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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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und die Sitten der Stämme kennen, zusammengesetzt, bilden eine einsichtige
Vermittlungsinstanz, welche zugleich die französische Verwaltung aufzuklären und
die einheimische zu leiten hat; sie verhindern Conflicte, die ohne ihr Vorhanden¬
sein gar nicht aufhören würden, und siud ein Verbindungsglied zwischen zwei
Civilisationen, deren Annäherung sie für die Zukunft möglich machen.,

Ende -18?>0 befanden sich in der Provinz Algier 290 Stämme zu 900,000 Seelen.
Von diesen werden 47ö direct von dem Commandanten des Bezirks im Verein mit
den arabischen Bureaus geleitet; 3!i bilden Unterabtheilungen von große" Distric-
ten, deren einheimische Häuptlinge zwar unter den arbischen Bureaus stehen, aber
ziemlich ausgedehnte Rechte haben; l>2 Stämme sind von großen arabischen Häupt¬
lingen befehligt, die zu der französischen Regierung in einer Art Vasallenverhält¬
niß stehen, und sich einer Art administrativer Unabhängigkeit erfreue". Die Pro¬
vinz Orau besitzt 600,000 Eimvvhiier vo" 27ö Stämmen, wovon 202 direct, 43 von
den Bureaus und deu Häuptlingen, und 28 von den Häuptlingen allein regiert
werden. Die Provinz Konstantine mit 1,300,000 Einwohner" besitzt S80 Stämme,
von de"en 2i0 der erste", 200 der zweite", und 80 der letzten Klasse angehöre".
Eine gewisse Anzahl Stämme ist noch uicht unterworfen; mau zählt deren 28
in der Provinz Algier und 60 in Constantine.

Die Verwaltung der Stämme durch die Eingeborenen und die arabischen
Bureaus hat auch noch den Vortheil, daß sie wenig kostspielig ist Die Be¬
soldung der arabischen Häuptlinge kostet ungefähr 300,000 Frs. Die Steuern
der Eingebornen sind in dem Einuahmcbudget vou 1830 mit i,i89,3i7 Frs.

c. angeführt. Die unterworfenen Stämme bilde" außerdem eine nicht zu ver¬
achtende irregnlaire Hilfsmacht im Kriege, und liefern außerdem im Kriegsfall
"och Ü000 Führer.

Loblieder Weise versucht die französische Regierung die arabische Bcvölt'erung
durch die Macht der geistigen Bildung an sich zu fesseln. Seit 18S0 sind fran-
zösisch-muhamedanische Kinderschulcu, und höhere muhamedanische Schule" ein¬
gerichtet. Der letzteren, Mcdressa genannt, giebt es drei in Mcdcah, Tlcmecc" und
Constantine; sic sollen Richter und Lehrer für die einheimische Bevölkerung bilden.
In Algier hat Frau Alex sogar eine Schule für muhamedanische Frauen gestiftet,
die gegenwärtig 12ki Schülerinnen zählt. Aus die muhamedanische Bevölkerung
der Städte hat die Anwesenheit der Franzosen schon längst civilisireud gewirkt,
aber auch die nvmadisirende Bevölkerung des flachen Landes unterliegt allmählich
dem Einfluß der Cultur. Seit der Araber uicht mehr in der Unruhe des be¬
ständigen Krieges lebt, hat er deu Werth festerer Wohnsitze kennen gelernt, und
fängt an, dem Zelte das Haus vorzuziehen. Alles deutet daraus hiu, daß sich
der Uebergang aus dem Nomadenleben in das Ansiedlcrlcben vorbereitet. Euro¬
päische Zimmerleute und Maurer werden von den Arabern gesucht, um Wohnhäuser,
Mühlen, Kalt-, und Ziegelöfen, Wasserleitungen zu bauen, und allein in der Abthei-


und die Sitten der Stämme kennen, zusammengesetzt, bilden eine einsichtige
Vermittlungsinstanz, welche zugleich die französische Verwaltung aufzuklären und
die einheimische zu leiten hat; sie verhindern Conflicte, die ohne ihr Vorhanden¬
sein gar nicht aufhören würden, und siud ein Verbindungsglied zwischen zwei
Civilisationen, deren Annäherung sie für die Zukunft möglich machen.,

Ende -18?>0 befanden sich in der Provinz Algier 290 Stämme zu 900,000 Seelen.
Von diesen werden 47ö direct von dem Commandanten des Bezirks im Verein mit
den arabischen Bureaus geleitet; 3!i bilden Unterabtheilungen von große» Distric-
ten, deren einheimische Häuptlinge zwar unter den arbischen Bureaus stehen, aber
ziemlich ausgedehnte Rechte haben; l>2 Stämme sind von großen arabischen Häupt¬
lingen befehligt, die zu der französischen Regierung in einer Art Vasallenverhält¬
niß stehen, und sich einer Art administrativer Unabhängigkeit erfreue». Die Pro¬
vinz Orau besitzt 600,000 Eimvvhiier vo» 27ö Stämmen, wovon 202 direct, 43 von
den Bureaus und deu Häuptlingen, und 28 von den Häuptlingen allein regiert
werden. Die Provinz Konstantine mit 1,300,000 Einwohner» besitzt S80 Stämme,
von de»en 2i0 der erste», 200 der zweite», und 80 der letzten Klasse angehöre».
Eine gewisse Anzahl Stämme ist noch uicht unterworfen; mau zählt deren 28
in der Provinz Algier und 60 in Constantine.

Die Verwaltung der Stämme durch die Eingeborenen und die arabischen
Bureaus hat auch noch den Vortheil, daß sie wenig kostspielig ist Die Be¬
soldung der arabischen Häuptlinge kostet ungefähr 300,000 Frs. Die Steuern
der Eingebornen sind in dem Einuahmcbudget vou 1830 mit i,i89,3i7 Frs.

c. angeführt. Die unterworfenen Stämme bilde» außerdem eine nicht zu ver¬
achtende irregnlaire Hilfsmacht im Kriege, und liefern außerdem im Kriegsfall
»och Ü000 Führer.

Loblieder Weise versucht die französische Regierung die arabische Bcvölt'erung
durch die Macht der geistigen Bildung an sich zu fesseln. Seit 18S0 sind fran-
zösisch-muhamedanische Kinderschulcu, und höhere muhamedanische Schule» ein¬
gerichtet. Der letzteren, Mcdressa genannt, giebt es drei in Mcdcah, Tlcmecc» und
Constantine; sic sollen Richter und Lehrer für die einheimische Bevölkerung bilden.
In Algier hat Frau Alex sogar eine Schule für muhamedanische Frauen gestiftet,
die gegenwärtig 12ki Schülerinnen zählt. Aus die muhamedanische Bevölkerung
der Städte hat die Anwesenheit der Franzosen schon längst civilisireud gewirkt,
aber auch die nvmadisirende Bevölkerung des flachen Landes unterliegt allmählich
dem Einfluß der Cultur. Seit der Araber uicht mehr in der Unruhe des be¬
ständigen Krieges lebt, hat er deu Werth festerer Wohnsitze kennen gelernt, und
fängt an, dem Zelte das Haus vorzuziehen. Alles deutet daraus hiu, daß sich
der Uebergang aus dem Nomadenleben in das Ansiedlcrlcben vorbereitet. Euro¬
päische Zimmerleute und Maurer werden von den Arabern gesucht, um Wohnhäuser,
Mühlen, Kalt-, und Ziegelöfen, Wasserleitungen zu bauen, und allein in der Abthei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/222>, abgerufen am 04.07.2024.