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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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freiheit in der Kammer etwa auf ähnliche Weise zu reguliren, wie es mit der
Preßfreiheit durch das Prcßgcsctz geschehen ist. Es ist sehr begreiflich, daß das
Ministerium, nachdem es die Augriffe der Presse zum Schweigen gebracht hat,
die Freiheit auf der Tribune um so verdrießlicher empfindet und jeden geeigneten
Anlaß mit Begierde ergreift, um dem Preßgesetz die erwünschte Ergänzung zu
geben, und dafür zu sorgen, daß da, wo der Ministertisch steht, überhaupt "spitze
Worte" nicht mehr fliegen dürfen. Vermuthungen über den möglichen Inhalt eines
solchen Gesetzentwurfs aufzustellen, ist natürlich nicht angemessen; doch wird er
unzweifelhaft einen neuen Beleg dafür liefern, daß auch in Bezug auf die par¬
lamentarische Redefreiheit nach der Meinung des Ministeriums für Preußen ein
ganz "eigenthümlicher" Entwickelungsgang vonnöthen ist.


Die Türkei und Montenegro.

-- Seit einigen Wochen haben die
Operationen Omer-Pascha's gegen Montenegro begonnen, und so viel man aus
den nicht immer klaren und übereinstimmenden Berichten, die nus durch die öster¬
reichischen Zeitungen zukommen, entnehmen kann, ist die militärische Lage des
tapferen Volkes von Czernagora eine bereits ziemlich bedrängte geworden. Der
Seraskier hatte von verschiedenen Seiten her seine Kolonnen 'gegen die kleine
Berglandschaft in Marsch gesetzt. Das Gebiet von Montenegro, etwa 80 bis
100 ^Meilen groß, schiebt sich von der dalmatischen Küste aus wie ein Keil
zwischen die beiden türkischen Provinzen Bosnien und Albanien. Nach der kecken
Provocation, die der Fürst Dauilo durch deu Ueberfall vou Zalbliak der Pforte
hinwarf, wurden sofort in beiden Provinzen umfassende Rüstungen in's Werk
gesetzt und neben deu regulairen Truppen ein zahlreiches irregulaires Aufgebot
unter die Waffen gerufen. Verstärkungen ans Macedonien und Rumelien strömten
Omer-Pascha zu, und ein in Constantinopel ausgerüstetes Geschwader setzte die
albanesische Küste in Blokadezustaud. Der Scraskicr näherte sich mit der türkischen
Hauptmacht der Südgreuze der schwarzen Berge, während die böhmische" Pascha's
ihre Streitkräfte in der Montenegro nördlich begrenzenden Herzegowina concen-
trirten. Verschiedene Vorgefechte, welche die Moutenegriuer, namentlich mit
Osman-Pascha von Siutari, hatten, fielen, wenn man selbst die Uebertreibungen
der sehr parteiisch für sie gestimmten österreichischen Blätter abzieht, augenschein¬
lich zu ihren Gunsten aus. Omer-Pascha's OpcrationSplan besteht darin, gleich¬
zeitig auf fünf Punkten Montenegro anzugreifen. Während Osman-Pascha von
Skutari ans die Straße bedroht, welche nach Cettinje, der Residenz des Vladit'a
führt, und der Oberfeldherr selbst etwas weiter östlich von Spusz und Podgo-
rizza aus, wo das türkische Gebiet einen schmalen und tiefen Einschnitt längs dem
Flusse Mvradscha in das montenegrinische macht, mit dem Hauptcorps vordringt,
operiren Neis-Pascha vom Norden gegen Grahowo, einen Bezirk der Herzegowina,
der sich für die Montenegriner erklärt hatte, und ein viertes türkisches Corps


freiheit in der Kammer etwa auf ähnliche Weise zu reguliren, wie es mit der
Preßfreiheit durch das Prcßgcsctz geschehen ist. Es ist sehr begreiflich, daß das
Ministerium, nachdem es die Augriffe der Presse zum Schweigen gebracht hat,
die Freiheit auf der Tribune um so verdrießlicher empfindet und jeden geeigneten
Anlaß mit Begierde ergreift, um dem Preßgesetz die erwünschte Ergänzung zu
geben, und dafür zu sorgen, daß da, wo der Ministertisch steht, überhaupt „spitze
Worte" nicht mehr fliegen dürfen. Vermuthungen über den möglichen Inhalt eines
solchen Gesetzentwurfs aufzustellen, ist natürlich nicht angemessen; doch wird er
unzweifelhaft einen neuen Beleg dafür liefern, daß auch in Bezug auf die par¬
lamentarische Redefreiheit nach der Meinung des Ministeriums für Preußen ein
ganz „eigenthümlicher" Entwickelungsgang vonnöthen ist.


Die Türkei und Montenegro.

— Seit einigen Wochen haben die
Operationen Omer-Pascha's gegen Montenegro begonnen, und so viel man aus
den nicht immer klaren und übereinstimmenden Berichten, die nus durch die öster¬
reichischen Zeitungen zukommen, entnehmen kann, ist die militärische Lage des
tapferen Volkes von Czernagora eine bereits ziemlich bedrängte geworden. Der
Seraskier hatte von verschiedenen Seiten her seine Kolonnen 'gegen die kleine
Berglandschaft in Marsch gesetzt. Das Gebiet von Montenegro, etwa 80 bis
100 ^Meilen groß, schiebt sich von der dalmatischen Küste aus wie ein Keil
zwischen die beiden türkischen Provinzen Bosnien und Albanien. Nach der kecken
Provocation, die der Fürst Dauilo durch deu Ueberfall vou Zalbliak der Pforte
hinwarf, wurden sofort in beiden Provinzen umfassende Rüstungen in's Werk
gesetzt und neben deu regulairen Truppen ein zahlreiches irregulaires Aufgebot
unter die Waffen gerufen. Verstärkungen ans Macedonien und Rumelien strömten
Omer-Pascha zu, und ein in Constantinopel ausgerüstetes Geschwader setzte die
albanesische Küste in Blokadezustaud. Der Scraskicr näherte sich mit der türkischen
Hauptmacht der Südgreuze der schwarzen Berge, während die böhmische» Pascha's
ihre Streitkräfte in der Montenegro nördlich begrenzenden Herzegowina concen-
trirten. Verschiedene Vorgefechte, welche die Moutenegriuer, namentlich mit
Osman-Pascha von Siutari, hatten, fielen, wenn man selbst die Uebertreibungen
der sehr parteiisch für sie gestimmten österreichischen Blätter abzieht, augenschein¬
lich zu ihren Gunsten aus. Omer-Pascha's OpcrationSplan besteht darin, gleich¬
zeitig auf fünf Punkten Montenegro anzugreifen. Während Osman-Pascha von
Skutari ans die Straße bedroht, welche nach Cettinje, der Residenz des Vladit'a
führt, und der Oberfeldherr selbst etwas weiter östlich von Spusz und Podgo-
rizza aus, wo das türkische Gebiet einen schmalen und tiefen Einschnitt längs dem
Flusse Mvradscha in das montenegrinische macht, mit dem Hauptcorps vordringt,
operiren Neis-Pascha vom Norden gegen Grahowo, einen Bezirk der Herzegowina,
der sich für die Montenegriner erklärt hatte, und ein viertes türkisches Corps


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/312>, abgerufen am 24.07.2024.