelegenheit findet. Bisher ist die junge Kaiserin noch unter dem Einflüsse dessen, was über sie ausgesprengt wird, Niemand kennt sie, und man ist nach den früheren Verbindungen der allerhöchsten Coterie allerdings be¬ rechtigt, Manches zu glauben, was man sonst schon aus Zartgefühl für das weib¬ liche Geschlecht von vornherein zurückweisen möchte. Ihre äußerliche Erscheinung ist sehr einnehmend. Eine schöne üppige Gestalt von würdiger Haltung, ge¬ schaffen für majestätische Bewegungen, während das Gesicht eher einen gutmüthigen, geistreichen weiblichen Charakter verräth, als jene männliche Entschlossenheit, die man ihr zumuthet. Nur die dunklen Brauen über den dunkelblauen Angen deuten etwas Energie an. Ihre Stirn ist weiß, glatt und' von angenehmer Form. Die Nase schön gebant, aber ohne große Bedeutung. Der Mund nicht zu klein, um schone weiße Zähne häufig sehen zu lassen. Die Lippen reizend, aber nicht sinnlich. Wangen und Kinn rund, voll, aber von vieler Feinheit. Das schone, etwas in's Röthliche spielende, blonde Haar erhöht die Schönheit der einzelnen Züge und giebt dem Gesichte eine anmuthige, aber seltsame Fassung. Gut¬ müthige, naive Heiterkeit mag wol die Stimmung sein, die am häufigsten über dieses schöne Antlitz gefahren sein mochte, ehe eine Krone anf diesem Köpfchen lag, das eher gemacht schien, von Blumen bekränzt zu sein. Die kleine Hand und der kleine Fuß siud Vorzüge, welche bei einer Spanierin nicht erst erwähnt werden müssen, das sind Schönheiten, welche in den Signalements der spanischen Polizei stets gedruckt stehen mögen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/317>, abgerufen am 24.07.2024.