Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.malischen Verhältnisse Frankreichs in so schwarzem Lichte sehe, während der malischen Verhältnisse Frankreichs in so schwarzem Lichte sehe, während der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186110"/> <p xml:id="ID_700" prev="#ID_699" next="#ID_701"> malischen Verhältnisse Frankreichs in so schwarzem Lichte sehe, während der<lb/> Moniteur Alles rosig steht; ich glaube im Rechte zu sein, denn so viel mir über<lb/> das Anerkennungsschreiben des Czaren bekannt ist, wurde die Phantasie Louis<lb/> Napoleon's als Ritter der bonapartischen Dynastie aufzutreten ausdrücklich als<lb/> innere Angelegenheit bezeichnet, die Erblichkeitsfrage wird als Nebensache betrachtet,<lb/> da der Nachfolger des Kaisers, wenn er kein Sohn desselben, voraussichtlich erst<lb/> vom allgemeinen Stimmrechte, also wieder als provisorischer Kaiser anerkannt<lb/> werden müßte, und die gehoffte Aufrechterhaltung der Tractate von 18-16 wird<lb/> gleichfalls ganz unzweifelhaft ausgedrückt. Wer Louis Napoleon näher kennt,<lb/> ist nicht überrascht ob der plötzlichen Gefügigkeit inmitten des grössten Glanzes<lb/> seiner Macht. Seine Vergangenheit lehrt, daß er lange Geduld hat<lb/> und nur im geeigneten Momente ausbricht. Seine Minister, mit Aus¬<lb/> nahme Fould's, scheinen sich noch nicht an diesen eigenthümlichen Charakter<lb/> gewöhnt zu haben, denn die meisten, und Herr Drouye de l'Hülf obenan, setzten<lb/> als gewiß voraus, Louis Napoleon werde auf die ihm zugemuthete Demüthigung<lb/> nicht eingehen. Fould allem, der als Finanzier seinen Herrn vielleicht näher<lb/> kennt als seine Kollegen, sah die friedliche Wendung voraus und bestärkte Louis<lb/> Napoleon in seiner vvrausgcscißtcu Absicht. Die Diplomaten der nordischen<lb/> Großmächte werden sich nnn in stolzem Selbstgefühle wiegen, denn das war ein<lb/> prächtiger Coup, das war wieder einmal eine Gelegenheit, die ganze Wichtigkeit<lb/> des papiernen Geschützes, diplomatische Noten genannt, darzuthun. Die Diplo¬<lb/> maten bilden sich aber zu viel ein, denn das war kein Meisterstück, und die<lb/> diplomatische bMIvtü wird durch die politische Ungeschicklichkeit völlig verdunkelt.<lb/> Meine Ansichten über den Staatsstreich und das gegenwärtige Regime hier kennen<lb/> Ihre Leser, und man wird mich daher, so hoffe ich, in Folgendem nicht mißver¬<lb/> stehen. Die Regierungen der drei Großmächte haben Unrecht gehabt, das<lb/> Kaiserreich nicht allsogleich, nicht ohne Reserve anzuerkennen. Louis Napoleon hat<lb/> der Sache, welche sie repräsentiren, dem Regieruugssysteme, dem sie huldigen,<lb/> und das sie gern über ganz Europa verbreitet wüßten, während seiner Regierung<lb/> und namentlich durch den Staatsstreich einen so unendlichen Dienst geleistet, daß<lb/> die Balgerei um die namentliche Anerkennung der Verträge von 18-U> wirklich<lb/> eine Kinderei zu nennen ist. Die Legitimität kann als monarchisches Princip<lb/> gerechtfertigt werden, aber wenn es ernst damit gemeint sein soll, dann müßten die<lb/> Fürsten leicht erst einen Angriff abwarten und dem Grafen von Chambord ihre<lb/> Armeen zur Verfügung stellen. So wie aber die Vvlkssouveraiuctät, dieselbe mag<lb/> sich nnn in der Meinung der Republikaner und sonstiger Nichtimpccialisten anch<lb/> unfrei bewegt haben, anerkannt wird, ist jede andere Restriktion lächerlich. Abge¬<lb/> sehen davon, daß die Territvrialverhältnisse, wie sie in den Verträgen von<lb/> festgesetzt worden, längst nicht mehr bestehen, ist schwer zu entnehmen, welche<lb/> Bürgschaft in dem Versprechen eines Mannes liegen kann, der diese Bürgschaft</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
