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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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tireu jeden Grad der Bildung und jede Höhe der Gage, vou vielleicht 12000 Thlr.
jährlicher Einnahmen bis zu dem Zustand herab, wo die Einnahmen mit Noth¬
wendigkeit kleiner sind, als die Ausgaben.

An 160 organisirte Theater deutscher Sprache! Alle begierig nach neuen
Stücken, alle mit Entschlossenheit bereit aufzuführen, was ihnen brauchbar scheint!
Es muß ein schönes Gefühl für den deutschen Dichter sein, diese Welt in Be¬
wegung zu setzen. Und in der That, wenn die Birch oder Benedix mit einem
neuen Stück das gemacht haben, was mau einen guten Wurf nennt, so bewegen
sie die Lachmuskeln und Thränenqnellen des gesammten gebildeten Publicums,
welches Deutsch spricht, mit Hilfe eines collossalen Apparats. Zahlreiche In¬
tendanten und Direktoren schreibe" artige Briefe, dunkle Theatercopisten schlendern
beim Nolleuschreiben große Buchstaben mit unmäßiger Heftigkeit aus ihren ge¬
sträubten Federn, ernste Regisseure sitzen in tiefer Ueberlegung über die Berthei-
lung der Rollen nud das Arrangement der Scene", 160 erste Liebhaberinnen
rauschen durch ihre Zimmer und memoriren, 160 Souffleure malen mit Bleistift
geheimnißvolle Zeichen in die Manuscripte, 160 Theaterschneider nähe" neue
Schleppen und 160 Theaterseeretaire senden an den glücklichen Dichter kleine
Haufen von Goldstücken. --

Allerdings hat diese Bühnenherrlichkeit ihre Schattenseite, indeß soll diese
hier nicht beklagt werden. Die Uebelstände des deutsche" Theaters siud oft genug
besprochen, es sind im Grnnde dieselben Leide", welche wir in unserem politi¬
schen Leben zu ertragen haben. Dagegen sei die gegenwärtige Gelegenheit zu
einigen Bemerkungen über das geschäftliche Verhältniß des dramatischen Schrift¬
stellers zum deutscheu Theater benützt, sie möge" zugleich als bescheidene Rath¬
schläge für jüngere Schriftsteller, welche auf der Bühne noch nicht fest stehen,
betrachtet werden.

Die Vieltheiligkeit Deutschlands hat verhindert, daß bei uns, wie in Frank
reich und England, die Erfolge eines Theaterstücks an einer große" Bühne der
Hauptstadt maßgebend werden für die Erfolge ans den übrigen Theatern des
Landes. Ein deutsches Drama must das Glück haben, bei 8 bis 10 größere"
Theater" i" de" verschiede"e" Theile" Deutschlands große Erfolge zu erlange",
bevor sei" Lauf über die übrige" gesichert betrachtet werde" kau". Während
das Renomee eines Theaterstücks, welches von der Wiener Burg ausgeht, so
ziemlich die übrigen Theater des Kaiserstaates bestimmt, hat schon das Berliner
Hoftheater einen viel kleineren Kreis, in dem es de" Ton angiebt; was in Dres¬
den gefällt, mißfällt vielleicht schon in Leipzig, und el" Erfolg in Hannover sichert
noch keinesweges eine" i" Braunschweig. Indeß so weit reicht doch der Zu¬
sammenhang der deutschen Bühne", daß der gute Erfolg eines Bnhnenwerkes ans
einem oder zwei gut reuomirten Theater" die übrigen darauf aufmerksam macht.
Ueberhaupt ist Mangel an Aufmerksamkeit ans das etwa Brauchbare im Allge-


tireu jeden Grad der Bildung und jede Höhe der Gage, vou vielleicht 12000 Thlr.
jährlicher Einnahmen bis zu dem Zustand herab, wo die Einnahmen mit Noth¬
wendigkeit kleiner sind, als die Ausgaben.

An 160 organisirte Theater deutscher Sprache! Alle begierig nach neuen
Stücken, alle mit Entschlossenheit bereit aufzuführen, was ihnen brauchbar scheint!
Es muß ein schönes Gefühl für den deutschen Dichter sein, diese Welt in Be¬
wegung zu setzen. Und in der That, wenn die Birch oder Benedix mit einem
neuen Stück das gemacht haben, was mau einen guten Wurf nennt, so bewegen
sie die Lachmuskeln und Thränenqnellen des gesammten gebildeten Publicums,
welches Deutsch spricht, mit Hilfe eines collossalen Apparats. Zahlreiche In¬
tendanten und Direktoren schreibe» artige Briefe, dunkle Theatercopisten schlendern
beim Nolleuschreiben große Buchstaben mit unmäßiger Heftigkeit aus ihren ge¬
sträubten Federn, ernste Regisseure sitzen in tiefer Ueberlegung über die Berthei-
lung der Rollen nud das Arrangement der Scene», 160 erste Liebhaberinnen
rauschen durch ihre Zimmer und memoriren, 160 Souffleure malen mit Bleistift
geheimnißvolle Zeichen in die Manuscripte, 160 Theaterschneider nähe» neue
Schleppen und 160 Theaterseeretaire senden an den glücklichen Dichter kleine
Haufen von Goldstücken. —

Allerdings hat diese Bühnenherrlichkeit ihre Schattenseite, indeß soll diese
hier nicht beklagt werden. Die Uebelstände des deutsche» Theaters siud oft genug
besprochen, es sind im Grnnde dieselben Leide», welche wir in unserem politi¬
schen Leben zu ertragen haben. Dagegen sei die gegenwärtige Gelegenheit zu
einigen Bemerkungen über das geschäftliche Verhältniß des dramatischen Schrift¬
stellers zum deutscheu Theater benützt, sie möge» zugleich als bescheidene Rath¬
schläge für jüngere Schriftsteller, welche auf der Bühne noch nicht fest stehen,
betrachtet werden.

