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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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sucht auf der östlichen Seite der Nordgrenze die Bergpässe zu formen, um sich
mit dem Scraskier in Verbindung zu setzen. Ein fünftes, kleineres Corps
unter dem Bei v. Antivari endlich manövrirt von der Küste aus gegen
die Westgrenze der Czernagora, wol mehr um den Feind zur Zersplitte¬
rung seiner Kräfte zu zwingen, als in der Absicht eines ernstlichen Angriffes.
Die sämmtlichen türkischen Streitkräfte dürften ohne Uebertreibung auf mehr,
als 40,000 Mann ^ur Hälfte etwa regulaire Truppen) geschätzt werden,
von denen 46 bis 18,000 vom Norte", über 20,000 unter Omer- und Osmau-
Pascha vom Süden, 4000 etwa von Autivari ans operiren. Schwerlich dürfte
die Gesammtmacht, die Montenegro aufbringen kann, 12 bis 16,000 Mann
übersteigen, die allerdings durch die Oertlichkeit ausnehmend begünstigt und, obwol
ohne regulaire Disciplin und Taktik, durch hohen natürlichen Muth und das
Bewußtsein, für Haus, Heerd und Existenz zu fechten, angefeuert werden.

Eine Reihe zum Theil, wie es scheint, sehr blutiger Vorgefechte haben den
Türken starke Verluste beigebracht; demungeachtet haben die Montenegriner sehr
wichtige Positionen eingebüßt. Grahowo ist nach verzweifeltem Widerstande deö
Wojwodeu Wujatich, der selbst gefangen wurde, durch die Uebermacht der türkischen
Artillerie gefallen und, was das Gefährlichste für die Montenegriner ist, Onier-
Pascha ist von Spusz aus in das Thal der Zeta, eines kleinen Nebenflusses der
Mvradscha, eingedrungen und scheint sich mit dem vom Norden her angreifenden
Corps, das von den Quellen der Zeta aus flußabwärts operirt, bereits so weit
in Verbindung gesetzt zu haben, um die östliche Hälfte Montenegros, dessen Ge¬
biet hier an seiner schmalsten Stelle von der Zeta durchschnitten wird, von dem
westlichen Theil, in welchem die Hauptstadt Cettiuje liegt, abzuschneiden. Schon
wird gemeldet, daß die vier östlichen Radien (Bezirke), die weniger zuverlässig
der mouteuegriuischeu Sache anhängen, sich dem Seraskier unterworfen hätten,
und die letzten Nachrichten wollen sogar wissen, daß Omer-Pascha bis nahe vor
Cettinje vorgedrungen sei und dem Fürsten Danilv für seine Unterwerfung eine
Bedenkzeit von wenigen Tagen (bis zum 31. Januar) gestellt hätte. Bei deu
unvermutheten Zwischenfällen eiues Gebirgökrieges und der verwegenen Tapferkeit
der Montenegriner kann indeß ein plötzlicher Unfall den nahen Sieg deö türkischen
Feldherrn vereiteln.

Der Feldzug der Türken gegen d'.e Czcrnagora scheint indeß politische Even-
tualitäten heraufzubeschwören, die weit über die Wichtigkeit der dortigen lokalen
Vorgänge hinausrage". Oestreich zieht in deu Grenzprovinzcu bedeutende Streit-
kräfte zusammen, und hat in der Person des Grafen v. Leiningen einen Unter¬
händler nach Constantinopel geschickt, mit, wie es heißt, ziemlich gebieterische" For¬
derungen an den Diva", theils einer Einstellung des Angriffs gegen Montenegro,
theils seiner übrigen Beschwerden wegen in Betreff der Verfolgung der Christe"
i" Bosnien ""d Albanien, und der Plackereien gegen österreichische Unterthanen


Grenzlwtcu, I. 18!". Z9

sucht auf der östlichen Seite der Nordgrenze die Bergpässe zu formen, um sich
mit dem Scraskier in Verbindung zu setzen. Ein fünftes, kleineres Corps
unter dem Bei v. Antivari endlich manövrirt von der Küste aus gegen
die Westgrenze der Czernagora, wol mehr um den Feind zur Zersplitte¬
rung seiner Kräfte zu zwingen, als in der Absicht eines ernstlichen Angriffes.
Die sämmtlichen türkischen Streitkräfte dürften ohne Uebertreibung auf mehr,
als 40,000 Mann ^ur Hälfte etwa regulaire Truppen) geschätzt werden,
von denen 46 bis 18,000 vom Norte», über 20,000 unter Omer- und Osmau-
Pascha vom Süden, 4000 etwa von Autivari ans operiren. Schwerlich dürfte
die Gesammtmacht, die Montenegro aufbringen kann, 12 bis 16,000 Mann
übersteigen, die allerdings durch die Oertlichkeit ausnehmend begünstigt und, obwol
ohne regulaire Disciplin und Taktik, durch hohen natürlichen Muth und das
Bewußtsein, für Haus, Heerd und Existenz zu fechten, angefeuert werden.

Eine Reihe zum Theil, wie es scheint, sehr blutiger Vorgefechte haben den
Türken starke Verluste beigebracht; demungeachtet haben die Montenegriner sehr
wichtige Positionen eingebüßt. Grahowo ist nach verzweifeltem Widerstande deö
Wojwodeu Wujatich, der selbst gefangen wurde, durch die Uebermacht der türkischen
Artillerie gefallen und, was das Gefährlichste für die Montenegriner ist, Onier-
Pascha ist von Spusz aus in das Thal der Zeta, eines kleinen Nebenflusses der
Mvradscha, eingedrungen und scheint sich mit dem vom Norden her angreifenden
Corps, das von den Quellen der Zeta aus flußabwärts operirt, bereits so weit
in Verbindung gesetzt zu haben, um die östliche Hälfte Montenegros, dessen Ge¬
biet hier an seiner schmalsten Stelle von der Zeta durchschnitten wird, von dem
westlichen Theil, in welchem die Hauptstadt Cettiuje liegt, abzuschneiden. Schon
wird gemeldet, daß die vier östlichen Radien (Bezirke), die weniger zuverlässig
der mouteuegriuischeu Sache anhängen, sich dem Seraskier unterworfen hätten,
und die letzten Nachrichten wollen sogar wissen, daß Omer-Pascha bis nahe vor
Cettinje vorgedrungen sei und dem Fürsten Danilv für seine Unterwerfung eine
Bedenkzeit von wenigen Tagen (bis zum 31. Januar) gestellt hätte. Bei deu
unvermutheten Zwischenfällen eiues Gebirgökrieges und der verwegenen Tapferkeit
der Montenegriner kann indeß ein plötzlicher Unfall den nahen Sieg deö türkischen
Feldherrn vereiteln.

Der Feldzug der Türken gegen d'.e Czcrnagora scheint indeß politische Even-
tualitäten heraufzubeschwören, die weit über die Wichtigkeit der dortigen lokalen
Vorgänge hinausrage». Oestreich zieht in deu Grenzprovinzcu bedeutende Streit-
kräfte zusammen, und hat in der Person des Grafen v. Leiningen einen Unter¬
händler nach Constantinopel geschickt, mit, wie es heißt, ziemlich gebieterische» For¬
derungen an den Diva», theils einer Einstellung des Angriffs gegen Montenegro,
theils seiner übrigen Beschwerden wegen in Betreff der Verfolgung der Christe»
i" Bosnien »»d Albanien, und der Plackereien gegen österreichische Unterthanen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/313>, abgerufen am 24.07.2024.