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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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soll für beide nur ein Kreuz gelten; oder soll der Kranz ganz und gar
wegbleiben?

Jeder muß einen Kranz erhalten! meinte der Eine. Wohin? Ans den
Kopf! -- Es ließe sich dem Gedanken mich wol nichts dagegen sagen, da man
nun einmal den Lorbeerkranz als ein Attribut der Dichter anzusehen gewohnt ist,
und da der Eifersucht der Parteien für Goethe und Schiller dadurch zugleich
einige Nahrung entzogen würde; wenn es nur nicht wieder zwei monotone Kopf¬
zierden wären, und wenn ein Kranz in der Plastik nicht gar zu schwer erschiene.--
Nun da braucht man die Kränze nicht ans den Kopf zu setzen, man giebt sie
ihnen in die Hände. Das ist wahr. Aber schwierig ist dann zu bestimmen,
was jeder mit dem Kranze vornehmen soll. Sollen sie Bedeutung haben, so
müßte der Antheil der Dargestellten und dann die besondere Aufmerksamkeit des
Künstlers darauf gewendet sein, was letzterem viel zu schaffe" machen würde.
Ja, wenn sich das Alles so handhaben ließe, wie hübsche, sogenannte geistreiche
Redensarten, so konnte einer dem andern, den Kranz aufsetzen, oder sie könnten
sie dem Publicum als ihre gleiche Errungenschaft freudig entgegenhalten n. s. w.,
wie dergleichen behaglich geäußert wurde. Der Künstler hat aber andere For¬
derungen zu erfüllen, die das Erz, die Plastik an ihn stellt.

Nun so nehme man für beide nur einen Kranz! Das ist denn auch in
den beiden Modellen geschehen, dem Rauch'schen sowol als dem Rietschel'schen,
in beiden jedoch aus verschiedene Weise. Bei Rauch hält Goethe den Kranz in
der Linken hinter Schiller's rechte Schulter, während er die Rechte vertraulich
auf Schiller's vorgestreckten Vorderarm legt. Schiller ist etwas weniger nach
Goethe zugewendet. Bei dem Rietschel'sehen Modell greife" Beide mit den vor¬
gestreckten rechten Händen in den Kranz, während Goethe die linke Hand auf
Schiller'S rechte Schulter legt. Beide sehen gerade ans, Schiller mehr nach oben;
in beiden Gruppe" giebt der eine vorgesetzte Fuß von jeder Figur, so wie die
ganze Haltung das Gefühl des Vorschreitens nach einer Richtung, nach einem Ziel,

In der Hauptsache scheint mir die Rauch'sche Gruppe hier besser, weil durch
das Auflegen der rechten Hand Goethe's auf Schiller's Arm, dnrch die kleine
Wendung Schiller's nach Goethe zu, der Gedanke an das innige Freundschafts-
verhältniß zwischen Beiden hervorgehoben ist, und wol mit Recht. Warum er.
richtet man denn Beiden ein gemeinschaftliches Denkmal, wenn man nicht ein
Gewicht legt auf dieses innig zarte Verhältniß zweier so bedentender Menschen
im gemeinsamen, neidlosen Streben nach demselben Ziel, wodurch ihre Wirksam¬
keit gegenseitig so mächtig gesteigert wurde? Die Gruppe ist dadurch innerlich ab
geschlossener. Der Kranz mußte diese" Ausdruck theilweis stören, weshalb ihn
Rauch weislich fast versteckt hat, ih" als el" bloßes Attribut in der Hand Goethe's
hängen, nicht halten läßt.

Diesen Kranz hat um Rietschel als Hauptverbindnngsmittel beider Figuren


Grenzboten. >. 186", 37

soll für beide nur ein Kreuz gelten; oder soll der Kranz ganz und gar
wegbleiben?

Jeder muß einen Kranz erhalten! meinte der Eine. Wohin? Ans den
Kopf! — Es ließe sich dem Gedanken mich wol nichts dagegen sagen, da man
nun einmal den Lorbeerkranz als ein Attribut der Dichter anzusehen gewohnt ist,
und da der Eifersucht der Parteien für Goethe und Schiller dadurch zugleich
einige Nahrung entzogen würde; wenn es nur nicht wieder zwei monotone Kopf¬
zierden wären, und wenn ein Kranz in der Plastik nicht gar zu schwer erschiene.--
Nun da braucht man die Kränze nicht ans den Kopf zu setzen, man giebt sie
ihnen in die Hände. Das ist wahr. Aber schwierig ist dann zu bestimmen,
was jeder mit dem Kranze vornehmen soll. Sollen sie Bedeutung haben, so
müßte der Antheil der Dargestellten und dann die besondere Aufmerksamkeit des
Künstlers darauf gewendet sein, was letzterem viel zu schaffe» machen würde.
Ja, wenn sich das Alles so handhaben ließe, wie hübsche, sogenannte geistreiche
Redensarten, so konnte einer dem andern, den Kranz aufsetzen, oder sie könnten
sie dem Publicum als ihre gleiche Errungenschaft freudig entgegenhalten n. s. w.,
wie dergleichen behaglich geäußert wurde. Der Künstler hat aber andere For¬
derungen zu erfüllen, die das Erz, die Plastik an ihn stellt.