Die Vieltheiligkeit Deutschlands hat verhindert, daß bei uns, wie in Frank
reich und England, die Erfolge eines Theaterstücks an einer große» Bühne der
Hauptstadt maßgebend werden für die Erfolge ans den übrigen Theatern des
Landes. Ein deutsches Drama must das Glück haben, bei 8 bis 10 größere»
Theater» i» de» verschiede»e» Theile» Deutschlands große Erfolge zu erlange»,
bevor sei» Lauf über die übrige» gesichert betrachtet werde» kau». Während
das Renomee eines Theaterstücks, welches von der Wiener Burg ausgeht, so
ziemlich die übrigen Theater des Kaiserstaates bestimmt, hat schon das Berliner
Hoftheater einen viel kleineren Kreis, in dem es de» Ton angiebt; was in Dres¬
den gefällt, mißfällt vielleicht schon in Leipzig, und el» Erfolg in Hannover sichert
noch keinesweges eine» i» Braunschweig. Indeß so weit reicht doch der Zu¬
sammenhang der deutschen Bühne», daß der gute Erfolg eines Bnhnenwerkes ans
einem oder zwei gut reuomirten Theater» die übrigen darauf aufmerksam macht.
Ueberhaupt ist Mangel an Aufmerksamkeit ans das etwa Brauchbare im Allge-


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[0290] tireu jeden Grad der Bildung und jede Höhe der Gage, vou vielleicht 12000 Thlr. jährlicher Einnahmen bis zu dem Zustand herab, wo die Einnahmen mit Noth¬ wendigkeit kleiner sind, als die Ausgaben. An 160 organisirte Theater deutscher Sprache! Alle begierig nach neuen Stücken, alle mit Entschlossenheit bereit aufzuführen, was ihnen brauchbar scheint! Es muß ein schönes Gefühl für den deutschen Dichter sein, diese Welt in Be¬ wegung zu setzen. Und in der That, wenn die Birch oder Benedix mit einem neuen Stück das gemacht haben, was mau einen guten Wurf nennt, so bewegen sie die Lachmuskeln und Thränenqnellen des gesammten gebildeten Publicums, welches Deutsch spricht, mit Hilfe eines collossalen Apparats. Zahlreiche In¬ tendanten und Direktoren schreibe» artige Briefe, dunkle Theatercopisten schlendern beim Nolleuschreiben große Buchstaben mit unmäßiger Heftigkeit aus ihren ge¬ sträubten Federn, ernste Regisseure sitzen in tiefer Ueberlegung über die Berthei- lung der Rollen nud das Arrangement der Scene», 160 erste Liebhaberinnen rauschen durch ihre Zimmer und memoriren, 160 Souffleure malen mit Bleistift geheimnißvolle Zeichen in die Manuscripte, 160 Theaterschneider nähe» neue Schleppen und 160 Theaterseeretaire senden an den glücklichen Dichter kleine Haufen von Goldstücken. — Allerdings hat diese Bühnenherrlichkeit ihre Schattenseite, indeß soll diese hier nicht beklagt werden. Die Uebelstände des deutsche» Theaters siud oft genug besprochen, es sind im Grnnde dieselben Leide», welche wir in unserem politi¬ schen Leben zu ertragen haben. Dagegen sei die gegenwärtige Gelegenheit zu einigen Bemerkungen über das geschäftliche Verhältniß des dramatischen Schrift¬ stellers zum deutscheu Theater benützt, sie möge» zugleich als bescheidene Rath¬ schläge für jüngere Schriftsteller, welche auf der Bühne noch nicht fest stehen, betrachtet werden. Die Vieltheiligkeit Deutschlands hat verhindert, daß bei uns, wie in Frank reich und England, die Erfolge eines Theaterstücks an einer große» Bühne der Hauptstadt maßgebend werden für die Erfolge ans den übrigen Theatern des Landes. Ein deutsches Drama must das Glück haben, bei 8 bis 10 größere» Theater» i» de» verschiede»e» Theile» Deutschlands große Erfolge zu erlange», bevor sei» Lauf über die übrige» gesichert betrachtet werde» kau». Während das Renomee eines Theaterstücks, welches von der Wiener Burg ausgeht, so ziemlich die übrigen Theater des Kaiserstaates bestimmt, hat schon das Berliner Hoftheater einen viel kleineren Kreis, in dem es de» Ton angiebt; was in Dres¬ den gefällt, mißfällt vielleicht schon in Leipzig, und el» Erfolg in Hannover sichert noch keinesweges eine» i» Braunschweig. Indeß so weit reicht doch der Zu¬ sammenhang der deutschen Bühne», daß der gute Erfolg eines Bnhnenwerkes ans einem oder zwei gut reuomirten Theater» die übrigen darauf aufmerksam macht. Ueberhaupt ist Mangel an Aufmerksamkeit ans das etwa Brauchbare im Allge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/290>, abgerufen am 24.07.2024.