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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Vorausgehen den Lieder" kleine Treffübnngcu in den verschiedenen Intervallen bis zur
Octave. Am Schluß sind die gebräuchlichsten Choräle beigefügt.


Theater.

Am 1. Februar wurde in Leipzig Tann Häuser von Richard Wagner
aufgeführt. Dieses musikalische Drama bat, wie überall, wo es nach den Intentionen des
Autors einstudirt und in Scene gesetzt wurde, auch in Leipzig großen Erfolg gehabt.
Und in der That enthält dieses Bühnenwerk eine Reihenfolge von poetisch empfundenen
und geistvoll für die Bühne arrangirten Situationen, wie sie kaum wirksamer gedacht
werden könne". In glänzender Einleitung das mittelalterliche Zauberreich der Venus
im Hörselberg mit dem allreichcn Apparat, dnrch welchen die Bühne ein sinnliches Liebes-
leben anzudeuten pflegt, ein Zanbertreiben, welches unheimlich contrastirt mit den Fel-
senwänden, dnrch die es umschlossen wird. Gleich daraus in schneller Verwandlung im
Sonnenlicht das Thal der Wartburg, mit den idyllischen Klängen der Landschaft und
des christlichen Ritlerlebens, der Hirtenknabe mit seiner Schalmei, die Glocken der
Heerde, ein schöner Pilgcrchvr, kurz darauf die Hörner der adligen Jäger. Und im
zweiten Act der berühmte Säugerkamps auf der Wartburg, in einer Ausführung, wie
sie die Bühne bei ähnlichen Actioncn noch nicht gewagt hat, der Empfang der Gäste
nud der Epigrammen-Kampf der Sänger selbst, und der ltcbergang vom Lied zum
Schwcrtkampf in meisterhafter dramatischer Anordnung. Daraus ein höchst wirksamer
Schluß, die Bändigung der entfesselten Leidenschaft dnrch das Dazwischentreten einer
edlen Fran, und die Hinweisung auf eine Versöhnung durch' die Pilgerfahrt des sündigen
Helden nach Rom, der ans der Ferne klingende Pilgerchor und die kurzen Schlußworte.
Endlich im dritten Act die Stimmung banger Erwartung, vortrefflich durch die betende
Elisabeth und Wolfram erregt, darauf die starke Wirkung des Chors der zurück-
kehrende" Pilger und die heilige Resignation der liebenden Fran. Und wieder im Gegen¬
satz dazu die verzweifelte Stimmung des zurückkehrenden Tannhäusers, der dunkle Abend,
der auf der Landschaft liegt, die Erzählung des Verzweifelten, wie der Papst ihn allein
nicht losgesprochen habe, -- das Alles sind geschickte, zum großen Theil schöne Situa-
tionen. Nur der Schluß ist nicht befriedigend

Auch wird die bedeutende Wirkung, welche diese Situationen in ihrer Verbindung
aus die Seele des Zuschauers ausüben, nicht dnrch gemeine Kunststücke oder unwürdige
Behandlung des Stoffes errungen, im Gegentheil, überall ist ein dichterisches Gemüth
sichtbar, welches die edelste" Wirkungen hervorzubringen strebt. Die Sprache der
handelnden Personen ist viel poetischer, als bei einem Scribcschen Text, in der Handlung



Der Papst, auf dessen Absolution die ganze Spannung und die Lösung der Handlung
gesetzt war, hat den Sünder nicht losgesprochen. Da stirbt die unschuldige Geliebte, und als
Tannhäuser an ihrer Bahre sterbend niedersinkt, nimmt der Schlußche'r plötzlich mit Befrie¬
digung an, der Arme werde doch selig werden, weil jetzt eine heilige Seele für ihn bitten
werde. Entweder war der Papst competent zu verdamme", und dann ist Tannhäuser verdammt,
oder er war nicht competent, und dann vernichtet der Schluß die Berechtigung des Borher-
gchcndcu. Bei einem Operntext würde diese Differenz wenig zu sagen habe", bei dem innern
:>usa""uenhangc, den die epische Handlung Wagner'S haben muß, verletzt uns das Unmoti-
virte. Der Papst müßte schon eine solche Möglichkeit freilasse". Außerdem ist Tannhäuser's
Reisebericht zu lang, wir haben "ich! mehr Ruhe genug, seine epische" Schönheiten zu
uenicßc".