Nun so nehme man für beide nur einen Kranz! Das ist denn auch in
den beiden Modellen geschehen, dem Rauch'schen sowol als dem Rietschel'schen,
in beiden jedoch aus verschiedene Weise. Bei Rauch hält Goethe den Kranz in
der Linken hinter Schiller's rechte Schulter, während er die Rechte vertraulich
auf Schiller's vorgestreckten Vorderarm legt. Schiller ist etwas weniger nach
Goethe zugewendet. Bei dem Rietschel'sehen Modell greife» Beide mit den vor¬
gestreckten rechten Händen in den Kranz, während Goethe die linke Hand auf
Schiller'S rechte Schulter legt. Beide sehen gerade ans, Schiller mehr nach oben;
in beiden Gruppe» giebt der eine vorgesetzte Fuß von jeder Figur, so wie die
ganze Haltung das Gefühl des Vorschreitens nach einer Richtung, nach einem Ziel,

In der Hauptsache scheint mir die Rauch'sche Gruppe hier besser, weil durch
das Auflegen der rechten Hand Goethe's auf Schiller's Arm, dnrch die kleine
Wendung Schiller's nach Goethe zu, der Gedanke an das innige Freundschafts-
verhältniß zwischen Beiden hervorgehoben ist, und wol mit Recht. Warum er.
richtet man denn Beiden ein gemeinschaftliches Denkmal, wenn man nicht ein
Gewicht legt auf dieses innig zarte Verhältniß zweier so bedentender Menschen
im gemeinsamen, neidlosen Streben nach demselben Ziel, wodurch ihre Wirksam¬
keit gegenseitig so mächtig gesteigert wurde? Die Gruppe ist dadurch innerlich ab
geschlossener. Der Kranz mußte diese» Ausdruck theilweis stören, weshalb ihn
Rauch weislich fast versteckt hat, ih» als el» bloßes Attribut in der Hand Goethe's
hängen, nicht halten läßt.

Diesen Kranz hat um Rietschel als Hauptverbindnngsmittel beider Figuren


Grenzboten. >. 186», 37
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[0297] soll für beide nur ein Kreuz gelten; oder soll der Kranz ganz und gar wegbleiben? Jeder muß einen Kranz erhalten! meinte der Eine. Wohin? Ans den Kopf! — Es ließe sich dem Gedanken mich wol nichts dagegen sagen, da man nun einmal den Lorbeerkranz als ein Attribut der Dichter anzusehen gewohnt ist, und da der Eifersucht der Parteien für Goethe und Schiller dadurch zugleich einige Nahrung entzogen würde; wenn es nur nicht wieder zwei monotone Kopf¬ zierden wären, und wenn ein Kranz in der Plastik nicht gar zu schwer erschiene.-- Nun da braucht man die Kränze nicht ans den Kopf zu setzen, man giebt sie ihnen in die Hände. Das ist wahr. Aber schwierig ist dann zu bestimmen, was jeder mit dem Kranze vornehmen soll. Sollen sie Bedeutung haben, so müßte der Antheil der Dargestellten und dann die besondere Aufmerksamkeit des Künstlers darauf gewendet sein, was letzterem viel zu schaffe» machen würde. Ja, wenn sich das Alles so handhaben ließe, wie hübsche, sogenannte geistreiche Redensarten, so konnte einer dem andern, den Kranz aufsetzen, oder sie könnten sie dem Publicum als ihre gleiche Errungenschaft freudig entgegenhalten n. s. w., wie dergleichen behaglich geäußert wurde. Der Künstler hat aber andere For¬ derungen zu erfüllen, die das Erz, die Plastik an ihn stellt. Nun so nehme man für beide nur einen Kranz! Das ist denn auch in den beiden Modellen geschehen, dem Rauch'schen sowol als dem Rietschel'schen, in beiden jedoch aus verschiedene Weise. Bei Rauch hält Goethe den Kranz in der Linken hinter Schiller's rechte Schulter, während er die Rechte vertraulich auf Schiller's vorgestreckten Vorderarm legt. Schiller ist etwas weniger nach Goethe zugewendet. Bei dem Rietschel'sehen Modell greife» Beide mit den vor¬ gestreckten rechten Händen in den Kranz, während Goethe die linke Hand auf Schiller'S rechte Schulter legt. Beide sehen gerade ans, Schiller mehr nach oben; in beiden Gruppe» giebt der eine vorgesetzte Fuß von jeder Figur, so wie die ganze Haltung das Gefühl des Vorschreitens nach einer Richtung, nach einem Ziel, In der Hauptsache scheint mir die Rauch'sche Gruppe hier besser, weil durch das Auflegen der rechten Hand Goethe's auf Schiller's Arm, dnrch die kleine Wendung Schiller's nach Goethe zu, der Gedanke an das innige Freundschafts- verhältniß zwischen Beiden hervorgehoben ist, und wol mit Recht. Warum er. richtet man denn Beiden ein gemeinschaftliches Denkmal, wenn man nicht ein Gewicht legt auf dieses innig zarte Verhältniß zweier so bedentender Menschen im gemeinsamen, neidlosen Streben nach demselben Ziel, wodurch ihre Wirksam¬ keit gegenseitig so mächtig gesteigert wurde? Die Gruppe ist dadurch innerlich ab geschlossener. Der Kranz mußte diese» Ausdruck theilweis stören, weshalb ihn Rauch weislich fast versteckt hat, ih» als el» bloßes Attribut in der Hand Goethe's hängen, nicht halten läßt. Diesen Kranz hat um Rietschel als Hauptverbindnngsmittel beider Figuren Grenzboten. >. 186», 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/297>, abgerufen am 24.07.2024.