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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Das Denkmal für Schiller und Goethe in Weimar.

In diesen Tage" war das Modell zu dem Denkmal für Goethe und Schiller
von Prof. Rietschel in Dresden hier ausgestellt, zugleich das frühere, von Prof. Rauch in
Berlin gefertigte. In beiden stehen die zwei Figuren neben einander, Goethe links
dem Beschauer gegenüber, Schiller rechts; in beiden Gruppen sieht man nur
eine" Kranz; bei Rietschel ist Goethe im Hvffrack mit Stern und in kurzen
Beinkleidern, Schiller im offnen etwas zurückgeschlagenen Ueberrock, ebenfalls
in kurze" Beinkleidern; Rauch hat beide mit antiker Tunica und Toga, die Füße
nur mit Sandalen bekleidet; bei ihm hat Goethe die rechte Hand auf Schiller's
rechten etwas vorgestreckte" Vorderarm gelegt, in der linken, auf Schiller's rechte
Schulter gelegte" Hand hält er einen Kranz, wovon mau nur wenig oder gar
nichts sehen würde, wenn mau sich "icht sehr fer" vou der Gruppe stellt. Bei
Rietschel hält Goethe den Kranz i" der rechten etwas vorgestreckte" Hand, und
Schiller faßt gleichfalls in denselben. Dabei legt Ersterer vertraulich die linke
Hand auf Schiller'S rechte Schulter. Beide sehe" gerade aus, Schiller mehr nach
oben mit etwas zurückgelegtem Kopf; bei Rauch ist Schiller um Weniges nach Goethe
zugewendet, ebenfalls aber deu Blick nach oben gerichtet; durch Bewegung der
Arme und durch die ganze Haltung macht er den Eindruck der Darstellung einer
dramatischen Rolle. Bei Rietschel hält Schiller eine Rolle in der herabhängen¬
den Linke", welche Rauch in dessen vorgestreckte Rechte gegeben hat.

Die Ausstellung beider Modelle neben einander forderte von selbst zum Ver¬
gleich ans, und es kamen deshalb anch alle die verschiedenen Meinungen über
Gedanke und Anordnung, besonders aber über Costume, Kranz n. s. w., die
schon im Allgemeinen vielfach verhandelt waren, von Neuem zur Sprache.

Oefter geschieht es nnn wol in dergleichen Fällen, daß man sich aus all¬
gemeinen Gründen über einen Grundsatz einigt, in der Anwendung desselben im
bestimmten Fall aber wieder auseinander geht; hier fand bis zu einem gewissen
Grad das Gegentheil statt: Vor Dazwischenkunft des Rietschel'sehen Modelles
waren die Stimme" für und wider das antike und moderne Costume ziemlich
gleich; beim Nebeneinander beider Modelle entschied sich bei weitem die Mehrzahl
für die moderne Bekleidung.

Wenn man nun auch annehmen muß, daß mancherlei zu dieser Begünstigung
beiträgt, daß namentlich noch viele Leute hier leben, die Schiller, weit mehr
aber noch die Goethe persönlich gekannt haben, und die sich gar uicht hineinfinden
können, diese ernsten Männer in einer so wunderbar reichen Drappinmg zu sehen,
die ihnen wie el" A"z"g aus einer Oper vorkommt, was sie mit der allgemeinen
Verehrung dieser Männer gar nicht zusammen bringen können; wenn man auch
ferner zugeben muß, daß zu der Begünstigung des Rietschel'sehen Modelles aller-


Das Denkmal für Schiller und Goethe in Weimar.

In diesen Tage» war das Modell zu dem Denkmal für Goethe und Schiller
von Prof. Rietschel in Dresden hier ausgestellt, zugleich das frühere, von Prof. Rauch in
Berlin gefertigte. In beiden stehen die zwei Figuren neben einander, Goethe links
dem Beschauer gegenüber, Schiller rechts; in beiden Gruppen sieht man nur
eine» Kranz; bei Rietschel ist Goethe im Hvffrack mit Stern und in kurzen
Beinkleidern, Schiller im offnen etwas zurückgeschlagenen Ueberrock, ebenfalls
in kurze» Beinkleidern; Rauch hat beide mit antiker Tunica und Toga, die Füße
nur mit Sandalen bekleidet; bei ihm hat Goethe die rechte Hand auf Schiller's
rechten etwas vorgestreckte» Vorderarm gelegt, in der linken, auf Schiller's rechte
Schulter gelegte» Hand hält er einen Kranz, wovon mau nur wenig oder gar
nichts sehen würde, wenn mau sich »icht sehr fer» vou der Gruppe stellt. Bei
Rietschel hält Goethe den Kranz i» der rechten etwas vorgestreckte» Hand, und
Schiller faßt gleichfalls in denselben. Dabei legt Ersterer vertraulich die linke
Hand auf Schiller'S rechte Schulter. Beide sehe» gerade aus, Schiller mehr nach
oben mit etwas zurückgelegtem Kopf; bei Rauch ist Schiller um Weniges nach Goethe
zugewendet, ebenfalls aber deu Blick nach oben gerichtet; durch Bewegung der
Arme und durch die ganze Haltung macht er den Eindruck der Darstellung einer
dramatischen Rolle. Bei Rietschel hält Schiller eine Rolle in der herabhängen¬
den Linke», welche Rauch in dessen vorgestreckte Rechte gegeben hat.

