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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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erfahrenen Leiter einer Bühne manche Schwächen und Längen der Stücke erst
durch die Aufführn"", selbst deutlich werden.

Hat ein Theaterstück auf solche Weise die Lampcnprobe durchgemacht, so giebt
es zwei Wege, dasselbe an den Bühnen zu verbreiten. Der eine ist, das Stück
als Manuscript drucken zu lassen und an die einzelnen Theater zu versenden, der
andere, das Manuscript einem Theatergeschäftsburcan zum Vertrieb zu übergeben.
Solcher Geschäftsbureanx giebt es mehrere, eine ausgebreitete Praxis haben z. B.
Sturm und Koppe in Leipzig, A. Heinrich in Berlin, F. Holting in Wien,
H. Michelson in Berlin. Diese Kommissionäre, welche in der Regel ein eigenes Blatt
redigiren, durch welches sie ihre Interessen vertreten, besorgen auch den Druck der
Manuscripte aus Kosten des Verfassers, versenden dieselben, ziehen die Honorare
el" u. s. w. und berechnen sich dafür etwa 10--10 Proc. der Einnahmen. Einem
jungen Schriftsteller muß vor Allem wünschenswerth sein, mit deu Theatern selbst, ihren
Vorständen, ausgezeichneten Mitgliedern u. s. w. in directe Beziehungen zu treten.
Er lernt dadurch das Thcaterleben, seine Forderungen und Bedürfnisse am Besten
kennen. Deshalb schlägt er am Besten einen Mittelweg ein. Er läßt sein Stück
selbst drucken, -- in 130--200 Exemplaren, falls es auch für kleinere Bühnen
geeignet ist, in einer geringer" Auflage, wenn es höhere Ansprüche an die Kunst¬
bildung der Darsteller macht; er wählt uicht zu kleine Lettern, damit die Augen
der Souffleure nicht über ihn weinen -- und besorgt die Versendung an etwa
20 größere Bühnen selbst, für jedes dieser Institute in je 2 Exemplaren.
Außerdem ist es vorteilhaft, daß er bedeutenden Darstellern der betreffenden
Theater eigene Exemplare sendet. Er bedarf der warmen Hingebung und des
liebevollen Antheils der Schauspieler, es ist freundlich, daß anch er ihnen das
Studium ihrer Rollen erleichtert. Aber die durch solche Sendungen eingeleitete
Verbindung mit achtungswerthen Talenten der Bühne wird dem Schriftsteller
nicht nur nützlich sein, sie kann ihm auch interessante Meuscheu, warme Bewunderer
des Schönen, vielleicht fördernde und treue Freunde gewinnen. Dem deutschen
Dramatiker thut der frische, anregende Umgang mit gebildeten Darstellern mehr
Noth, als irgend etwas Anderes, denn am leichtesten erwirbt er durch ihn, was
ihm in der Regel fehlt, genane Kenntniß des Wirksamen ans der Bühne. Schon
Lessing hat das erfahren. Der Dichter entbehrt viel, der solchen Umgang
missen muß.

Bei der Versendung hat der Schriftsteller natürlich auch den zarten Punkt
der Honorare vor Augen. Bei den meisten Hvftheatern ist uicht gerade nöthig,
daß er eine Forderung stellt. Wien, Berlin und München zahlen Tantieme; für
Stücke, welche den ganzen Abend füllen, 10 pro C. der Bruttoeinnahme jeder
Vorstellung, für kleinere uach Verhältniß. Diese Tantieme wird auf Lebenszeit,
unter Umständen auch nach dem Tode des Dichters gezahlt, ihr Ertrag ist bei
den beiden ersten Theatern Deutschlands sehr bedeutend, denn wenn ein Stück


erfahrenen Leiter einer Bühne manche Schwächen und Längen der Stücke erst
durch die Aufführn»«, selbst deutlich werden.

Hat ein Theaterstück auf solche Weise die Lampcnprobe durchgemacht, so giebt
es zwei Wege, dasselbe an den Bühnen zu verbreiten. Der eine ist, das Stück
als Manuscript drucken zu lassen und an die einzelnen Theater zu versenden, der
andere, das Manuscript einem Theatergeschäftsburcan zum Vertrieb zu übergeben.
Solcher Geschäftsbureanx giebt es mehrere, eine ausgebreitete Praxis haben z. B.
Sturm und Koppe in Leipzig, A. Heinrich in Berlin, F. Holting in Wien,
H. Michelson in Berlin. Diese Kommissionäre, welche in der Regel ein eigenes Blatt
redigiren, durch welches sie ihre Interessen vertreten, besorgen auch den Druck der
Manuscripte aus Kosten des Verfassers, versenden dieselben, ziehen die Honorare
el» u. s. w. und berechnen sich dafür etwa 10—10 Proc. der Einnahmen. Einem
jungen Schriftsteller muß vor Allem wünschenswerth sein, mit deu Theatern selbst, ihren
Vorständen, ausgezeichneten Mitgliedern u. s. w. in directe Beziehungen zu treten.
Er lernt dadurch das Thcaterleben, seine Forderungen und Bedürfnisse am Besten
kennen. Deshalb schlägt er am Besten einen Mittelweg ein. Er läßt sein Stück
selbst drucken, — in 130—200 Exemplaren, falls es auch für kleinere Bühnen
geeignet ist, in einer geringer» Auflage, wenn es höhere Ansprüche an die Kunst¬
bildung der Darsteller macht; er wählt uicht zu kleine Lettern, damit die Augen
der Souffleure nicht über ihn weinen — und besorgt die Versendung an etwa
20 größere Bühnen selbst, für jedes dieser Institute in je 2 Exemplaren.
Außerdem ist es vorteilhaft, daß er bedeutenden Darstellern der betreffenden
Theater eigene Exemplare sendet. Er bedarf der warmen Hingebung und des
liebevollen Antheils der Schauspieler, es ist freundlich, daß anch er ihnen das
Studium ihrer Rollen erleichtert. Aber die durch solche Sendungen eingeleitete
Verbindung mit achtungswerthen Talenten der Bühne wird dem Schriftsteller
nicht nur nützlich sein, sie kann ihm auch interessante Meuscheu, warme Bewunderer
des Schönen, vielleicht fördernde und treue Freunde gewinnen. Dem deutschen
Dramatiker thut der frische, anregende Umgang mit gebildeten Darstellern mehr
Noth, als irgend etwas Anderes, denn am leichtesten erwirbt er durch ihn, was
ihm in der Regel fehlt, genane Kenntniß des Wirksamen ans der Bühne. Schon
Lessing hat das erfahren. Der Dichter entbehrt viel, der solchen Umgang
missen muß.

Bei der Versendung hat der Schriftsteller natürlich auch den zarten Punkt
der Honorare vor Augen. Bei den meisten Hvftheatern ist uicht gerade nöthig,
daß er eine Forderung stellt. Wien, Berlin und München zahlen Tantieme; für
Stücke, welche den ganzen Abend füllen, 10 pro C. der Bruttoeinnahme jeder
Vorstellung, für kleinere uach Verhältniß. Diese Tantieme wird auf Lebenszeit,
unter Umständen auch nach dem Tode des Dichters gezahlt, ihr Ertrag ist bei
den beiden ersten Theatern Deutschlands sehr bedeutend, denn wenn ein Stück


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/292>, abgerufen am 24.07.2024.