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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Münze, ein Gewehr, ein Glas, von denen er Kunde erlangt hatte, in glänzen¬
den Farben vor sich stehen. Dann sprang er wol mitten in der Nacht ans, und
der Schwertmann von Eger schritt durch Nacht und Sturmwind über die
Berge nach Sachsen, ja nach Baireuth und Franken, um seine Sehnsucht zu
befriedigen, und glücklichen Tausch oder Kauf zu macheu.

Mit seinen Sammlungen schmückte er seine Wohnung, eine Hausflur und
zwei kleine Zimmmer, recht gemüthlich aus. Ju der Hausflur standen Schränke
mit Mineralien, Muscheln und ausgestopften Vögeln, an der Decke hingen ge¬
spenstige Seefische. In dem Zimmer rechts waren alte Waffen, Harnische,
Helme und der Schrank mit der Münzsammlung aufgestellt. In einem beson¬
dern Schranke daneben glänzten die Schwerter, mit denen Huß selbst ruhmvoll
die Kopfe verschiedener Verbrecher abgeschlagen hatte, und neben diesen Schwertern
hielt eine hölzerne Figur dem Eintretenden eine Schüssel entgegen, mit der In¬
schrift : "Beiträge zu den schönen Wissenschaften."

Aber Huß war anch im Zeichnen und Malen nicht ungeschickt; er copirte
einige alte Oelbilder, welche ihm Rath Grüner geliehen hatte, Ansichten der Stadt
Eger, und malte alle ihm bekannten Wappen der Adels- und Patriciergeschlechter
für seine Sammlung.

Als das Franzensbad emporblühte, wuchsen auch seine Sammlungen, beson¬
ders das Münzcabinet. Häufig besuchten ihn vornehme Curgäste als eine Kurio¬
sität und beschenkten ihn reichlich, Gelehrte von Fach traten mit ihm in
Korrespondenz, er wurde in öffentlichen Blättern öfters ehrenvoll erwähnt, man lobte
seine Ordnungsliebe, seine historischen Kenntnisse, sein in der That bewunderns¬
würdiges Gedächtniß.

Ueber dreißig Jahre hatte er mit unermüdlichem Eifer gesammelt. Da
wurde ihm der Gedanke schmerzlich, daß nach seinem, des kinderlosen Mannes
Tode seine mühevoll zusammengebrachten und kostspieligen Sammlungen zer¬
splittert werden würden. Grüner vermittelte deshalb den Verkauf der Samen- ^
lungen (die Münzsammlung allein hatte einen Metallwerth von circa 12,000
Gulden C. M.) an den Fürsten Metternich von Köuigswarth. Huß erhielt eine
Leibrente vou 300 Gulden, resigniren auf seineu Dienst, wurde Bürger von
Eger, und im Köuigswarther Schloß Custos seiner Sammlungen. Dort hatte
er beträchtliche Einnahmen, lebte und starb zufrieden.

Das war der merkwürdige Mann, der anch in dem Leben Goethe's eine
bescheidene Rolle spielte. Derselbe Sammeltrieb, der dem großen Dichter in
der letzten Hälfte seines Lebens so viele kleine Freuden machte, hatte auch den
armen Huß aus dem Banne eines finstern Schicksals und beschränkter Verhält¬
nisse herausgehoben zu einer bessern Existenz, hatte seine Seele mit ehrenwerthen
Interessen erfüllt und seinem Leben Freunde, Gönner und Verbündete gewonnen.
Und wenn Goethe seinen Geschäftsfreund mit der Achtung und diplomatischen


Münze, ein Gewehr, ein Glas, von denen er Kunde erlangt hatte, in glänzen¬
den Farben vor sich stehen. Dann sprang er wol mitten in der Nacht ans, und
der Schwertmann von Eger schritt durch Nacht und Sturmwind über die
Berge nach Sachsen, ja nach Baireuth und Franken, um seine Sehnsucht zu
befriedigen, und glücklichen Tausch oder Kauf zu macheu.

Mit seinen Sammlungen schmückte er seine Wohnung, eine Hausflur und
zwei kleine Zimmmer, recht gemüthlich aus. Ju der Hausflur standen Schränke
mit Mineralien, Muscheln und ausgestopften Vögeln, an der Decke hingen ge¬
spenstige Seefische. In dem Zimmer rechts waren alte Waffen, Harnische,
Helme und der Schrank mit der Münzsammlung aufgestellt. In einem beson¬
dern Schranke daneben glänzten die Schwerter, mit denen Huß selbst ruhmvoll
die Kopfe verschiedener Verbrecher abgeschlagen hatte, und neben diesen Schwertern
hielt eine hölzerne Figur dem Eintretenden eine Schüssel entgegen, mit der In¬
schrift : „Beiträge zu den schönen Wissenschaften."

Aber Huß war anch im Zeichnen und Malen nicht ungeschickt; er copirte
einige alte Oelbilder, welche ihm Rath Grüner geliehen hatte, Ansichten der Stadt
Eger, und malte alle ihm bekannten Wappen der Adels- und Patriciergeschlechter
für seine Sammlung.