Die Ausstellung beider Modelle neben einander forderte von selbst zum Ver¬
gleich ans, und es kamen deshalb anch alle die verschiedenen Meinungen über
Gedanke und Anordnung, besonders aber über Costume, Kranz n. s. w., die
schon im Allgemeinen vielfach verhandelt waren, von Neuem zur Sprache.

Oefter geschieht es nnn wol in dergleichen Fällen, daß man sich aus all¬
gemeinen Gründen über einen Grundsatz einigt, in der Anwendung desselben im
bestimmten Fall aber wieder auseinander geht; hier fand bis zu einem gewissen
Grad das Gegentheil statt: Vor Dazwischenkunft des Rietschel'sehen Modelles
waren die Stimme» für und wider das antike und moderne Costume ziemlich
gleich; beim Nebeneinander beider Modelle entschied sich bei weitem die Mehrzahl
für die moderne Bekleidung.

Wenn man nun auch annehmen muß, daß mancherlei zu dieser Begünstigung
beiträgt, daß namentlich noch viele Leute hier leben, die Schiller, weit mehr
aber noch die Goethe persönlich gekannt haben, und die sich gar uicht hineinfinden
können, diese ernsten Männer in einer so wunderbar reichen Drappinmg zu sehen,
die ihnen wie el» A»z»g aus einer Oper vorkommt, was sie mit der allgemeinen
Verehrung dieser Männer gar nicht zusammen bringen können; wenn man auch
ferner zugeben muß, daß zu der Begünstigung des Rietschel'sehen Modelles aller-


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[0294] Das Denkmal für Schiller und Goethe in Weimar. In diesen Tage» war das Modell zu dem Denkmal für Goethe und Schiller von Prof. Rietschel in Dresden hier ausgestellt, zugleich das frühere, von Prof. Rauch in Berlin gefertigte. In beiden stehen die zwei Figuren neben einander, Goethe links dem Beschauer gegenüber, Schiller rechts; in beiden Gruppen sieht man nur eine» Kranz; bei Rietschel ist Goethe im Hvffrack mit Stern und in kurzen Beinkleidern, Schiller im offnen etwas zurückgeschlagenen Ueberrock, ebenfalls in kurze» Beinkleidern; Rauch hat beide mit antiker Tunica und Toga, die Füße nur mit Sandalen bekleidet; bei ihm hat Goethe die rechte Hand auf Schiller's rechten etwas vorgestreckte» Vorderarm gelegt, in der linken, auf Schiller's rechte Schulter gelegte» Hand hält er einen Kranz, wovon mau nur wenig oder gar nichts sehen würde, wenn mau sich »icht sehr fer» vou der Gruppe stellt. Bei Rietschel hält Goethe den Kranz i» der rechten etwas vorgestreckte» Hand, und Schiller faßt gleichfalls in denselben. Dabei legt Ersterer vertraulich die linke Hand auf Schiller'S rechte Schulter. Beide sehe» gerade aus, Schiller mehr nach oben mit etwas zurückgelegtem Kopf; bei Rauch ist Schiller um Weniges nach Goethe zugewendet, ebenfalls aber deu Blick nach oben gerichtet; durch Bewegung der Arme und durch die ganze Haltung macht er den Eindruck der Darstellung einer dramatischen Rolle. Bei Rietschel hält Schiller eine Rolle in der herabhängen¬ den Linke», welche Rauch in dessen vorgestreckte Rechte gegeben hat. Die Ausstellung beider Modelle neben einander forderte von selbst zum Ver¬ gleich ans, und es kamen deshalb anch alle die verschiedenen Meinungen über Gedanke und Anordnung, besonders aber über Costume, Kranz n. s. w., die schon im Allgemeinen vielfach verhandelt waren, von Neuem zur Sprache. Oefter geschieht es nnn wol in dergleichen Fällen, daß man sich aus all¬ gemeinen Gründen über einen Grundsatz einigt, in der Anwendung desselben im bestimmten Fall aber wieder auseinander geht; hier fand bis zu einem gewissen Grad das Gegentheil statt: Vor Dazwischenkunft des Rietschel'sehen Modelles waren die Stimme» für und wider das antike und moderne Costume ziemlich gleich; beim Nebeneinander beider Modelle entschied sich bei weitem die Mehrzahl für die moderne Bekleidung. Wenn man nun auch annehmen muß, daß mancherlei zu dieser Begünstigung beiträgt, daß namentlich noch viele Leute hier leben, die Schiller, weit mehr aber noch die Goethe persönlich gekannt haben, und die sich gar uicht hineinfinden können, diese ernsten Männer in einer so wunderbar reichen Drappinmg zu sehen, die ihnen wie el» A»z»g aus einer Oper vorkommt, was sie mit der allgemeinen Verehrung dieser Männer gar nicht zusammen bringen können; wenn man auch ferner zugeben muß, daß zu der Begünstigung des Rietschel'sehen Modelles aller-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/294>, abgerufen am 24.07.2024.