Vorausgehen den Lieder» kleine Treffübnngcu in den verschiedenen Intervallen bis zur
Octave. Am Schluß sind die gebräuchlichsten Choräle beigefügt.


Theater.

Am 1. Februar wurde in Leipzig Tann Häuser von Richard Wagner
aufgeführt. Dieses musikalische Drama bat, wie überall, wo es nach den Intentionen des
Autors einstudirt und in Scene gesetzt wurde, auch in Leipzig großen Erfolg gehabt.
Und in der That enthält dieses Bühnenwerk eine Reihenfolge von poetisch empfundenen
und geistvoll für die Bühne arrangirten Situationen, wie sie kaum wirksamer gedacht
werden könne». In glänzender Einleitung das mittelalterliche Zauberreich der Venus
im Hörselberg mit dem allreichcn Apparat, dnrch welchen die Bühne ein sinnliches Liebes-
leben anzudeuten pflegt, ein Zanbertreiben, welches unheimlich contrastirt mit den Fel-
senwänden, dnrch die es umschlossen wird. Gleich daraus in schneller Verwandlung im
Sonnenlicht das Thal der Wartburg, mit den idyllischen Klängen der Landschaft und
des christlichen Ritlerlebens, der Hirtenknabe mit seiner Schalmei, die Glocken der
Heerde, ein schöner Pilgcrchvr, kurz darauf die Hörner der adligen Jäger. Und im
zweiten Act der berühmte Säugerkamps auf der Wartburg, in einer Ausführung, wie
sie die Bühne bei ähnlichen Actioncn noch nicht gewagt hat, der Empfang der Gäste
nud der Epigrammen-Kampf der Sänger selbst, und der ltcbergang vom Lied zum
Schwcrtkampf in meisterhafter dramatischer Anordnung. Daraus ein höchst wirksamer
Schluß, die Bändigung der entfesselten Leidenschaft dnrch das Dazwischentreten einer
edlen Fran, und die Hinweisung auf eine Versöhnung durch' die Pilgerfahrt des sündigen
Helden nach Rom, der ans der Ferne klingende Pilgerchor und die kurzen Schlußworte.
Endlich im dritten Act die Stimmung banger Erwartung, vortrefflich durch die betende
Elisabeth und Wolfram erregt, darauf die starke Wirkung des Chors der zurück-
kehrende» Pilger und die heilige Resignation der liebenden Fran. Und wieder im Gegen¬
satz dazu die verzweifelte Stimmung des zurückkehrenden Tannhäusers, der dunkle Abend,
der auf der Landschaft liegt, die Erzählung des Verzweifelten, wie der Papst ihn allein
nicht losgesprochen habe, — das Alles sind geschickte, zum großen Theil schöne Situa-
tionen. Nur der Schluß ist nicht befriedigend

Auch wird die bedeutende Wirkung, welche diese Situationen in ihrer Verbindung
aus die Seele des Zuschauers ausüben, nicht dnrch gemeine Kunststücke oder unwürdige
Behandlung des Stoffes errungen, im Gegentheil, überall ist ein dichterisches Gemüth
sichtbar, welches die edelste» Wirkungen hervorzubringen strebt. Die Sprache der
handelnden Personen ist viel poetischer, als bei einem Scribcschen Text, in der Handlung