Als das Franzensbad emporblühte, wuchsen auch seine Sammlungen, beson¬
ders das Münzcabinet. Häufig besuchten ihn vornehme Curgäste als eine Kurio¬
sität und beschenkten ihn reichlich, Gelehrte von Fach traten mit ihm in
Korrespondenz, er wurde in öffentlichen Blättern öfters ehrenvoll erwähnt, man lobte
seine Ordnungsliebe, seine historischen Kenntnisse, sein in der That bewunderns¬
würdiges Gedächtniß.

Ueber dreißig Jahre hatte er mit unermüdlichem Eifer gesammelt. Da
wurde ihm der Gedanke schmerzlich, daß nach seinem, des kinderlosen Mannes
Tode seine mühevoll zusammengebrachten und kostspieligen Sammlungen zer¬
splittert werden würden. Grüner vermittelte deshalb den Verkauf der Samen- ^
lungen (die Münzsammlung allein hatte einen Metallwerth von circa 12,000
Gulden C. M.) an den Fürsten Metternich von Köuigswarth. Huß erhielt eine
Leibrente vou 300 Gulden, resigniren auf seineu Dienst, wurde Bürger von
Eger, und im Köuigswarther Schloß Custos seiner Sammlungen. Dort hatte
er beträchtliche Einnahmen, lebte und starb zufrieden.

Das war der merkwürdige Mann, der anch in dem Leben Goethe's eine
bescheidene Rolle spielte. Derselbe Sammeltrieb, der dem großen Dichter in
der letzten Hälfte seines Lebens so viele kleine Freuden machte, hatte auch den
armen Huß aus dem Banne eines finstern Schicksals und beschränkter Verhält¬
nisse herausgehoben zu einer bessern Existenz, hatte seine Seele mit ehrenwerthen
Interessen erfüllt und seinem Leben Freunde, Gönner und Verbündete gewonnen.
Und wenn Goethe seinen Geschäftsfreund mit der Achtung und diplomatischen


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[0252] Münze, ein Gewehr, ein Glas, von denen er Kunde erlangt hatte, in glänzen¬ den Farben vor sich stehen. Dann sprang er wol mitten in der Nacht ans, und der Schwertmann von Eger schritt durch Nacht und Sturmwind über die Berge nach Sachsen, ja nach Baireuth und Franken, um seine Sehnsucht zu befriedigen, und glücklichen Tausch oder Kauf zu macheu. Mit seinen Sammlungen schmückte er seine Wohnung, eine Hausflur und zwei kleine Zimmmer, recht gemüthlich aus. Ju der Hausflur standen Schränke mit Mineralien, Muscheln und ausgestopften Vögeln, an der Decke hingen ge¬ spenstige Seefische. In dem Zimmer rechts waren alte Waffen, Harnische, Helme und der Schrank mit der Münzsammlung aufgestellt. In einem beson¬ dern Schranke daneben glänzten die Schwerter, mit denen Huß selbst ruhmvoll die Kopfe verschiedener Verbrecher abgeschlagen hatte, und neben diesen Schwertern hielt eine hölzerne Figur dem Eintretenden eine Schüssel entgegen, mit der In¬ schrift : „Beiträge zu den schönen Wissenschaften." Aber Huß war anch im Zeichnen und Malen nicht ungeschickt; er copirte einige alte Oelbilder, welche ihm Rath Grüner geliehen hatte, Ansichten der Stadt Eger, und malte alle ihm bekannten Wappen der Adels- und Patriciergeschlechter für seine Sammlung. Als das Franzensbad emporblühte, wuchsen auch seine Sammlungen, beson¬ ders das Münzcabinet. Häufig besuchten ihn vornehme Curgäste als eine Kurio¬ sität und beschenkten ihn reichlich, Gelehrte von Fach traten mit ihm in Korrespondenz, er wurde in öffentlichen Blättern öfters ehrenvoll erwähnt, man lobte seine Ordnungsliebe, seine historischen Kenntnisse, sein in der That bewunderns¬ würdiges Gedächtniß. Ueber dreißig Jahre hatte er mit unermüdlichem Eifer gesammelt. Da wurde ihm der Gedanke schmerzlich, daß nach seinem, des kinderlosen Mannes Tode seine mühevoll zusammengebrachten und kostspieligen Sammlungen zer¬ splittert werden würden. Grüner vermittelte deshalb den Verkauf der Samen- ^ lungen (die Münzsammlung allein hatte einen Metallwerth von circa 12,000 Gulden C. M.) an den Fürsten Metternich von Köuigswarth. Huß erhielt eine Leibrente vou 300 Gulden, resigniren auf seineu Dienst, wurde Bürger von Eger, und im Köuigswarther Schloß Custos seiner Sammlungen. Dort hatte er beträchtliche Einnahmen, lebte und starb zufrieden. Das war der merkwürdige Mann, der anch in dem Leben Goethe's eine bescheidene Rolle spielte. Derselbe Sammeltrieb, der dem großen Dichter in der letzten Hälfte seines Lebens so viele kleine Freuden machte, hatte auch den armen Huß aus dem Banne eines finstern Schicksals und beschränkter Verhält¬ nisse herausgehoben zu einer bessern Existenz, hatte seine Seele mit ehrenwerthen Interessen erfüllt und seinem Leben Freunde, Gönner und Verbündete gewonnen. Und wenn Goethe seinen Geschäftsfreund mit der Achtung und diplomatischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/252>, abgerufen am 24.07.2024.