malischen Verhältnisse Frankreichs in so schwarzem Lichte sehe, während der
Moniteur Alles rosig steht; ich glaube im Rechte zu sein, denn so viel mir über
das Anerkennungsschreiben des Czaren bekannt ist, wurde die Phantasie Louis
Napoleon's als Ritter der bonapartischen Dynastie aufzutreten ausdrücklich als
innere Angelegenheit bezeichnet, die Erblichkeitsfrage wird als Nebensache betrachtet,
da der Nachfolger des Kaisers, wenn er kein Sohn desselben, voraussichtlich erst
vom allgemeinen Stimmrechte, also wieder als provisorischer Kaiser anerkannt
werden müßte, und die gehoffte Aufrechterhaltung der Tractate von 18-16 wird
gleichfalls ganz unzweifelhaft ausgedrückt. Wer Louis Napoleon näher kennt,
ist nicht überrascht ob der plötzlichen Gefügigkeit inmitten des grössten Glanzes
seiner Macht. Seine Vergangenheit lehrt, daß er lange Geduld hat
und nur im geeigneten Momente ausbricht. Seine Minister, mit Aus¬
nahme Fould's, scheinen sich noch nicht an diesen eigenthümlichen Charakter
gewöhnt zu haben, denn die meisten, und Herr Drouye de l'Hülf obenan, setzten
als gewiß voraus, Louis Napoleon werde auf die ihm zugemuthete Demüthigung
nicht eingehen. Fould allem, der als Finanzier seinen Herrn vielleicht näher
kennt als seine Kollegen, sah die friedliche Wendung voraus und bestärkte Louis
Napoleon in seiner vvrausgcscißtcu Absicht. Die Diplomaten der nordischen
Großmächte werden sich nnn in stolzem Selbstgefühle wiegen, denn das war ein
prächtiger Coup, das war wieder einmal eine Gelegenheit, die ganze Wichtigkeit
des papiernen Geschützes, diplomatische Noten genannt, darzuthun. Die Diplo¬
maten bilden sich aber zu viel ein, denn das war kein Meisterstück, und die
diplomatische bMIvtü wird durch die politische Ungeschicklichkeit völlig verdunkelt.
Meine Ansichten über den Staatsstreich und das gegenwärtige Regime hier kennen
Ihre Leser, und man wird mich daher, so hoffe ich, in Folgendem nicht mißver¬
stehen. Die Regierungen der drei Großmächte haben Unrecht gehabt, das
Kaiserreich nicht allsogleich, nicht ohne Reserve anzuerkennen. Louis Napoleon hat
der Sache, welche sie repräsentiren, dem Regieruugssysteme, dem sie huldigen,
und das sie gern über ganz Europa verbreitet wüßten, während seiner Regierung
und namentlich durch den Staatsstreich einen so unendlichen Dienst geleistet, daß
die Balgerei um die namentliche Anerkennung der Verträge von 18-U> wirklich
eine Kinderei zu nennen ist. Die Legitimität kann als monarchisches Princip
gerechtfertigt werden, aber wenn es ernst damit gemeint sein soll, dann müßten die
Fürsten leicht erst einen Angriff abwarten und dem Grafen von Chambord ihre
Armeen zur Verfügung stellen. So wie aber die Vvlkssouveraiuctät, dieselbe mag
sich nnn in der Meinung der Republikaner und sonstiger Nichtimpccialisten anch
unfrei bewegt haben, anerkannt wird, ist jede andere Restriktion lächerlich. Abge¬
sehen davon, daß die Territvrialverhältnisse, wie sie in den Verträgen von
festgesetzt worden, längst nicht mehr bestehen, ist schwer zu entnehmen, welche
Bürgschaft in dem Versprechen eines Mannes liegen kann, der diese Bürgschaft
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