Der Papst, auf dessen Absolution die ganze Spannung und die Lösung der Handlung
gesetzt war, hat den Sünder nicht losgesprochen. Da stirbt die unschuldige Geliebte, und als
Tannhäuser an ihrer Bahre sterbend niedersinkt, nimmt der Schlußche'r plötzlich mit Befrie¬
digung an, der Arme werde doch selig werden, weil jetzt eine heilige Seele für ihn bitten
werde. Entweder war der Papst competent zu verdamme», und dann ist Tannhäuser verdammt,
oder er war nicht competent, und dann vernichtet der Schluß die Berechtigung des Borher-
gchcndcu. Bei einem Operntext würde diese Differenz wenig zu sagen habe», bei dem innern
:>usa»»uenhangc, den die epische Handlung Wagner'S haben muß, verletzt uns das Unmoti-
virte. Der Papst müßte schon eine solche Möglichkeit freilasse». Außerdem ist Tannhäuser's
Reisebericht zu lang, wir haben »ich! mehr Ruhe genug, seine epische» Schönheiten zu
uenicßc».
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[0285] Vorausgehen den Lieder» kleine Treffübnngcu in den verschiedenen Intervallen bis zur Octave. Am Schluß sind die gebräuchlichsten Choräle beigefügt. Theater. Am 1. Februar wurde in Leipzig Tann Häuser von Richard Wagner aufgeführt. Dieses musikalische Drama bat, wie überall, wo es nach den Intentionen des Autors einstudirt und in Scene gesetzt wurde, auch in Leipzig großen Erfolg gehabt. Und in der That enthält dieses Bühnenwerk eine Reihenfolge von poetisch empfundenen und geistvoll für die Bühne arrangirten Situationen, wie sie kaum wirksamer gedacht werden könne». In glänzender Einleitung das mittelalterliche Zauberreich der Venus im Hörselberg mit dem allreichcn Apparat, dnrch welchen die Bühne ein sinnliches Liebes- leben anzudeuten pflegt, ein Zanbertreiben, welches unheimlich contrastirt mit den Fel- senwänden, dnrch die es umschlossen wird. Gleich daraus in schneller Verwandlung im Sonnenlicht das Thal der Wartburg, mit den idyllischen Klängen der Landschaft und des christlichen Ritlerlebens, der Hirtenknabe mit seiner Schalmei, die Glocken der Heerde, ein schöner Pilgcrchvr, kurz darauf die Hörner der adligen Jäger. Und im zweiten Act der berühmte Säugerkamps auf der Wartburg, in einer Ausführung, wie sie die Bühne bei ähnlichen Actioncn noch nicht gewagt hat, der Empfang der Gäste nud der Epigrammen-Kampf der Sänger selbst, und der ltcbergang vom Lied zum Schwcrtkampf in meisterhafter dramatischer Anordnung. Daraus ein höchst wirksamer Schluß, die Bändigung der entfesselten Leidenschaft dnrch das Dazwischentreten einer edlen Fran, und die Hinweisung auf eine Versöhnung durch' die Pilgerfahrt des sündigen Helden nach Rom, der ans der Ferne klingende Pilgerchor und die kurzen Schlußworte. Endlich im dritten Act die Stimmung banger Erwartung, vortrefflich durch die betende Elisabeth und Wolfram erregt, darauf die starke Wirkung des Chors der zurück- kehrende» Pilger und die heilige Resignation der liebenden Fran. Und wieder im Gegen¬ satz dazu die verzweifelte Stimmung des zurückkehrenden Tannhäusers, der dunkle Abend, der auf der Landschaft liegt, die Erzählung des Verzweifelten, wie der Papst ihn allein nicht losgesprochen habe, — das Alles sind geschickte, zum großen Theil schöne Situa- tionen. Nur der Schluß ist nicht befriedigend Auch wird die bedeutende Wirkung, welche diese Situationen in ihrer Verbindung aus die Seele des Zuschauers ausüben, nicht dnrch gemeine Kunststücke oder unwürdige Behandlung des Stoffes errungen, im Gegentheil, überall ist ein dichterisches Gemüth sichtbar, welches die edelste» Wirkungen hervorzubringen strebt. Die Sprache der handelnden Personen ist viel poetischer, als bei einem Scribcschen Text, in der Handlung Der Papst, auf dessen Absolution die ganze Spannung und die Lösung der Handlung gesetzt war, hat den Sünder nicht losgesprochen. Da stirbt die unschuldige Geliebte, und als Tannhäuser an ihrer Bahre sterbend niedersinkt, nimmt der Schlußche'r plötzlich mit Befrie¬ digung an, der Arme werde doch selig werden, weil jetzt eine heilige Seele für ihn bitten werde. Entweder war der Papst competent zu verdamme», und dann ist Tannhäuser verdammt, oder er war nicht competent, und dann vernichtet der Schluß die Berechtigung des Borher- gchcndcu. Bei einem Operntext würde diese Differenz wenig zu sagen habe», bei dem innern :>usa»»uenhangc, den die epische Handlung Wagner'S haben muß, verletzt uns das Unmoti- virte. Der Papst müßte schon eine solche Möglichkeit freilasse». Außerdem ist Tannhäuser's Reisebericht zu lang, wir haben »ich! mehr Ruhe genug, seine epische» Schönheiten zu uenicßc».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/285>, abgerufen am 27.12.2024.